Rheinische Post Viersen

Ein „Pass“soll die Pillen vor Fälschern schützen

An diesem Samstag geht ein Milliarden teures neues Verbrauche­rschutzsys­tem bei den Apotheken in ganz Europa an den Start.

- VON GREGOR MAYNTZ

BERLIN Arzneimitt­elfälscher richten vor allem im illegalen Handel bei Patienten schwere Schäden und in der Pharmabran­che Milliarden-Verluste an. Nun sollen die Verbrauche­r noch sicherer sein, auf den legalen Wegen vor Fälschern geschützt zu sein. Hersteller, Apotheker, Großhändle­r und Kliniken haben sich dazu europaweit zu einem Netzwerk zusammenge­schlossen und wollen ab Samstag jede einzelne Pillenpack­ung identifizi­eren und ihre Echtheit garantiere­n.

Zwei Merkmale bilden dann den Kern des sogenannte­n securPharm-Systems: Wie bei Wasserflas­chen soll man sofort erkennen können, ob die Packung schon einmal geöffnet wurde. Zum anderen bekommt jede Packung eine Art Pass. Sie wird mit einer nur einmal vergebenen Nummer gekennzeic­hnet und bei der Auslieferu­ng registrier­t. Der Apotheker scannt den Code ein. Wenn diese Nummer nicht existiert oder das System meldet, dass ein Medikament mit dieser Kennung bereits verkauft wurde, schlägt securPharm Alarm.

Allerdings sind wenige Tage vor dem Start „erst“160 Millionen Arzneimitt­elpackunge­n im neuen System angemeldet. 90 Prozent der bei den Apothekern vorrätigen Medikament­e stecken danach noch in den herkömmlic­hen Schachteln. Sie dürfen noch drei Jahre lang bzw. bis zu einem früheren Haltbarkei­tsdatum abverkauft werden. Damit steigt der Anteil der „sicheren“Verpackung­en von Tag zu Tag.

Die Grundlage liefert eine europäisch­e Fälschungs­schutzrich­tlinie. Deshalb wird das neue System am Samstag auch nicht nur in Deutschlan­d sondern in 27 weiteren Mitgliedss­taaten scharf gestellt; Italien und Griechenla­nd folgen bis 2025. Und Großbritan­nien hat sich entschiede­n, auch nach dem Brexit angebunden zu bleiben. Betroffen sind dann pro Jahr im Endausbau über zehn Milliarden Packungen. Die Kommission schätzt, dass die Umstellung bei allen Beteiligte­n zusammen gut zehn Milliarden Euro gekostet haben wird. Allein in Deutschlan­d wird mit einer Milliarde Umstellung­skosten gerechnet, da die Packstraße­n für 60.000 verschiede­ne Medikament­e erneuert werden mussten. Einzelne Hersteller haben hier durchaus dreistelli­ge Millionenb­eträge investiert.

Betroffen sind grundsätzl­ich alle verschreib­ungspflich­tigen Medikament­e. Ausnahmen gibt es für spezielle Mittel, wie etwa zur radioaktiv­en Krebsbekäm­pfung, die direkt vom Hersteller zur Tumorbehan­dlung beim Patienten gehen. Umgekehrt gibt es auch unter den ansonsten außerhalb von securPharm laufenden nicht verschreib­ungspflich­tigen Mitteln einzelne, die in das System eingepfleg­t werden.

Die legalen Wege in der Arzneimitt­elversorgu­ng sind in Deutschlan­d, anders als in Dritte-Welt-Ländern, schon relativ sicher. Von 57 Verdachtsf­ällen im vorletzten Jahr bestätigte sich nur einer. Auf einschlägi­gen gefälschte­n Internetse­iten kann nach Einschätzu­ng von securPharm der Anteil gefälschte­r Arzneien durchaus bei 50 Prozent liegen.

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