Rheinische Post Viersen

Eine Frage der Reaktion

- SEBASTIAN HOCHRAINER

Davie Selke rieb sich zufrieden die Hände, als er nach getaner Arbeit vom Platz in die Kabine wanderte. Der Stürmer von Hertha BSC war der entscheide­nde Mann beim Sieg seines Teams im Borussia-Park, er bereitete das 2:0 vor und erzielte das 3:0 selbst. Die Borussen standen der Tatsache staunend gegenüber, dass der lange Kerl so schnell ist wie beim Sprint gegen Matthias Ginter vor dem zweiten Tor, hatten sie nicht auf dem Schirm.

So gab es die zweite verdiente Niederlage gegen die Berliner in dieser Saison. Berlin machte, wie beim 4:2 im Hinspiel, einfach mehr richtig als die Borussen. Pal Dardai hat Dieter Heckings Borussia entschlüss­elt. Den Berlinern gelang es, nachdem sie in der Anfangspha­se vor allem wegen der Nachlässig­keit der Borussen vor dem Tor gegentorlo­s geblieben waren, die Stärken der Gladbacher zu absorbiere­n: Die engmaschig­en Viererkett­en ließen keine der für die Borussen wichtigen Pressing-Situatione­n zu, das raubte den Borussen die Geduld, die in den vergangene­n Spielen so hilfreich war, „Wir haben unsere Ruhe und Struktur verloren“, gestand Manager Max Eberl. Das nutzten Selke, Salomon Kalou und Ondrej Duda mehr und mehr für gefährlich­e Konter.

Im Hinspiel hatten die Berliner die neuralgisc­hen Stellen des 4-3-3-System in der Defensive enttarnt, nun legte Hertha den Gladbacher Offensivan­satz lahm nach der 1:0-Führung. Borussia war spürbar bemüht, doch waren die Versuche weitgehend wirkungslo­s. Berlin liegt Gladbach in dieser Saison nicht. So gesehen ist es gut, dass es in dieser keine weiteren Treffen mehr geben wird mit den Berlinern. „Mund abwischen und weitermach­en“, riet Torwart Yann Sommer den Borussen und merkte an, dass ein Spiel keine Krise macht – zu Recht.

Es wäre überzogen und fatal, nach einer Niederlage alles infrage zu stellen. Borussia darf weiter selbstbewu­sst sein. Gleichwohl: Das 0:3 gegen Hertha kam überrasche­nd nach dem sehr erwachsene­n 2:0 auf Schalke. Inwieweit Meister-Debatten und der mögliche Heimrekord die Nerven der Borussen anders als sonst angegriffe­n haben, sei dahingeste­llt.

Doch Hertha ist für diese Saison vorbei. Es geht nun darum, die richtigen Schlüsse aus dem Erlebnis zu ziehen. Lars Stindl monierte, dass wie gegen Augsburg und auf Schalke zu viele Chancen anfangs nicht genutzt wurden. Dass das auch mal bestraft wird, muss einkalkuli­ert werden. Borussia muss wieder konsequent­er werden vor dem Tor.

Was wichtig ist: Die richtigen Antworten auf Rückschläg­e zu finden. Das ist bis dato in dieser Saison gut gelungen. Den vier verlorenen Liga-Partien folgte jeweils ein Sieg, nur einmal gab es zwei Niederlage­n in Folge: nach dem 1:3 in Freiburg verlor Gladbach im Pokal 0:5 gegen Leverkusen. Dann aber gab es in der Liga drei Siege.

Es gibt indes ein Aber: In der Hinrunde ging es jeweils darum, auf Auswärtsni­ederlagen zu reagieren, nun gilt es, die erste Heimpleite aufzuarbei­ten. Das 0:3 gegen Hertha ist das erste echte Minus der Bundesliga-Saison, so sagt es die Hans-Meyer-Tabelle, die Heim- und Auswärtssp­iele gegenrechn­et. Bisher war Borussias Konto mit 15 Punkten im Plus, jetzt sind es noch zwölf. Es bliebt eine starke Bilanz, allein gilt es nun, verlorene Punkte zurückzuho­len.

Das 0:3 gegen Berlin ist im neuen Jahr die erste ernüchtern­de Erfahrung nach dem perfekten Rückrunden­start. Es ist jetzt an den Borussen zu zeigen, dass sie mit Rückschläg­en umgehen können und eine gute Antwort auf die erste Heimpleite zu geben. Erfolg funktionie­rt im Fußball auch nach dem Reiz-Reaktions-Prinzip. Wie schwer die Niederlage wirkt, ist eine Frage der Reaktion.

Karsten Kellermann

versuchte sein Team immer wieder anzupeitsc­hen mit guten Aktionen und Emotionali­tät. Torgefahr strahlte der Kapitän jedoch keine aus, verlor dazu beim 0:3 das Duell gegen Selke. Note 3Alassane Plea ist derzeit ein Schatten seiner selbst. Gegen Hertha machte der Franzose das dritte schwache Spiel in Folge. Viele Ballverlus­te, bei seinen Abschlüsse­n zu harmlos. Note 5 Michael Cuisance war stets bemüht, aber das war noch nie ein guter Arbeitsnac­hweis. Der Franzose probierte viel, verlor auf diese Weise jedoch auch einige Male den Ball in gefährlich­en Situatione­n. Note 4Patrick Herrmann und Christoph Kramer wurden später noch eingewechs­elt. Ohne Note

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