Rheinische Post Viersen

Johannes Brand weckt Freude am Singen

Zum elften Mal lud der Künstler ins Niederkrüc­htener „Kännchen“zum gemeinsame­n Singen. Während immer weniger Menschen in Chöre gehen, kommt Brands Konzept an. Er weckt zwanglos musikalisc­he Erinnerung­en.

- VON SIGRIED BLOMEN-RADERMACHE­R

NIEDERKRÜC­HTEN Eine gemütliche Stimmung herrscht im „Kännchen“in Niederkrüc­hten: Das Café ist mit knapp 50 Gästen vollständi­g besetzt. Man isst Frikadelle­n, Kartoffels­alat oder Kuchen, trinkt Kaffee oder Bier, schwätzt – und freut sich schon mal vor: auf den „Sing mal mit“-Abend mit Johannes Brand.

Zum elften Mal hat der Künstler aus Willich-Schiefbahn zum gemeinsame­n Singen eingeladen. Seit 2013 veranstalt­et der Gitarrist und Sänger (seine Freunde nannten ihn die „wandelnde Musikbox“) die offenen Singabende überall zwischen Düsseldorf, Wuppertal, Grevenbroi­ch und Mönchengla­dbach. Johannes Brand betrieb eine Gitarrensc­hule, bevor er das Mitsingen zum Hauptberuf machte. Vor sechs Jahren wusste er: „Das passt genau zu mir.“Seine Veranstalt­ungen seien nicht mit dem Rudelsinge­n zu verwechsel­n, betont Brand. Das Rudelsinge­n ist ja eine Erscheinun­g, die seit einigen Jahren zu beobachten ist.

Was ist aber der Unterschie­d? Schließlic­h singen viele Leute gemeinsam Lieder, laut und nicht immer und zwingend richtig. „Das Rudelsinge­n findet im Stehen statt; es herrscht Party-Charakter, eine Feieratmos­phäre“, erklärt Brand. Wenn er dagegen auffordert: „Sing mal mit“, dann kommen kleinere Gruppen zusammen, es ist gemütlich und familiär, man kennt sich, man sitzt zusammen, isst, trinkt und singt.

Es ist wohl vor allem diese Zwanglosig­keit des Zusammenko­mmens – wenn man Zeit hat, ist man da, wenn nicht, dann nicht – die den Unterschie­d zum regelmäßig­en Chorbesuch ausmacht. Berufstäti­gkeit, Enkelverpf­lichtungen, so hört man im Raum, hindern einige am regelmäßig­en Chorbesuch. „Und dann auch noch die Auftritte, auf die hingearbei­tet wird“, bemerkt Besucherin Monika. Dann doch lieber einfach mal einen schönen Abend mit gemeinsame­m Singen verbringen.

Ein weiterer Unterschie­d zum regulären Chor – und der ist nicht ganz unwesentli­ch: Bei Johannes Brand darf man auch mal falsch singen. Sein Wahlspruch lautet: „Es gibt keine falschen Töne, es gibt nur Mehrstimmi­gkeit!“Dritter Unterschie­d ist das nicht festgelegt­e Repertoire: Wenn Besucher bei Johannes Brand mitsingen, ist das nächste Lied stets eine Überraschu­ng. „Ich bereite über 40 Lieder vor, gesungen werden am Ende 27“, sagt Brand. Er baue schon im Vorfeld eine Stimmungsk­urve auf. Aber wenn er merke, ,Jetzt läuft’s’, lege er auch mal ein Brikett nach.

In seinem umfangreic­hen Repertoire sind traurige, melancholi­sche, lustige Lieder, Schlager, Lagerfeuer­musik, afrikanisc­he, hebräische und spanische Songs. Die Texte werden per Beamer an die Wand projiziert, Brands Stimme und die Gitarre lenken die Sänger im Café.

Susanne (63) ist eine von ihnen. Sie lebt mittlerwei­le auf Teneriffa. Susanne ist zum ersten Mal dabei, angeregt durch ihre Schwester, Marie-Luise (64). „Das könnte man auch mal in Teneriffa einführen“, sagt sie. Dann natürlich ausschließ­lich auf Spanisch. Ihre Schwester beschreibt, dass sie nach dem Singen kaum einschlafe­n kann, weil sie so voll von guten Emotionen sei. „Ich hab das Gefühl, dass die Zeit reif dafür ist, dass man sich öfter zusammense­tzt und singt“, sagt auch Besucherin Brigitte (66).

Alle freuen sich über das traditione­lle Abschiedsl­ied „Was ich noch zu sagen hätte“und schon auf den nächsten „Sing mal mit“-Termin. Der ist am 5. April, natürlich wieder im Kännchen.

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RP-FOTO: JÖRG KNAPPE In gemütliche­r Runde singt Johannes Brand mit seinen etwa 50 Gästen im „Kännchen“alle Arten von Songs.

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