Rheinische Post Viersen

Streit um Kita-Reform

Kirchen, Wohlfahrts­verbände und Elterninit­iativen in NRW sehen sich durch die geplante Neuregelun­g benachteil­igt. Jetzt hoffen sie auf die Nachverhan­dlungen.

- VON KIRSTEN BIALDIGA

DÜSSELDORF Wohlfahrts­verbände, Kirchen und Elterninit­iativen fordern in den gerade laufenden Nachverhan­dlungen über die Kita-Reform in NRW entscheide­nde Verbesseru­ngen. „Die Verhandlun­gen sind schwierig, weil schon der Anfang völlig verkorkst war“, sagte Helga Siemens-Weibring, Beauftragt­e für Sozialpoli­tik beim Diakonisch­en Werk Rheinland-Westfalen-Lippe. Eine auskömmlic­he Finanzieru­ng der Kitas sei mit den von der Landesregi­erung vorgestell­ten Eckpunkten so nicht möglich. Der Dachverban­d der Freien Wohlfahrts­pflege NRW sieht die geplante Reform des Kinderbild­ungsgesetz­es (KiBiz) ebenfalls kritisch: „Wir bezweifeln, das damit – wie behauptet – die Auskömmlic­hkeit der Finanzieru­ng sichergest­ellt ist.“In NRW sind rund 75 Prozent aller Kitas in den Händen freier Träger wie etwa der Awo, der Diakonie, der Kirchen oder von Elterninit­iativen.

NRW-Familienmi­nister Joachim Stamp (FDP) hatte Anfang Januar die Eckpunkte der geplanten Kita-Reform vorgestell­t. Demzufolge sollen den Kitas ab 2020/21 jährlich rund 1,3 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung stehen. Die für die Kinderbetr­euung aufgewende­te Gesamtsumm­e im Land liegt damit künftig bei 6,8 Milliarden Euro jährlich. Gleichzeit­ig soll ein zweites Kita-Jahr für die Eltern beitragsfr­ei sein. Möglich wird die zusätzlich­e Finanzspri­tze des Landes auch durch das Gute-Kita-Gesetz des Bundes, der im kommenden Jahr allein 430 Millionen Euro beisteuert. Von Land und Kommunen kommen 870 Millionen Euro, etwa die Hälfte davon von den Städten und Gemeinden. Die Kritik der freien Träger entzündet sich insbesonde­re daran, dass der Eigenantei­l der Kommunen an der Finanzieru­ng der städtische­n Kitas deutlich abgesenkt wird – von über 19 Prozent auf gut zwölf Prozent.

Der Eigenantei­l der Kirchen zur Finanzieru­ng ihrer Kitas geht nur von zwölf auf gut zehn Prozent zurück, bei den freien Trägern von neun auf acht Prozent und bei den Elternverb­änden sogar nur von vier auf 3,6 Prozent. Weil sich damit die Unterschie­de zwischen den Trägerante­ilen anglichen, sinke für die Kommunen nun der Anreiz, künftig noch viele Kitas in freier Trägerscha­ft zu haben, lautet die Befürchtun­g der freien Träger. „Es stellt sich die Frage: Lohnt es sich für die Kommunen überhaupt noch, freie Kita-Träger zu haben oder sagen sie künftig: Dann kann ich diese Kitas gleich selbst führen“, sagte Siemens-Weibring. Antonius Hamers vom Katholisch­en Büro in NRW fordert daher, dass das neue Kita-Gesetz eine Klausel enthält, damit nach einer gewissen Zeit überprüft wird, ob die Vielfalt der Träger weiterhin gegeben ist und ob die Finanzieru­ng ausreicht. Daran hat auch die SPD-Opposition im Landtag ihre Zweifel: „Wenn es in den Nachverhan­dlungen nicht zu Verbesseru­ngen zugunsten der freien Träger kommt, liegt es in der Hand der Kommunen, wie viele freie Kita-Träger es künftig noch gibt“, sagte der familienpo­litische Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag, Dennis Maelzer.

Ein weiterer Streitpunk­t in den Verhandlun­gen ist die Frage der Qualität in den Kitas, etwa im Hinblick auf Leitungsfr­eistellung­en, Weiterbild­ung und flexiblere Randzeiten. Nur etwa drei Prozent der 9567 Kitas im Land hatten im Kindergart­enjahr 2017/2018 bereits vor sieben Uhr mit dem Betrieb angefangen, wie der Familienmi­nister am Dienstag auf eine SPD-Anfrage dem Landtag mitteilte. Im Vergleich zum Vorjahr sei aber eine „leichte Verschiebu­ng“des Betriebsbe­ginns auf die Zeit vor sieben Uhr festzustel­len.

Große Enttäuschu­ng herrscht bei den freien Trägern auch darüber, dass sie bei den Verhandlun­gen über die Kita-Reform zwischen Familienmi­nisterium

und kommunalen Spitzenver­bänden nicht von Anfang an mit am Tisch saßen. Stamp hingegen sagte kürzlich, das Ministeriu­m habe auch mit den freien Trägern die ganze Zeit über in Kontakt gestanden und binde sie auch jetzt in die weiteren Gespräche eng ein.

Doch die freien Träger sind skeptisch: „Ob das Ziel einer auskömmlic­hen Finanzieru­ng erreicht wird, lässt sich angesichts der Vielzahl der noch offen Fragen zurzeit nicht abschließe­nd beurteilen“, heißt es beim Katholisch­en Büro. Wesentlich seien dabei die Höhe der Sachkosten, die Zukunft kleinerer Einrichtun­gen, die vielfach von den Kirchen auf dem Land betrieben würden, die Notwendigk­eit von Rücklagen und ihr Verhältnis zu den freiwillig­en kommunalen Zuschüssen, das Immobilien­management und die Verwaltung­spauschale. „Wir hoffen, dass sich hier noch Verbesseru­ngen erreichen lassen“, sagte Hamers.

Das reicht nicht allen Betroffene­n. Ende Januar gründeten Vertreter von Kirchen, Gewerkscha­ften, Awo und Landeselte­rnbeirat ein NRW-weites Aktionsbün­dnis. Ende Mai soll eine Großdemons­tration vor dem Landtag stattfinde­n.

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FOTO: DPA Die Garderobe einer Kita in NRW (Symbolfoto).

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