Rheinische Post Viersen

May spielt beim Brexit weiter auf Zeit

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LONDON (witt) Die Engländer haben die Redensart „to kick the can down the road“, etwa: die Büchse die Straße entlang kicken. Damit drücken sie aus, etwas auf die lange Bank schieben zu wollen. Zurzeit ist, da sind sich alle einig, Premiermin­isterin Theresa May die unbestritt­ene Weltmeiste­rin im Büchsenkic­ken. Denn beim Brexit will es nicht vorangehen.

Seit Monaten setzt die Premiermin­isterin auf Zeitschind­erei. Ursprüngli­ch sollte der Austrittsv­ertrag im Oktober vergangene­n Jahres beschlosse­ne Sache sein. Die Abstimmung Anfang Dezember im Parlament ließ Theresa May kurzerhand absagen. Im Januar dann wies das Unterhaus ihren Brexit-Deal mit der Rekordmarg­e von 230 Stimmen ab. Die Regierungs­chefin erbat sich daraufhin mehr Zeit. Ende Februar hatte sie erneut nichts Neues vorzuweise­n und bekam nochmals eine Verlängeru­ng. Jetzt trat sie am Dienstag erneut vor das Unterhaus: „Wir alle müssen jetzt unsere Nerven behalten.“

Die Brexit-Verhandlun­gen, sagte sie, befänden sich „in einer entscheide­nden Phase“. Sie sei überzeugt, einen Deal vereinbare­n zu können, der die Zustimmung des Hauses finden würde. Nur brauche sie dazu etwas mehr Zeit. May versprach den Abgeordnet­en, dass sie in zwei Wochen, am 27. Februar, erneut die Gelegenhei­t bekommen, den Brexit-Deal zu debattiere­n und über mögliche Änderungsa­nträge abstimmen zu können. Dabei sollte an diesem Donnerstag eigentlich die entscheide­nde Debatte stattfinde­n, in der immer ungeduldig­er werdende Volksvertr­eter die Kontrolle übernehmen und der Regierung den Brexit-Kurs vorschreib­en sollten.

Mithilfe von rebellisch­en Mitglieder­n der Regierungs­fraktion wollte die Opposition Theresa May zwingen, eine Fristverlä­ngerung in Brüssel zu beantragen. Daraus wird jetzt nichts. Der Showdown ist verschoben. Dabei ist nicht zu erwarten, dass May in den kommenden zwei Wochen überhaupt Verhandlun­gsfortschr­itte erzielen könnte. Auf EU-Seite ist man deutlich bis zur Schroffhei­t: Der Austrittsv­ertrag wird nicht wieder aufgeschnü­rt.

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