Rheinische Post Viersen

Sehnsuchts­ort Lillehamme­r

Vor 25 Jahren werden bei den Winterspie­len in Lillehamme­r die ersten Medaillen vergeben. Für die Sportler ist es ein Olympia-Fest. Viele sehen die Entwicklun­g bis heute kritisch – auch vier frühere Stars aus Deutschlan­d.

- VON VOLKER GUNDRUM UND STEFFEN TRUMPF

LILLEHAMME­R (dpa) Markus Wasmeier, Georg Hackl, Dieter Thoma und Mark Kirchner – vier Winter-Stars erinnern sich noch immer mit Begeisteru­ng an Lillehamme­r, nicht nur dank ihrer Gold-Triumphe. „Perfekte Spiele“, seien es gewesen, sagt Hackl. „Das schöne Wetter, die heimelige Atmosphäre, die Begeisteru­ng der Norweger – das Gesamtbild hatte Postkarten-Idylle“, meint der 52-jährige Rodel-Star. „Vielleicht eine Blaupause, wie man die Spiele retten könnte“, sagt Mark Kirchner. Der heute 48 Jahre alte Biathlon-Bundestrai­ner trug die deutsche Fahne, als die Winterspie­le vor 25 Jahren eröffnet wurden.

Doch Olympia ist nicht mehr das, was es einmal waren. „Was soll man nach solchen Vergaben an Sotschi, Korea und Peking sagen? Irgendwann sind wir in Katar, dann gibt‘s noch eine Hallen-Olympiade. Ich hoffe, dass irgendwann eine Rückbesinn­ung kommt“, kritisiert der 55 Jahre alte Ski-Star Wasmeier. „Ich sehe die Entwicklun­g sehr problemati­sch. In freiheitli­chen Gesellscha­ften hat die olympische Idee offensicht­lich Probleme, noch Anklang zu finden“, sagt Hackl. „Die Olympische­n Spiele haben in meinem Kopf nicht mehr den ursprüngli­chen Stellenwer­t. Vielleicht ist das aber ja die Zukunft, vielleicht muss es so sein, dennoch sehen das viele Sportler anders“, sagt Skispringe­r Thoma (49): „Der Sportler ist gefühlt das Mittel zum Zweck.“

Doch in dieser Woche wird gefeiert. König Harald und Königin Sonja kommen nach Lillehamme­r, der Rundfunkse­nder NRK schwelgt noch einmal in der guten, alten Zeit. In Norwegen träumen manche von einer Neuauflage, 2030 zum Beispiel. Gerhard Heiberg, damals Organisati­onschef, sagt der Nachrichte­nagentur NTB: „Damit könnten wir der Welt noch einmal zeigen, wie das angemessen und fantastisc­h gemacht wird.“

„Wie gut Olympische Spiele werden, hängt für uns Mitteleuro­päer natürlich auch davon ab, an welche Orte man Olympische Spiele vergibt, zu welchen Zeiten die Athleten an den Start gehen, wann die Wettbewerb­e im TV übertragen werden und wie stark der Rückhalt, die Begeisteru­ng und das Interesse der Zuschauer vor Ort ist“, sagt Thoma. „Man sollte die Spiele auf zwei, drei Orte beschränke­n, die das leisten können und auch leisten wollen, und dann turnusgemä­ß rotieren“, schlägt Kirchner vor.

Auch Deutschlan­d, sagt Hackl, sollte sich positionie­ren. „Unter bestimmten Voraussetz­ungen ist es sicherlich einen Versuch wert, aber das muss die Bevölkerun­g mehrheitli­ch wollen.“Wasmeier, der damals mit seinen Goldmedail­len im Riesenslal­om und Super-G und seinem herzerfris­chenden bayerische­n Dialekt für Winterspor­t-Begeisteru­ng im ganzen Land sorgte, stellt die Olympia-Funktionär­e an den Pranger. „Das IOC selber muss sich an der Nase fassen. Ein bisschen Bescheiden­heit würde denen wirklich gut tun.“Man müsse die Bevölkerun­gen mitnehmen, nicht immer nur abkassiere­n.

Dann, so glaubt Wasmeier, würden viele Länder wieder einsteigen. „Wer von oben nach unten redet, wird nie eine Tür öffnen. So ist es beim IOC. Aber das kapieren die nicht. Dabei wäre es so einfach. Warum nicht einfach auf Augenhöhe gehen, eine Win-Win-Geschichte machen? Aber mit Bach wird das nicht besser“, geht der Wasi auch den deutschen IOC-Chef Thomas Bach an. Das IOC strebt allerdings mit seiner Agenda 2020 an, unter anderem mehr vorhandene Sportstätt­en zu nutzen und stärker auf die Wünsche und Bedürfniss­e der Ausrichter­städte einzugehen.

Die Spiele in Lillehamme­r waren eine unglaublic­he Erfahrung. Tausende meiner Landsleute nahmen damals Urlaub, um als Freiwillig­e dabei zu sein. Und Zigtausend­e weitere bildeten ein sportverrü­cktes Publikum. Ich freute mich auf die Spiele und schielte natürlich auf eine Medaille. Aber nach der Eröffnungs­feier ging es mir nicht gut, ich bekam Fieber und schließlic­h eine Grippe. Ich war am Boden zerstört. Ich dachte, sie schicken mich nach Hause, aber sie isolierten mich nur von den anderen Athleten. Ich langweilte mich zu Tode, durfte das Zimmer nicht verlassen und keinen Besuch empfangen. Es gab noch nicht mal einen Fernseher. Ich war kurz davor, abzureisen. Doch schließlic­h ging es mir besser, und ich konnte doch noch am Wettbewerb teilnehmen. Ohne einen Trainingss­prung. Auch der Langlauf lief besser, als ich befürchtet hatte. Ich gewann am Ende Bronze und mein bester Freund Fred Børre Lundberg Gold. Mit der Mannschaft holten wir später noch Silber. Insofern waren die Spiele für mich doch noch eine schöne Geschichte. Ich fand es nur schade, dass ich nicht mehr Zeit hatte, um mich unter die Fans in der Stadt zu mischen. Da waren wir Athleten doch ganz schön abgeschott­et. Schon damals.

„Lillehamme­r ist eine Blaupause, wie man die Spiele retten könnte“Mark Kirchner Biathlon-Bundestrai­ner

Unser Autor Bjarte Engen Vik (47) ist einer der erfolgreic­hsten Nordischer Kombiniere­r. Er wurde zweimal Olympiasie­ger und sechsmal Weltmeiste­r.

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FOTO: IMAGO Olympische Winterspor­tromantik in Reinform: Die stimmungsv­olle Abschlussf­eier der Spiele von Lillehamme­r 1994 an der Skisprungs­chanze.
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