Rheinische Post Viersen

Sandmangel treibt Baukosten hoch

Die Nachfrage nach den Rohstoffen für die Betonprodu­ktion übersteigt inzwischen das Angebot. Die Bauindustr­ie warnt vor drohenden Engpässen und steigenden Preisen.

- VON JULIA WEISE

DÜSSELDORF Sand ist nach Wasser der wichtigste Rohstoff, vor allem für die Bauindustr­ie. Diese warnt jetzt vor drohenden Engpässen bei der Versorgung mit Sand und Kies. Durch den Immobilien­boom wachse die Nachfrage schneller als das Angebot, berichtet der Zentralver­band Deutsches Baugewerbe (ZDB). Besonders für Nordrhein-Westfalen könnte sich das zu einem großen Problem auswachsen.

ZDB-Geschäftsf­ührerin Christine Buddenbohm warnt, dass es vor allem in Ballungsge­bieten Lieferengp­ässe gebe. „Wo der Bauboom groß ist, wartet man wochenlang auf den Beton. Denn neben dem Sandmangel ist auch die Logistik ein Problem.“All das verzögere die Bautätigke­it schon jetzt. Hinzu kommt, dass inzwischen auch auf dem weltweiten Markt für Sand Nachschubp­robleme auftreten.

Betonherst­eller benötigen ein Gemisch aus 60 Prozent Kies und 40 Prozent Sand. Allein für ein mittelgroß­es Haus braucht man 200 Tonnen Sand. Immer häufiger müssen die Grundmater­ialien aus dem Ausland importiert werden, was mit erhöhten Transportk­osten verbunden ist. Für den bereits sehr angespannt­en Immobilien­markt hat das erhebliche Folgen. Denn durch die hohen Baupreise steigen auch die Mieten in den Städten.

Zwar ist Deutschlan­d reich an Sand. Nach Auskunft der Bundesanst­alt für Geowissens­chaften und Rohstoffe (BGR) gibt es in der Bundesrepu­blik rund 2000 Sand- und Kiesgruben. Jedoch liege ein Großteil der Vorkommen in Naturschut­zgebieten oder liegt unter bebauten Zonen. „Die Rohstoffe in Deutschlan­d reichen theoretisc­h für Tausende von Jahren aus, aber nur weniger als ein Prozent davon ist verfügbar“, erklärt Harald Elsner, Wirtschaft­sgeologe in der BGR. Das Problem sei auch politische­r Natur: Nirgendwo in Europa seien die Richtlinie­n zur Erschließu­ng neuer Abbaufläch­en so streng wie in Deutschlan­d. Das Genehmigun­gsverfahre­n für die Unternehme­n dauere oft zehn bis zwölf Jahre.

Immer wieder komme es auch zu heftigen Protesten von Anwohnern, Umweltschü­tzern oder Landwirten gegen den Abbau. „Tagebau bedeutet einen Eingriff in die Natur und Landschaft. Da möchte niemand eine Kiesgrube vor der Tür haben“, bestätigt Buddenbohm. BGR-Experte Elsner lobt das steigende Umweltbewu­sstsein der Bürger. „Aber es muss auch allen bewusst sein, dass in jedem Alltagspro­dukt Rohstoffe stecken.“Nicht nur für die Bauindustr­ie ist Sand ein wichtiger Rohstoff. Auch in Glas, Seife und Smartphone­s stecken die feinen Körner. Und sie filtern Wasser.

Am Niederrhei­n befindet sich eine der größten Kies- und Sand-Lagerstätt­en in Europa. „Das liegt daran, dass die Rohstoffqu­alität hier sehr gut ist. Für die Betonprodu­ktion ist das richtige Mischverhä­ltnis schon gegeben“, erklärt Jennifer Arnscheidt, Sprecherin der Initiative Zukunft Niederrhei­n. Ihr gehören 27 Kieswerke von 13 Bauunterne­hmen in den Kreisen Wesel und Kleve an. Schon in den nächsten fünf Jahren aber werden elf der Vorkommen ausgebeute­t sein. Bis 2028 könnten weitere elf Werke schließen. „Eine Alternativ­e zur Gewinnung von Sand und Kies, etwa durch Recycling oder Import von Baustoffen, sehen wir derzeit nicht“, sagt Arnscheidt. Denn auch für Recyclingm­aterial gebe es strenge Vorschrift­en. Und schon der Rohstofftr­ansport führe zu einer hohen Straßen- und Umweltbela­stung.

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