Rheinische Post Viersen

Ein bergischer Jeck lebt seinen Traum

Der Solinger Unternehme­r Michael Everwand schlüpft in dieser Session in die Rolle der Jungfrau Catharina im Kölner Karneval. Zu den bisherigen Höhepunkte­n gehörte ein Besuch bei Papst Franziskus in Rom.

- VON ALEXANDER RIEDEL

KÖLN / SOLINGEN Wer hat nicht als Kind zu Fußballern oder Schauspiel­ern aufgeschau­t und sich gedacht: „So möchte ich auch mal sein“? Michael Everwand ist da keine Ausnahme: Dem gebürtigen Solinger hatten es schon früh die Karnevalss­itzungen in den rheinische­n Hochburgen angetan. „Ich habe mir die im Fernsehen angesehen und gewünscht, dort auf der Bühne zu stehen“, sagt der heute 50-Jährige. Diesen Traum erfüllt er sich derzeit: Als Jungfrau Catharina im Kölner Dreigestir­n zieht er gemeinsam mit Prinz Marc I. (Michelske) und Bauer Markus (Meyer) von Auftritt zu Auftritt.

Das ist zweifellos stressig: Bis zu ein Dutzend Säle klappern die Tollitäten an manchen Tagen ab. „Es ist ein Leben wie im Jetlag, aber es macht Riesenspaß“, sagt der Unternehme­r, der seit 16 Jahren in Köln lebt. Dort machte er seinen Weg im organisier­ten Karneval, gehört dem Vorstand der Großen Allgemeine­n Karnevalsg­esellschaf­t 1900 zu Köln und der Lesegesell­schaft zu Köln von 1872 an. Letztere repräsenti­ert er nun als Jungfrau Catharina. Der Name erinnert an seine Tochter, die vor zehn Jahren im Alter von 14 Monaten an einem Herzfehler starb. Ihr widmet Everwand seine Amtszeit.

Diese neigt sich allmählich ihrem Höhepunkt entgegen: Mehr als die Hälfte der insgesamt 436 Auftritte haben die drei Freunde inzwischen hinter sich – und eine Menge erlebt: Mitte Januar ging es mit dem Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki nach Rom zur Audienz bei Papst Franziskus. „Ein ergreifend­es Erlebnis“, sagt Everwand. In vollem Ornat überreicht­en die Kölner Regenten dem sichtlich amüsierten Heiligen Vater Orden, Prinzenspa­nge und Badeente mit Kopfschmuc­k.

Noch am Abend der Heimreise ging es für das Trifolium wieder auf die Bühne. „Man ist dann sofort in einem anderen Modus“, erklärt Everwand. Versteht sich, dass bei der Vielzahl an Auftritten auch schon mal ein wenig Improvisat­ion gefragt ist – zum Beispiel wenn plötzlich ein anderes Lied erklingt als geplant. Für das Trio ist das aber kein Problem: „Man wird getragen von Eindrücken“, sagt die Jungfrau.

Für die besonderen Momente sorgen aber nicht nur die schunkelnd­en Massen in den Festsälen: So wohnten die drei Freunde einem abendliche­n Orgelkonze­rt im dunklen und leeren Dom bei. Und sie besuchten Altenheime und eine Kinderkreb­sstation. „Wenn man weiß, dass man den Menschen eine Freude schenken kann, ist das eine große Motivation“, sagt Familienva­ter Everwand. Auch bei der traditione­llen Sitzung der Blinden und Sehbehinde­rten in Köln waren die Hoheiten zu Gast und wandelten durch den Saal, damit viele Gäste ihren Ornat erfühlen konnten.

Ein klein wenig Zeit zum Entspannen gibt es für das Dreigestir­n mittags beim Essen im Brauhaus und – nach einem langen Auftrittsm­arathon – in ihrer „Hofburg“, dem Dorint Hotel am Heumarkt, wo die Hoheiten seit Anfang Januar und bis zum Ende der tollen Tage residieren. Montags haben die Regenten frei: Dann kann Jungfrau Catharina auch im eigenen Familienun­ternehmen nach dem Rechten sehen. Er ist Inhaber der Everwand-Gruppe am Stadtrand Solingens. Im Betrieb, der auf Löt-, Schweiß- und Druckgaste­chnik spezialisi­ert ist, läuft die Arbeit in der Zwischenze­it ohne den Chef weiter. „Ich habe sehr gute Mitarbeite­r“, sagt Everwand, dessen Vater zudem immer noch ins Geschäft involviert ist. Ein Besuch in der Klingensta­dt ließ sich zwar nicht in den prall gefüllten Terminkale­nder einbauen. Dafür kam es kürzlich in der Hofburg zum Treffen der Tollitäten: Denn das Kölner Trifolium empfing das Solinger Prinzenpaa­r nebst Oberbürger­meister Tim Kurzbach.

Anpassungs­probleme in der Zeit nach dem großen Traum befürchtet Everwand indes nicht: „Mir ist wichtig, nicht die Bodenhaftu­ng zu verlieren. Die Zeit möchte ich genießen und dann ins normale Leben zurückkehr­en.“

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