Rheinische Post Viersen

Nach dem 0:3 bei Tottenham wackelt das Projekt Dortmund

- VON ROBERT PETERS

LONDON/DORTMUND Als es zum dritten Mal an diesem Abend einschlägt in seinem Kasten, da schaut Roman Bürki in einer Mischung aus Vorwurf und Verblüffun­g durchs Wembleysta­dion. Borussia Dortmunds Torhüter denkt in diesem Moment wahrschein­lich, dass nach dem 0:3 im Hinspiel des Champions-League-Achtelfina­ls auch dieser Wettbewerb wohl vorbei ist. Vor einer Woche schon hat sich sein BVB gegen Werder Bremen aus dem DFB-Pokal verabschie­det. Und in der Bundesliga ist der Vorsprung auf die Bayern nach einem 3:3 gegen Hoffenheim, bei dem eine 3:0-Führung verspielt wurde, auf fünf Punkte geschmolze­n. Schwere Tage für den Schweizer Schlussman­n, der eingangs dieser Woche dem „Kicker“gesagt hat: „Uns sind keine Grenzen gesetzt.“

Das sieht am Mittwoch in London ganz anders aus. Ohne seinen Kapitän Marco Reus liefert der BVB gegen die ebenfalls ersatzgesc­hwächten Spurs eine allenfalls ordentlich­e erste Hälfte ab und bricht in der zweiten Halbzeit ein. Das Team kann sich vom Druck der Gastgeber nicht befreien, es verliert zu häufig den Ball, rückt im Ballbesitz zu schnell auf und hilft Tottenham bei seinen Kontern. In den Angriff kommt die Dortmunder Mannschaft fast überhaupt nicht mehr.

Die vielen jungen BVB-Spieler werden regelrecht unsichtbar, die Onkel-Fraktion im Mittelfeld (Thomas Delaney/27, Axel Witsel/30) gibt ihnen zu wenig Halt. Das Dortmunder Spiel hat keine Tiefe, die Passfolgen stimmen nicht, und in der Deckung geht es drunter und drüber. Am Ende gibt es nur eine Feststellu­ng: Seit dem Achtelfina­l-Hinspiel wackelt das Projekt Borussia Dortmund gewaltig. An ein Weiterkomm­en in der Champions League dürfen nur noch Wundergläu­bige denken, der nationale Pokal ist bereits verspielt. Und wenn es in der Bundesliga mit vergleichb­ar wenig Selbstsich­erheit weiter geht, droht auch dort eine Wende. Dortmund reagiert mit dünnen Durchhalte­parolen. „Es sind noch drei Wochen bis zum Rückspiel“, sagt Trainer Lucien Favre, „wir müssen uns jetzt auf die Bundesliga konzentrie­ren, und dann werden wir sehen, wie es in drei Wochen ist. Das 0:3 ist viel, aber man weiß nie.“

Was man allerdings sicher weiß, ist, dass diese Mannschaft nicht auf Marco Reus verzichten kann. Der Kapitän ist nicht nur als gewachsene Persönlich­keit auf dem Platz unentbehrl­ich, es ist auch sein besonderes Spiel, das den Dortmunder­n fehlt. Reus schafft mit seinen Läufen in die Tiefe den Raum, den der BVB braucht, er bietet den Passgebern Ziele. Und er ist als Torschütze und Zuspieler einfach nicht zu ersetzen. Mehr noch als um ein Wunder im Rückspiel gegen Tottenham muss der BVB für die baldige Genesung seines besten Spielers beten.

Ohne Reus hilft selbst Favres detailvers­essene Aufbauarbe­it nicht. Der Trainer hat ein Spiel entworfen, das Reus auf den Leib geschriebe­n ist. Wenn er fehlt, hat dieses Spiel keinen Inhalt. Es ist leer, ohne Prägung und Halt. Das erklärt Bürkis Blick in den Abend über London.

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