Fahrlehrer: Theorie ist zu umfangreich
Auch im Kreis Viersen scheitern Führerscheinbewerber meist an vielen Fragen. Denn diese gehen nach Ansicht mancher Fahrlehrer an der Wirklichkeit der jungen Menschen vorbei.
KREIS VIERSEN Wer bei der Führerscheinprüfung das Auto bei Rot über die Kreuzung steuert, hat verloren. Das mag mancher nicht einsehen, wenn er schon früher Auto gefahren ist, als er noch in einem Land des Vorderen Orients lebte, wo das Beachten von Ampeln hier und da gern übersehen wurde. Diese „schlechte Angewohnheit“kann nach Ansicht des Fahrlehrers Alexander Possberg, der eine Fahrschule in Viersen-Dülken betreibt,
„Ohne Auto geht es auf dem Land ja kaum“Alexander Possberg Fahrlehrer
durchaus eine Ursache für den Anstieg der Durchfallerquote bei Führerscheinprüfungen sein, den das Kraftfahrt-Bundesamt jüngst festgestellt hat. Zwischen 2008 und 2017 erhöhte sich diese Quote um zwei Punkte auf 28 Prozent.
Gravierender ist allerdings der Anstieg bei den theoretischen Prüfungen, denn hier fielen rund 39 Prozent der Führerscheinaspiranten durch (nach 30 Prozent im Jahr 2008). Possberg nennt als mögliche Quelle den Anstieg der möglichen Fragen auf weit mehr als 1000. Zudem müsste der Fragenkatalog mal gründlich überarbeitet werden, meint der Fahrlehrer, denn „wo findet man heute noch Parkuhren?“Damit wüssten junge Leute nichts mehr anzufangen. Auch seien die Übersetzungen ins Russische, Polnische oder Arabische nicht immer ideal verständlich. Vor allem beim Arabischen hätten seine Fahrschüler Schwierigkeiten, berichtet der Fahrlehrer.
Die hohen Durchfallerquoten kann dagegen der Viersener Fahrlehrer Claus Engels nicht nachvollziehen. „Bei mir bestehen 90 Prozent der Teilnehmer“, sagt er. Als Ein-Mann-Unternehmer „kümmere ich mich intensiv um meine Schützlinge“, unterstreicht er.
Doch hat er auch gehört, dass vor allem in den Großstädten junge Leute „durchfallen wie die Fliegen, weil sie zu faul sind zum Lernen“, sagt er. Inzwischen hat er auch wieder mehr ältere Fahrschüler Ende 20/Anfang 30. Es sind vor allem Mütter mit Kindern, die nach hier und dort bewegt werden müssen, oder die wieder in den Beruf gehen. „Ohne Auto geht das auf dem Land ja kaum.“Merkwürdigerweise seien diese Fahrschülerinnen bei Prüfungen oftmals nervös, „weil sie lange nicht mehr unter Prüfungsstress gestanden haben“, beobachtet Possberg. Allerdings gingen diese mit sehr viel mehr Respekt an die Sache heran als die 17- und 18-Jährigen.
Den großen Anstieg der Durchfallerquote auf Bundesebene sieht auch Horst Wintgen in der Zahl der Migranten begründet, die sich zur Prüfung ohne vorherigen Unterricht melden können, wenn sie schon daheim gefahren waren. „Die rasselten bei der Theorie reihenweise durch und konnten teilweise kaum vom Hof runter fahren“, beschreibt der Waldnieler Fahrlehrer (mit Filialen in Dülken und Niederkrüchten) das Fiasko, das die Bundesregierung demnächst aber durch eine geänderte Zulassungsordnung beseitigen will.
Wintgen, der auch Vorsitzender des Bezirksverbandes Mönchengladbach des NRW-Fahrlehrerverbandes ist, hält auch den Fragenkatalog bei der Theorie für zu groß: „Statt 1300 Fragen genügen auch 800 bis 900“, meint er. Auch sein Verband dränge auf eine Reduzierung. Bei der Duchfallerquote liege NRW übrigens weit unter dem Durchschnitt, stehe also gut da.