Das Volk gönnt der CSU keine Atempause
Markus Söder startet Regionalkonferenzen, um die Partei jünger, weiblicher und offener zu machen. Doch ein Volksbegehren erhöht den Druck.
BERLIN Der Schock nach dem Absturz aus den Sphären der wundersamen absoluten Mehrheiten in die Niederungen der 37-Prozent-Beliebigkeit sitzt bei der CSU immer noch tief. „Wir wollen zurück zu alter Stärke“, hat der Sonderparteitag der Christsozialen im Januar beschlossen. Seit diesem Montag wollen sie in acht Regionalkonferenzen unter Ausschluss der Öffentlichkeit klären, wie sie die Ankündigung von Parteichef Markus Söder umsetzen. Der will seine Partei „jünger, weiblicher und offener“machen.
Die bayerischen Grünen können darüber schmunzeln. Sie haben es als jüngere, weiblichere und offenere Partei geschafft, der CSU den Schneid abzukaufen, indem sie bei der Landtagswahl fast so viel dazugewannen, wie die CSU verlor. Viele landeten auch aus dem Lager der beinahe zertrümmerten SPD bei den Grünen. Den Rest der früheren CSU-Vormachtstellung erledigte die AfD, deren scharfe Töne die CSU im Wahljahr noch schriller zu übertreffen versuchte und damit das Wasser erst recht auf die Mühlen der Konkurrenz am rechten Rand lenkte.
Seitdem ist Söder softer geworden. Eine Atempause gönnen ihm die Bayern gleichwohl nicht. Kaum hatte der CSU-Parteitag beschlossen, Heimat für alle bürgerlichen Überzeugungen sein zu wollen, und zwar an erster Stelle „für christlich-soziale ebenso wie für ökologische“, da krachte der Staatsregierung aus CSU und Freien Wählern auch schon ein Volksbegehren genau dieser ökologischen Überzeugungen auf den Tisch: Das „Volksbegehren Artenvielfalt – rettet die Bienen!“schrieb binnen zwei Wochen bayerische Geschichte. Denn statt des notwendigen Quorums von 950.000 Unterstützern sammelten ÖDP, Grüne und Landesvogelschutzverband mehr als 1,7 Millionen Unterschriften, um die Regierung unter Druck zu setzen, schneller zum ökologischen Umbau und zum Artenschutz zu gelangen.
Dass das einer Partei passiert, die wie keine andere in Deutschland über Jahrzehnte jede größere Stimmung in sich aufzusaugen vermochte, macht die Reformarbeit nicht einfacher. Denn Bayern hat sich verändert. Wo die CSU früher darauf achtete, jederzeit die Lufthoheit über den Stammtischen zu haben, gibt es immer wieder traditionelle Stammtische. Allein in den fünf zurückliegenden Jahren sind 526.000 Menschen mehr nach Bayern zu- als abgewandert. Und zwar nicht aus landsmannschaftlich benachbarten Regionen. Die größte Gruppe kam aus Niedersachsen, wo man zwar erdverwachsen, aber auch nicht krachledern sein will.
Viel Arbeit also für eine Reformarbeitsgruppe um Generalsekretär Markus Blume. Er muss die CSU zur „ersten wirklich digitalen Partei“machen, neue Formen der Mitgliedschaft austesten, mehr direkte Mitbestimmung bei der Personalauswahl herstellen, die Chancen für Quereinsteiger erhöhen – und aus vielen weiteren Vorschlägen aus den Regionalkonferenzen ein Konzept entwickeln, das bei einem Reformparteitag im Oktober beschlossen werden soll.