Labour spaltet sich
Sieben Abgeordnete verlassen die Partei – auch wegen des grassierenden Antisemitismus.
LONDON Eine Gruppe von sieben Unterhausabgeordneten der britischen Labour Party hat ihren Austritt aus der größten Oppositionspartei des Königreichs erklärt. Die drei Frauen und vier Männer wandten sich vor allem gegen die Führung des Parteivorsitzenden Jeremy Corbyn. Die Gründe der dem moderaten Parteiflügel angehörigen Volksvertreter für die Abspaltung reichen von Corbyns Brexit-Politik über dessen Duldung von Antisemitismus in der Partei bis hin zur linksradikalen Position der Partei in der Wirtschaftsoder Sicherheitspolitik. Die sieben Abgeordneten nennen sich „Die unabhängige Gruppe“und haben Kollegen aller Parteien eingeladen, sich ihnen anzuschließen.
Die Kritik der Abgeordneten war vernichtend. Luciana Berger, die jüdische Abgeordnete für Liverpool, hatte wegen ihrer Kritik an Corbyn massive judenfeindliche Angriffe erfahren. Sie erklärte Labour zu einer „institutionell antisemitischen Partei“. Der Abgeordnete für Nottingham, Chris Leslie, beklagte die linksradikale Übernahme von Labour. Sein Kollege Mike Gapes sagte: „Mich ekelt es, dass Labour heute eine rassistische, antisemitische Partei ist, und ich bin wütend, dass Jeremy Corbyn den Brexit ermöglicht.“
Es hat schon lange bei Labour rumort. Die Fraktion ist unzufrieden mit ihrem Parteichef Corbyn, der allerdings große Unterstützung bei der Parteibasis findet. Schon im Sommer 2016 kam es zu einem Putschversuch, als 172 Labour-Abgeordnete, immerhin mehr als 80 Prozent der Fraktion, dem Vorsitzenden das Misstrauen aussprachen. Doch Corbyn triumphierte bei der nachfolgenden Urwahl.
Seine Popularität litt jedoch unter dem Antisemitismus-Streit, der seit Anfang 2018 gärt. Aufgrund seiner propalästinensischen Einstellung hat sich Corbyn oft mit Antizionisten solidarisiert, die sich offen judenfeindlich gaben. Viele Parteimitglieder und Aktivisten hatten wegen ihrer antisemitischen Äußerungen keine Sanktionen zu befürchten. Auch Corbyns Brexit-Strategie hat viele an der Basis verstört. Eine große Mehrheit der neuen, zumeist jüngeren Parteimitglieder ist gegen den Brexit und will die „People‘s Vote“, ein zweites Referendum über den Verbleib in der EU. Doch Corbyn sträubt sich dagegen.
Insgesamt ist Labour unter Corbyn scharf nach links gerückt. Das Programm hat sich vom einst wirtschaftsfreundlichen Kurs zu einer sozialistischen Agenda gewandelt. Eisenbahngesellschaften sollen ebenso wie Energiefirmen, Busunternehmen oder die Post verstaatlicht werden. Man will ein 250 Milliarden Pfund schweres Investitionsprogramm auflegen und die Körperschaftsteuer um sieben Punkte auf 26 Prozent anheben. Die reichsten fünf Prozent der Briten sollen stärker besteuert werden, der Mindestlohn soll um zehn Prozent steigen.