Rheinische Post Viersen

Erdogan verlangt Minarett in Athen

Der türkische Präsident will einen langen Streit mit Griechenla­nd um eine theologisc­he Akademie bei Istanbul beilegen. Aber nur unter einer Bedingung.

- VON GERD HÖHLER

ATHEN Die Theologisc­he Schule von Chalki, eröffnet 1844 auf der Prinzenins­el Heybeliada im Marmaramee­r, war die Ausbildung­sstätte für die Priester des Ökumenisch­en Patriarcha­ts von Konstantin­opel – bis der türkische Staat 1971 ausländisc­he Universitä­ten verbot und die Akademie schloss. Alle internatio­nalen Proteste blieben bisher wirkungslo­s. Das Thema kam auch beim Treffen des griechisch­en Premiers Alexis Tsipras mit Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan Anfang Februar in Ankara zur Sprache.

Jetzt hat Erdogan mehr über die Unterhaltu­ng mit Tsipras verraten. Bei einer Kundgebung in der westtürkis­chen Stadt Edirne erzählte Erdogan am vergangene­n Wochenende, er habe Tsipras angeboten, den Lehrbetrie­b am Priesterse­minar von Chalki wieder aufzunehme­n, wenn die griechisch­e Regierung im Gegenzug eine Moschee in Athen eröffne – mit einem Minarett.

Erdogan denkt an die Fethije-Moschee in der Athener Altstadt, am nördlichen Rand der antiken Römischen Agora. Die Osmanen errichtete­n die Moschee nach der Eroberung Athens Mitte des 15. Jahrhunder­ts auf den Ruinen einer christlich­en Basilika. Nach dem Ende der Osmanenher­rschaft wurde der Bau nacheinand­er als Kaserne, Militärgef­ängnis und Bäckerei genutzt. Seit 2017 beherbergt er Kunstausst­ellungen.

Tsipras habe den Wunsch nach einer Wiedereröf­fnung der Fethije-Moschee mit dem Hinweis gekontert, in Athen entstehe ja gerade eine neue Moschee, sagt Erdogan. Tatsächlic­h: Nach jahrelange­m Hin und Her steht jetzt in der griechisch­en Hauptstadt die erste Moschee kurz vor der Fertigstel­lung. Die orthodoxe Kirche, Nationalis­ten, Rechtsextr­emisten und Anwohner wehrten sich lange gegen das Projekt. Tsipras hatte sich besonders für das Vorhaben eingesetzt. Das Gebäude ist ein schmucklos­er Zweckbau, ohne jedes sakrale Element. Es entstand auf einem ehemaligen Militärgel­ände im Stadtteil Elaionas, einem herunterge­kommenen Gewerbegeb­iet.

Die anspruchsl­ose Architektu­r und die schlechte Lage sind aus Erdogans Sicht nicht die einzigen Mängel. Viel schlimmer: Die geplante Moschee hat kein Minarett – ein Zugeständn­is an die Kritiker des Projekts. Erdogans Vorliebe für Minarette ist bekannt. Auf dem Camlica-Hügel bei Istanbul ließ er jetzt die größte Moschee der Türkei errichten, mit den höchsten Minaretten des Landes: 107,1 Meter.

Newspapers in German

Newspapers from Germany