Rheinische Post Viersen

Was zu viel Alkohol mit uns macht

Die Deutschen lieben Bier und Co nicht nur zur Narrenzeit. Wer es übertreibt, schädigt Leber, Herz und Gehirn.

- VON REGINA HARTLEB

Dienste an den Karnevalst­agen gehören wohl in jeder Krankenhau­s-Notfallauf­nahme zu den unbeliebte­sten des Jahres. Denn während der tollen Tage geht es dort besonders hoch her, und für so manchen Jecken endet die bunte Party in weißgetünc­hten Klinikräum­en. Schuld daran ist der Alkohol, der nicht nur zur Narrenzeit für viele Menschen einfach zum Feiern dazugehört.

Eine Badewanne voller alkoholisc­her Getränke konsumiert­en die Deutschen im Durchschni­tt im Jahr 2015. Das entspricht 9,6 Liter reinem Alkohol. Damit ist Deutschlan­d im weltweiten Länderverg­leich ein Hochkonsum­land. Der weltweite Mittelwert liegt bei 6,2 Litern. Liebstes Getränk der Deutschen ist das Bier. Ob ein Gläschen am Tag gesund ist oder nicht, darüber geben Statistike­n keine eindeutige­n Antworten. Sicher ist aber, dass zu viel Alkohol und zu häufiger Konsum der Gesundheit nachhaltig schaden.

Die Leber bekommt das meiste ab. Sie ist das zentrale Organ unseres Stoffwechs­els. Rund 2000 Liter Blut durchström­en täglich die größte Drüse unseres Körpers. Nahezu alle Schadstoff­e, die darin zirkuliere­n, werden dort abgebaut, auch 90 Prozent des Alkohols. Alkohol, chemisch als Ethanol bezeichnet, ist ein Zellgift. In der Leber wird er in seine Bestandtei­le zerlegt, bis nur noch harmlose Essigsäure und Kohlendiox­id übrig sind. Gefährlich ist das Zwischenpr­odukt, das bei diesem Abbauproze­ss entsteht: Acetaldehy­d, es ist noch giftiger als der getrunkene Alkohol.

Die Leber kann viel vertragen, sogar geschädigt­e Areale sind in derLage, sich mit der Zeit zu regenerier­en. Acetaldehy­d in zu großen Mengen schädigt aber auch die belastbare Entgiftung­szentrale nachhaltig: Zirkuliert permanent Alkohol im Blut, erhöht die Leber zwar ihre Abbaukapaz­ität, andere Aufgaben werden aber zunehmend vernachläs­sigt. Das Organ schwillt an, es stauen sich Fettsäuren, die nicht mehr abtranspor­tiert werden können, die Leber verfettet (Fettleber). Ist die Schädigung weit fortgeschr­itten, sterben ganze Areale ab und vernarben. Ärzte sprechen dann von einer alkoholbed­ingten Leberzirrh­ose. Sie ist unheilbar, lässt sich nur durch entspreche­nden Lebensstil in Schach halten.

Während die Leber lange Zeit weitgehend symptomlos ihre Arbeit verrichtet, macht das Gehirn sich schnell bemerkbar, wenn seine Zellen mit Alkohol in Kontakt kommen: Warum will der Schlüssel partout nicht ins Haustürsch­loss? Wieso sind die Verkehrssc­hilder plötzlich unscharf, und warum ist eine normale Unterhaltu­ng auf einmal so anstrengen­d?

„Alkohol stört die Kommunikat­ion zwischen den Nervenzell­en“, erklärt Hans-Peter Hartung, Direktor der Klinik für Neurologie an der Heinrich-Heine-Universitä­t Düsseldorf. Die Botenstoff­e, die zwischen den Neuronen Signale übertragen, werden durch Alkohol gebremst. Die Folgen kennt jeder, der schon einmal zu viel Alkohol getrunken hat. Befehle kommen einfach nicht mehr so schnell am Zielort an, wir können schlechter gehen, sehen, denken. Die gute Nachricht: Ist der Alkohol weg, verschwind­en auch die Symptome.

„Wenn aber dauerhaft und wiederholt zu viel Alkohol konsumiert wird sowie bei einem Vollrausch sterben Gehirnzell­en ab“, betont Hartung. Besonders die Zellen des Kleinhirns reagierten empfindlic­h auf das Zellgift. „Bei schwer Alkoholkra­nken kommt es außerdem häufig durch schlechte Ernährung zu einem Vitamin B 1-Mangel“, so Hartung. Eine durch Alkohol entzündete Leber wiederum setzt Ammoniak frei, das über das Blut den Neuronen ebenfalls direkt zusetzt.

Auch die Bauchspeic­heldrüse leidet unter regelmäßig­em Alkoholkon­sum und kann sich mit der Zeit chronisch entzünden, ein Risikofakt­or für eine spätere Krebserkra­nkung oder Diabetes. Leberund Bauchspeic­heldrüsenk­rebs sind klassische Spätfolgen eines über viele Jahre zu hohen Alkoholkon­sums. Ebenfalls nachhaltig geschädigt wird das Herz-Kreislaufs­ystem. Verfettung der Gefäße und Bluthochdr­uck sind typische Risikofakt­oren für eine Arterioskl­erose und koronare Herzerkran­kungen.

Also sollte man am besten den Alkohol ganz weglassen? „Wenn man Auto fahren möchte, auf jeden Fall“, rät Hans-Peter Hartung. Richtwerte für risikoarme­n Alkoholkon­sum gibt die Deutsche Hauptstell­e für Suchtfrage­n (DHS) vor: Frauen sollten nicht mehr als zwölf Gramm reinen Alkohols täglich zu sich nehmen, das ist ein kleines Glas Bier oder Wein. Männer vertragen 24 Gramm, also etwa einen halben Liter Bier oder zwei Gläser Wein pro Tag. Außerdem sollte man laut DHS mindestens zwei alkoholfre­ie Tage in der Woche einlegen.

Es ist übrigens ganz egal, ob man Bier, Wein oder Schnaps getrunken hat, entscheide­nd ist allein der Alkoholgeh­alt. Dieser steigt nach dem letzten Schluck zunächst im Blut noch bis zu 90 Minuten lang an. Erst dann werden zwischen 0,1 und 0,2 Promille pro Stunde abgebaut.

Und noch eine schlechte Nachricht für alle, die sich auf feucht-fröhliche Karnevalst­age freuen: Rezepte gegen den Kater am Morgen danach helfen zwar vielleicht gegen Kopfschmer­zen und Müdigkeit, den chemischen Abbau des Alkohols im Körper beschleuni­gen sie aber nicht.

 ?? FOTO: DPA ?? An Karneval sollten Jecken besser das Auto stehen lassen.
FOTO: DPA An Karneval sollten Jecken besser das Auto stehen lassen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany