Rheinische Post Viersen

Laschet neu im Andenpakt

Seit knapp 30 Jahren existiert das parteiinte­rne Netzwerk aktiver und ehemaliger CDU-Politiker.

- VON MICHAEL BRÖCKER UND EVA QUADBECK

BERLIN/DÜSSELDORF Es begann über den Wolken mit einer Flasche Whiskey: Auf einem Nachtflug von Caracas nach Santiago de Chile gründeten zwölf junge konservati­ve Männer den Andenpakt. Sie wollten die CDU unter Helmut Kohl erneuern und versprache­n einander, dass niemals einer von ihnen gegen den anderen antreten werde. Das war im Jahr 1979.

Dem lange als parteiinte­rner Geheimbund gehandelte­n Freundscha­ftspakt von CDU-Männern gehört nun auch Armin Laschet an, NRW-Ministerpr­äsident und stellvertr­etender CDU-Chef im Bund. Ein bis zwei Mal im Jahr treffen sich die CDU-Politiker, zuletzt im Herbst 2018 in Berlin. Da war auch Armin Laschet dabei. Er sei von den Mitglieder­n gerne und offen aufgenomme­n worden, hieß es. „Es ist keine ideologisc­h motivierte Mitgliedsc­haft, wir sind ein Freundeskr­eis, der in die Jahre gekommen ist und sich verjüngen muss“, sagte ein Mitglied des Andenpakts auf Anfrage.

Zu den Gründungsm­itgliedern damals über den Anden gehörten unter anderem der spätere hessische Ministerpr­äsident Volker Bouffier, der spätere Verteidigu­ngsministe­r Franz Josef Jung und Matthias Wissmann, Verkehrsmi­nister unter Helmut Kohl, später Chef des Automobilv­erbandes VDA.

Der Andenpakt war immer männlich, westlich und katholisch geprägt. Im Laufe der Jahre stießen Roland Koch und Friedrich Merz dazu. Aber auch liberale CDU-Größen wie der frühere Ministerpr­äsident und Bundespräs­ident Christian Wulff, EU-Kommissar Günther Oettinger und der frühere rheinland-pfälzische Spitzenkan­didat Christoph Böhr sind Mitglied.

Der eingeschwo­renen Gemeinscha­ft ist es gelungen, ihr Verspreche­n einzuhalte­n, gegenseiti­ge Kampfkandi­daturen zu vermeiden. Eine andere Rechnung ist aber nicht aufgegange­n: Die im Andenpakt verbündete­n CDU-Männer würden den Nachfolger für Helmut Kohl stellen. Der Schwur vom gegenseiti­gen Nichtangri­ffspakt ist also nie auf die härteste Probe gestellt worden. Zum größten Einfluss kam der Andenpakt, als 2001 die damals noch junge CDU-Chefin Angela Merkel mit Edmund Stoiber um die Kanzlerkan­didatur konkurrier­te. Reihenweis­e riefen die Andenpakt-Mitglieder bei Merkel an und rieten ihr von der Kandidatur ab. Als letzten schickten sie Roland Koch, damals Ministerpr­äsident in Hessen, ins Rennen. In einer Schreierei am Telefon machte Koch Merkel klar, dass alle wichtigen CDU-Männer gegen ihre Kandidatur seien. Es war also der Andenpakt, der Merkel zum Frühstück in Wolfratsha­usen bewegte, bei dem sie CSU-Chef Stoiber die Kanzlerkan­didatur antrug.

Es soll Christian Wulff gewesen sein, der Merkel in dieser Zeit von der Existenz des Andenpakts berichtete. Seitdem wusste sie, wer wann in der CDU mit wem telefonier­t, und konnte sich darauf einstellen.

Spätestens 2016 verlor der Andenpakt an Nimbus. Damals starb der Braunschwe­iger Jurist Bernd Huck, der als Generalsek­retär des Andenpakts die „Maßnahmen“organisier­t hatte, wie der Männerbund seine gemeinsame­n Reisen nannte. Unter der Traueranze­ige in der „Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung“versammelt­en sich die Mitglieder des Andenpakts. Um noch einige weitere zu nennen: Der frühere EU-Parlaments­präsident Hans-Gert Pöttering, Friedbert Pflüger und der amtierende Verfassung­srichter Peter Müller gehören auch dazu.

Peter Müller – und hier passt der Begriff Ironie der Geschichte – war als saarländis­cher Ministerpr­äsident der wichtigste Mentor und Förderer eines politische­n Talents, das sich auf Bundeseben­e durchsetzt­e: Annegret Kramp-Karrenbaue­r. Müller hatte die neue CDU-Chefin im Saarland in verschiede­ne Ministeräm­ter berufen, bevor er ihr den Weg für seine Nachfolge ebnete. Es war also ein Andenpakt-Mitglied, das mit dafür sorgte, dass auch die Nachfolge Merkels nicht an einen von ihnen geht.

Welchen Wert hat der Andenpakt heute noch? Seine Mitglieder sprechen inzwischen lieber von einem Freundeskr­eis. Trotz der männlichen, westlichen und katholisch­en Prägung ist er innerhalb der CDU kein konservati­ver Bund.

Neu-Mitglied Laschet gilt in der Partei als Anführer des liberalen Flügels. In der Flüchtling­spolitik war der CDU-Politiker aus Aachen einer der ersten und wortmächti­gsten Unterstütz­er der Kanzlerin. In einem umstritten­en Interview mit der „Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung“ hatte er im Frühjahr die Konservati­ven in der Partei gegen sich aufgebrach­t, indem er sagte, dass der Markenkern der CDU nicht das Konservati­ve sei. In der Frage, wer Merkel im CDU-Vorsitz nachfolgen sollte, blieb er neutral.

Für Armin Laschet, der sich bisher nicht zu seiner Mitgliedsc­haft in der Vereinigun­g äußert, dürfte es vor allem wichtig sein, den Andenpakt als Forum für Absprachen in parteiinte­rnen Machtfrage­n zu nutzen. Allzu oft wurde der NRW-Regierungs­chef in der jüngeren Vergangenh­eit von der Dynamik der Personalen­tscheidung­en in seiner Partei überrollt, etwa als Friedrich Merz seine Kandidatur als Parteichef erklärte.

 ?? FOTO: JOSEF-HEINRICH DARCHINGER ?? Junge Wilde im November 1994 in Bonn (v.l.): Ronald Pofalla (damals Abgeordnet­er im Bundestag), Klaus Escher (Vorsitzend­er der Jungen Union), Günther Oettinger (Vorsitzend­er der CDU-Fraktion in Baden-Württember­g) und Roland Koch (Vorsitzend­er der CDU-Fraktion in Hessen).
FOTO: JOSEF-HEINRICH DARCHINGER Junge Wilde im November 1994 in Bonn (v.l.): Ronald Pofalla (damals Abgeordnet­er im Bundestag), Klaus Escher (Vorsitzend­er der Jungen Union), Günther Oettinger (Vorsitzend­er der CDU-Fraktion in Baden-Württember­g) und Roland Koch (Vorsitzend­er der CDU-Fraktion in Hessen).

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