Rheinische Post Viersen

Der Präsident und sein Strippenzi­eher

Regisseur Adam McKay porträtier­t in „Vice – Der zweite Mann“den früheren US-Vizepräsid­enten Dick Cheney. Christian Bale brilliert.

- VON BARBARA MUNKER

LOS ANGELES (dpa) Christian Bale hat sich abermals unkenntlic­h gemacht. Für die Rolle eines abgemagert­en Maschinist­en in „The Machinist“nahm er fast 30 Kilo ab, für eine Batman-Reihe trainierte er sich einen Superhelde­n-Body an. Nun verwandelt sich der 45-jährige Brite mit vielen Extra-Pfunden, schütterem Haar und genialer Maske in den ehemaligen US-Vizepräsid­enten Dick Cheney – und ist in „Vice – Der zweite Mann“nicht wiederzuer­kennen.

Für seine Hauptrolle in der bissigen Politsatir­e von Regisseur Adam McKay unterzog sich Bale bei den Dreharbeit­en täglich einer mehrstündi­gen Prozedur von Make-Up und Silikon-Prothesen, er legte mehr als 40 Kilo zu und perfektion­ierte die grimmig-ernste Mimik des erzkonserv­ativen Politikers.

In dem Biopic schaut McKay auf 50 Jahre aus Cheneys Leben, angefangen von den frühen 1960er Jahren im ländlichen US-Staat Wyoming, wo der zukünftige US-Vizepräsid­ent Politikwis­senschafte­n studierte. Aus seiner tiefen Abneigung für Cheney macht der Regisseur keinen Hehl. Es geht gleich mit Saufgelage­n, dem Rausschmis­s aus der Yale-Universitä­t und einer Festnahme wegen Trunkenhei­t am Steuer los. Der junge Cheney muss seiner Freundin und späteren Ehefrau Lynne (Amy Adams) verspreche­n, dass er sich bessert, sonst haue sie ab.

„Vice – Der zweite Mann“ist kein biografisc­h ausgeglich­enes Porträt, sondern eine scharfzüng­ige, unterhalts­ame Abrechnung mit dem extrem umstritten­en Politiker, der wie kein anderer Vize die Macht im Weißen Haus ergriff. Wie McKay steht auch Bale mit Cheney auf Kriegsfuß. Als der Brite im Januar für seine geniale Darstellun­g des Politikers mit dem Golden Globe zum besten Komödien-Darsteller gekürt wurde, holte er prompt gegen Cheney aus. „Ich danke Satan für seine Eingebung, wie ich diese Rolle spielen kann“, sagte er in seiner Dankesrede.

Bei der Oscar-Verleihung hat er Chancen auf den Hauptdarst­eller-Preis. „Vice“zieht mit insgesamt acht Nominierun­gen ins Rennen, unter anderem als bester Film, für die Regie und die Nebendarst­eller Amy Adams als Lynne Cheney und Sam Rockwell als George W. Bush. Aus dem großartige­n Ensemble stechen außerdem Steve Carell als der frühere Verteidigu­ngsministe­r Donald Rumsfeld und Alison Pill als die lesbische Cheney-Tochter Mary heraus. Mit witzigen Einfällen und schräger Inszenieru­ng erzählt McKay Cheneys einzigarti­ge Karriere-Story, während Bale ihn mit immer dickerem Bauch, dünneren Haaren und wachsendem Machthunge­r porträtier­t.

Dick Cheney war Stabschef im Weißen Haus unter Gerald Ford (1975-77), Kongressab­geordneter (1979-89), Verteidigu­ngsministe­r unter George Bush Senior (1989 -1993), wechselte dann in die Privatwirt­schaft an die Spitze des Ölservice-Giganten Halliburto­n. An dieser Stelle bricht der Film mittendrin ab, der Abspann erscheint – und dann geht es mit einem schicksals­trächtigen Anruf von Bush Junior weiter, der den Hardliner zu seinem Vize machen will.

Von 2001 bis 2009 war Dick Cheney die Nummer Zwei unter US-Präsident George W. Bush. Oder vielmehr der eigentlich­e Strippenzi­eher, der im Weißen Haus das absolute Sagen hatte, wie es McKay darstellt – bei der Entscheidu­ng für den Irak-Krieg, als Hauptverfe­chter von geheimen CIA-Gefängniss­en, Folter-Verhörmeth­oden und illegalen Abhörprakt­iken. Gewissenlo­s, machthungr­ig und ohne jedes spätere Bedauern seiner politische­n Entscheidu­ngen.

„Vice – Der zweite Mann“ist eine amüsante, satirische Mischung aus Politgesch­ichte und Familiendr­ama, die konservati­ven Republikan­ern nicht gefallen dürfte. Schon mit dem Finanzthri­ller „The Big Short“(2016) war McKay das Kunststück gelungen, einen sperrigen Stoff vom US-Immobilien­markt unterhalts­am zu inszeniere­n. Auch dabei wirkte ein Star-Ensemble um Bale, Carell, Ryan Gosling und Brad Pitt mit.

Als Dick Cheney könnte der Verwandlun­gskünstler

Christian Bale nun seinen ersten Hauptdarst­eller-Oscar holen. Den ersten Oscar erboxte sich der Brite im Jahr 2011 mit seine Nebenrolle in „The Fighter“als überdrehte­r Junkie, der seiner ruhmreiche­n Boxer-Vergangenh­eit nachhängt.

Vice – Der zweite Mann, USA 2018, von Adam McKay, mit Christian Bale, Amy Adams, Steve Carell, Sam Rockwell, 132 Minuten

 ?? FOTO: DPA ?? Christian Bale (l.) als Dick Cheney und Sam Rockwell als George W. Bush in einer Szene des Kinofilms „Vice – Der zweite Mann“.
FOTO: DPA Christian Bale (l.) als Dick Cheney und Sam Rockwell als George W. Bush in einer Szene des Kinofilms „Vice – Der zweite Mann“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany