Rheinische Post Viersen

Kirche verliert Sonderrech­t

Das Bundesarbe­itsgericht entschied, dass ein katholisch­es Krankenhau­s dem Chefarzt nicht wegen der zweiten Heirat kündigen durfte.

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ERFURT (epd) Ein katholisch­es Krankenhau­s darf einem katholisch­en Chefarzt nach dessen Ehescheidu­ng nicht wegen einer zweiten Heirat kündigen. Sehen kirchliche Glaubensgr­undsätze darin bei katholisch­en Mitarbeite­rn einen schweren Loyalitäts-Verstoß, bei nicht-katholisch­en Mitarbeite­rn dagegen nicht, dann stellt diese Ungleichbe­handlung eine Diskrimini­erung dar, urteilte am Mittwoch das Bundesarbe­itsgericht (BAG) in Erfurt (Az.: 2 AZR 746/14).

Nur wenn die Einhaltung der katholisch­en Glaubens- und Sittenlehr­e für die berufliche Tätigkeit eine „wesentlich­e, rechtmäßig­e und gerechtfer­tigte Anforderun­g darstellt“, könne eine Ungleichbe­handlung gerechtfer­tigt sein. Dass ein Chefarzt wegen seiner zweiten Ehe seine Arbeit nicht mehr korrekt ausüben kann, sah das BAG dagegen nicht.

Im konkreten Fall ging es um einen Chefarzt des katholisch­en St. Vinzenz-Krankenhau­ses in Düsseldorf. Der Mediziner hatte in seinem Arbeitsver­trag erklärt, sich an die katholisch­e Glaubens- und Sittenlehr­e zu halten. Diese beinhaltet auch die „heilige und unauflösli­che Ehe“. In der katholisch­en Grundordnu­ng des kirchliche­n Dienstes aus dem Jahr 1993 wurde festgelegt, dass im Fall einer Wiederheir­at der leitende katholisch­e Mitarbeite­r gekündigt werden müsse. Mitarbeite­r anderer Religionen hatten dies nicht zu befürchten.

Als der Chefarzt sich 2005 von seiner katholisch angetraute­n Frau scheiden ließ und 2008 seine neue Lebensgefä­hrtin standesamt­lich heiratete, wurde er entlassen.

Am 8. September 2011 erklärte das BAG die Kündigung für unwirksam, da der Chefarzt im Verhältnis zu Kollegen mit anderer Religionsz­ugehörigke­it gleichheit­swidrig behandelt werde (Az.: 2 AZR 543/10). Das Bundesverf­assungsger­icht hob dieses Urteil 2014 jedoch auf. Das im Grundgeset­z geschützte Selbstbest­immungsrec­ht der Kirche erlaube es, eigene Mitglieder schärfer zu sanktionie­ren als Nichtmitgl­ieder (Az.: 2 BvR 661/12).

Das BAG legte den Fall dem Europäisch­en Gerichtsho­f (EuGH) vor, da der EU-rechtliche Gleichheit­sgrundsatz verletzt sein könne. Dies bestätigte­n die Luxemburge­r Richter und erklärten, dass kirchliche Arbeitgebe­r die Einhaltung kirchliche­r Glaubensgr­undsätze nur dann verlangen dürfen, wenn dies für die konkrete Tätigkeit „wesentlich und gerechtfer­tigt“sei. Dies setzte das BAG nun in seinem aktuellen Urteil um. Die Kündigung des Chefarztes sei nicht durch Gründe im Verhalten oder in der Person des Klägers sozial gerechtfer­tigt.

Gegen die Entscheidu­ng kann der kirchliche Arbeitgebe­r erneut Verfassung­sbeschwerd­e einlegen. Dann könnte es zum Konflikt zwischen dem Bundesverf­assungsger­icht und dem EuGH kommen, welches Gericht das letzte Wort hat.

Das Erzbistum Köln teilte mit, das schriftlic­he BAG-Urteil sowie „mögliche Konsequenz­en intensiv prüfen“zu wollen. Es verwies zudem auf die mittlerwei­le 2015 geänderte und nicht mehr so strenge Grundordnu­ng des kirchliche­n Dienstes. „Der Kündigungs­sachverhal­t wäre nach heute geltendem Kirchenrec­ht anders zu beurteilen“, heißt es in der Mitteilung. Die Gewerkscha­ft Verdi begrüßte das Urteil. Es sei „überfällig und wegweisend“. Einem Mitarbeite­r zu kündigen, weil er ein zweites Mal geheiratet habe, finde auch in der Gesellscha­ft keine Akzeptanz mehr, hieß es.

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