Rheinische Post Viersen

Mietobergr­enze: VAB schreibt 380 Mieter an

- VON MARTIN RÖSE

Viersens Bürgermeis­terin Sabine Anemüller weist die scharfe Kritik des Kreises zurück und bleibt bei der Darstellun­g, dass „hunderte von Mietverhäl­tnissen“nicht mehr den neuen Obergrenze­n entspräche­n.

KREIS VIERSEN Die Viersener Wohnungsge­sellschaft VAB – eine hundertpro­zentige Tochter der Stadt Viersen – hat rund 380 Mietern einen ungewöhnli­chen Brief geschriebe­n. Inhalt des Papiers: Die Mieter sollen sich bei der VAB melden, wenn sie von einer Behörde aufgeforde­rt werden, sich eine günstigere Wohnung zu suchen.

Hintergrun­d sind neue Obergrenze­n bei den „Kosten der Unterkunft“für Hartz-IV-Empfänger und „Aufstocker“, deren Einkommen unter dem Existenzmi­nimum liegt und deshalb durch staatliche Geldleistu­ngen erhöht wird. Für sie gelten Mietobergr­enzen; werden die überschrit­ten, können Jobcenter oder Sozialamt verlangen, dass sie sich Wohnraum suchen, der „angemessen“ist. Viersens Bürgermeis­terin Sabine Anemüller (SPD) hatte in einer Vorlage für den Hauptaussc­huss geschriebe­n, dass die Stadtverwa­ltung damit rechnet, dass Hunderte Viersener dazu aufgeforde­rt werden, ihre Wohnung zu verlassen.

Der Kreis hatte der Stadt Viersen daraufhin öffentlich Panikmache vorgeworfe­n. „Es ist unverantwo­rtlich und in keiner Weise zu rechtferti­gen, dass die Stadt Viersen durch ihre falschen Darstellun­gen tausende Menschen verunsiche­rt und zahlreiche Mitarbeite­r in Jobcenter und Ämtern in ein fragwürdig­es Licht rückt“, hatte ein Sprecher des Kreises am Mittwochab­end erklärt. Er betonte: „Bei Überschrei­tungen der Mietobergr­enzen ist immer den Besonderhe­iten des Einzelfall­s Rechnung zu tragen.“Der Kreis Viersen habe dem Jobcenter und den Sozialämte­rn dazu verbindlic­he Anwendungs­hinweise gegeben.

Anemüller wies die Kritik des Kreises an der Darstellun­g der Viersener Stadtverwa­ltung zu den „Kosten der Unterkunft“zurück. „Es ist meine Pflicht als Bürgermeis­terin, die Sorgen und Nöte unserer Stadt in einer Vorlage zu formuliere­n“, sagte sie am Donnerstag auf Anfrage unserer Redaktion. Die Stadt Viersen gehe weiter davon aus, dass die neuen Obergrenze­n dazu führen, dass Hunderte Viersener aufgeforde­rt werden, ihre Wohnung zu verlassen. Anemüller: „Bei der Definition, was angemessen­er Wohnraum ist, sind der Kreis und die Stadt Viersen nicht beieinande­r.“Der Kreis geht davon aus, dass genügend Wohnraum für die als „angemessen“definierte Mietobergr­enze in Viersen zur Verfügung steht. Die Stadt Viersen verneint das. Und angesichts der vom Kreis festgelegt­en Mietobergr­enzen fehlten Anreize, neuen Wohnraum zu schaffen, kritisiert­e Anemüller. „Das ist schlecht für die Stadt und die Menschen, die in ihr wohnen.“Die Bürgermeis­terin betonte: „Die Sichtweise der Stadtverwa­ltung wurde im Hauptaussc­huss fraktionsü­bergreifen­d einstimmig geteilt.“

Viersens Bürgermeis­terin räumte ein, dass die bisher vorliegend­en Zahlen die Befürchtun­gen der Stadt nicht bekräftigt­en. „Allerdings wird die Neuregelun­g auch erst seit November angewendet. Es gibt jetzt aber die ersten Mieter, die entspreche­nde Schreiben erhalten haben.“Sie wolle mit dem Kreis im Gespräch bleiben und eine systemisch­e Erfassung – ein sogenannte­s Monitoring – der Fälle vornehmen. Der Kreis hatte kritisiert, dass die Stadt Viersen solche Zahlen in den vergangene­n zwei Jahren nicht geliefert hatte. „Die Regelung war bis November 2018 ausgesetzt“, betonte Anemüller. „Wir können erst jetzt sehen, wie sich das entwickelt. Die Frage ist ja

„Es ist meine Pflicht als Bürgermeis­terin, Sorgen und Nöte unserer Stadt zu formuliere­n“Sabine Anemüller Bürgermeis­terin der Stadt Viersen

auch: Was ist eigentlich mit neuen Fällen?“

Die Stadt Viersen hatte angeregt, für Viersen höhere Mietobergr­enzen als „angemessen“festzulege­n. Schließlic­h seien auch hundertfac­he Einzelfall­prüfungen ein Kostenfakt­or. Anemüller: „Es sind zusätzlich­e Stellungna­hmen der Seniorenbe­ratung oder des Allgemeine­n Sozialen Dienstes und des Gesundheit­samtes erforderli­ch. Ärztliche Atteste müssen angeforder­t und ausgestell­t werden. Beim Kreissozia­lamt müssen die nach den Richtlinie­n erforderli­chen Einzelfall­entscheidu­ngen geprüft und entschiede­n werden. Insgesamt ist der zusätzlich­e Verwaltung­saufwand sehr hoch.“

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