Mietobergrenze: VAB schreibt 380 Mieter an
Viersens Bürgermeisterin Sabine Anemüller weist die scharfe Kritik des Kreises zurück und bleibt bei der Darstellung, dass „hunderte von Mietverhältnissen“nicht mehr den neuen Obergrenzen entsprächen.
KREIS VIERSEN Die Viersener Wohnungsgesellschaft VAB – eine hundertprozentige Tochter der Stadt Viersen – hat rund 380 Mietern einen ungewöhnlichen Brief geschrieben. Inhalt des Papiers: Die Mieter sollen sich bei der VAB melden, wenn sie von einer Behörde aufgefordert werden, sich eine günstigere Wohnung zu suchen.
Hintergrund sind neue Obergrenzen bei den „Kosten der Unterkunft“für Hartz-IV-Empfänger und „Aufstocker“, deren Einkommen unter dem Existenzminimum liegt und deshalb durch staatliche Geldleistungen erhöht wird. Für sie gelten Mietobergrenzen; werden die überschritten, können Jobcenter oder Sozialamt verlangen, dass sie sich Wohnraum suchen, der „angemessen“ist. Viersens Bürgermeisterin Sabine Anemüller (SPD) hatte in einer Vorlage für den Hauptausschuss geschrieben, dass die Stadtverwaltung damit rechnet, dass Hunderte Viersener dazu aufgefordert werden, ihre Wohnung zu verlassen.
Der Kreis hatte der Stadt Viersen daraufhin öffentlich Panikmache vorgeworfen. „Es ist unverantwortlich und in keiner Weise zu rechtfertigen, dass die Stadt Viersen durch ihre falschen Darstellungen tausende Menschen verunsichert und zahlreiche Mitarbeiter in Jobcenter und Ämtern in ein fragwürdiges Licht rückt“, hatte ein Sprecher des Kreises am Mittwochabend erklärt. Er betonte: „Bei Überschreitungen der Mietobergrenzen ist immer den Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung zu tragen.“Der Kreis Viersen habe dem Jobcenter und den Sozialämtern dazu verbindliche Anwendungshinweise gegeben.
Anemüller wies die Kritik des Kreises an der Darstellung der Viersener Stadtverwaltung zu den „Kosten der Unterkunft“zurück. „Es ist meine Pflicht als Bürgermeisterin, die Sorgen und Nöte unserer Stadt in einer Vorlage zu formulieren“, sagte sie am Donnerstag auf Anfrage unserer Redaktion. Die Stadt Viersen gehe weiter davon aus, dass die neuen Obergrenzen dazu führen, dass Hunderte Viersener aufgefordert werden, ihre Wohnung zu verlassen. Anemüller: „Bei der Definition, was angemessener Wohnraum ist, sind der Kreis und die Stadt Viersen nicht beieinander.“Der Kreis geht davon aus, dass genügend Wohnraum für die als „angemessen“definierte Mietobergrenze in Viersen zur Verfügung steht. Die Stadt Viersen verneint das. Und angesichts der vom Kreis festgelegten Mietobergrenzen fehlten Anreize, neuen Wohnraum zu schaffen, kritisierte Anemüller. „Das ist schlecht für die Stadt und die Menschen, die in ihr wohnen.“Die Bürgermeisterin betonte: „Die Sichtweise der Stadtverwaltung wurde im Hauptausschuss fraktionsübergreifend einstimmig geteilt.“
Viersens Bürgermeisterin räumte ein, dass die bisher vorliegenden Zahlen die Befürchtungen der Stadt nicht bekräftigten. „Allerdings wird die Neuregelung auch erst seit November angewendet. Es gibt jetzt aber die ersten Mieter, die entsprechende Schreiben erhalten haben.“Sie wolle mit dem Kreis im Gespräch bleiben und eine systemische Erfassung – ein sogenanntes Monitoring – der Fälle vornehmen. Der Kreis hatte kritisiert, dass die Stadt Viersen solche Zahlen in den vergangenen zwei Jahren nicht geliefert hatte. „Die Regelung war bis November 2018 ausgesetzt“, betonte Anemüller. „Wir können erst jetzt sehen, wie sich das entwickelt. Die Frage ist ja
„Es ist meine Pflicht als Bürgermeisterin, Sorgen und Nöte unserer Stadt zu formulieren“Sabine Anemüller Bürgermeisterin der Stadt Viersen
auch: Was ist eigentlich mit neuen Fällen?“
Die Stadt Viersen hatte angeregt, für Viersen höhere Mietobergrenzen als „angemessen“festzulegen. Schließlich seien auch hundertfache Einzelfallprüfungen ein Kostenfaktor. Anemüller: „Es sind zusätzliche Stellungnahmen der Seniorenberatung oder des Allgemeinen Sozialen Dienstes und des Gesundheitsamtes erforderlich. Ärztliche Atteste müssen angefordert und ausgestellt werden. Beim Kreissozialamt müssen die nach den Richtlinien erforderlichen Einzelfallentscheidungen geprüft und entschieden werden. Insgesamt ist der zusätzliche Verwaltungsaufwand sehr hoch.“