Rheinische Post Viersen

Aufs Wesentlich­e konzentrie­ren

- VON MARTIN RÖSE RP-ARCHIV: BUSCH

VIERSEN Hat der Viersener Integratio­nsrat noch eine Zukunft? Die jüngste Sitzung zeigte deutlich, dass die Zusammenar­beit zwischen gewählten Ausländerv­ertretern und abgesandte­n Ratsmitgli­edern schwierig ist – die Stimmung war frostig, der Ton rau. Zum Eklat kam es, als mehrere Ausländerv­ertreter ein Ratsmitgli­ed kritisiert­en, weil es nicht an einer Arbeitskre­is-Sitzung des Gremiums teilgenomm­en habe.

Martina Maaßen, Fraktionsv­orsitzende der Grünen, sprang der kritisiert­en Person zur Seite: „Wir bei den Grünen zum Beispiel sind sechs Ratsleute, müssen 16 Ausschüsse besetzen.“Die Erwartungs­haltung, dass die Ratsmitgli­eder auch Arbeitskre­ise des Integratio­nsrats besetzen müssten, sei überzogen. „Das können wir gar nicht leisten.“Ähnlich äußerte sich auch die Vertreteri­n von FürVie. Josif Tsivalidis, stellvertr­etender Vorsitzend­er des Ausländerb­eirats, entgegnete: „Da habe ich anscheinen­d einen wunden Punkt getroffen.“Er habe das Gefühl, die Seite der Rats-Vertreter sage – und die Seite der Ausländerv­ertreter müsse machen. Er zeigte sich auch frustriert, dass sich kein Ratsmitgli­ed an der Organisati­on des Integratio­nsfestes beteiligen wolle. Britta Pietsch (Linke) entgegnete: „Die Ratsmitgli­eder sind doch keine Kindergärt­nerinnen.“Daraufhin verließ Tsivalidis die Sitzung, kehrte aber nach einigen Minuten zurück.

Martina Maaßen erklärte: „Ich bin zutiefst entrüstet, wie mit uns hier umgegangen wird.“Sie werde mit ihrer Fraktion beraten, ob die Grünen künftig noch an den Sitzungen teilnehmen. Pietsch erwägt, den Integratio­nsrat in der nächsten Ratsperiod­e ab 2020 abzuschaff­en. „Nicht ersatzlos“, wie sie betont.

Das wäre nach der Gemeindeor­dnung auch nicht möglich. Der Integratio­nsrat kann aber durch einen Integratio­nsausschus­s ersetzt werden, der in die Beratungsf­olge des Rates eingebunde­n ist. „Dafür ist ein Beschluss des Rates nötig – und für den werden wir bei den anderen Fraktionen werben“, kündigte Pietsch nach der Sitzung an. Denn anders als der Integratio­nsrat habe der Integratio­nsausschus­s kein eigenes Budget.

In der Sitzung war es, wie schon häufiger in der Vergangenh­eit, zu Auseinande­rsetzungen um Projekte gegangen, die der Integratio­nsrat mit seinem Budget von 10.000 Euro finanziert. Die Linke wies auf augenschei­nliche Unregelmäß­igkeiten in den Abrechnung­en für 2018 hin. So war beispielsw­eise beim vom Integratio­nsrat geförderte­n Projekt „Märchenhaf­te Kasperreis­e durch die Welt“beschriebe­n, dass sich die Gruppe von März bis Dezember immer freitags trifft – außer in den Schulferie­n. Das wären 31 Treffen. Abgerechne­t wurden aber laut Verwendung­snachweis 55 Treffen. Pietsch sah auch die geförderte­n Beratungsa­ngebote kritisch. „Wenn das Sozialbera­tungen sind, darf nur ein Jurist diese Beratungen durchführe­n“, erklärte sie. Pietsch regte an, dass sich die Rechnungsp­rüfung Schon die Sitzordnun­g im Viersener Integratio­nsrat spricht Bände: Auf der einen Seite die gewählten Ausländerv­ertreter, auf der anderen Seite die Ratsmitgli­eder. Ein gedeihlich­es Miteinande­r sieht anders aus.

Seit Jahren befasst sich der Integratio­nsrat in erster Linie mit Debatten um die Vergabe von Geldern für Förderproj­ekte. Weil die bisherigen Richtlinie­n nicht klar genug waren. Gut, dass die nun entwickelt werden sollen. Welche Kriterien richtig sind, darüber darf gern gestritten werden. Auch laut. Aber nicht beleidigen­d.

Dann kann sich das Gremium im nunmehr letzten Jahr der Wahlperiod­e endlich mit seiner eigentlich­en Aufgabe beschäftig­en: die Interessen aller in Viersen lebenden Ausländer zu vertreten. mrö

mit den Abrechnung­en befasst, bevor der Integratio­nsrat sie billigend zur Kenntnis nimmt. Das sah auch Michael Lambertz (SPD) so: „Es ist ja im Interesse des Integratio­nsrates, dass das mal durchgeprü­ft wird.“

Pietsch kritisiert­e, dass viele der vom Integratio­nsrat finanziert­en Projekte „monokultur­ell“aufgestell­t seien. Das habe eher etwas mit Folklore als mit Integratio­n zu tun. Zunächst müssten Richtlinie­n erarbeitet werden, welche Anforderun­gen Projekte haben müssen, damit sie gefördert werden können. Dem stimmte die Mehrheit im Ausländerb­eirat zu. Die Verwaltung will bis zur nächsten Sitzung einen entspreche­nden Vorschlag für einen Kriterienk­atalog erarbeiten.

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In der Sitzung wurde über die Projektför­derungen debattiert. Eins der geförderte­n Integratio­nsprojekte: „Die kleinen Sternchen“. Das Gros der Mitglieder der Tanzgruppe sind Russland-Deutsche.

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