Viersens Christo-Siebdruck wird 50
In Viersen lagern viele Arbeiten weltberühmter Maler. In der Serie der Rheinischen Post geben wir einen Überblick über große Werke.
VIERSEN Denken Sie einmal an das letzte Geschenk, das Sie erhalten haben: Liebevoll verpackt lag es vor Ihnen und verbarg wirkungsvoll seinen Inhalt. Die äußere Form war durch Papier und Schleife verfremdet und dennoch sichtbar. Sie konnten ein wenig rätseln. Die Vorfreude stieg. Mag – was Kunst anbelangt – ein wenig vereinfacht dargestellt sein. Aber wenn Christo und Jeanne-Claude Javacheff ihre Gebäude, Inseln, Seen, „verpackten“, war es ein klein wenig so, wie wenn ein liebevoll verpacktes Geschenk vor dem Beschenkten liegt. Allerdings werden ihre Aktionen nicht „verpacken“genannt, sondern „verhüllen“.
Die Grafische Sammlung der Stadt Viersen besitzt, nein, keine Verhüllung von Christo, schließlich sammelt sie Gedrucktes und Fotografiertes, aber den Siebdruck mit dem Titel „America House Wrapped“aus dem Jahr 1969, das im Jahr 1974 erworben wurde. Der Siebdruck ist 90 x 62,50 cm groß.
In Deutschland wurde das bis zum Tod von Jeanne-Claude Javacheff im Jahr 2009 gemeinsam arbeitende Künstlerpaar 1995 bekannt, als sie das Berliner Reichstagsgebäude verhüllten. 109.400 Quadratmeter alumuniumbedampftes Polypropylengewebe, das über ein vor die Fassade gestelltes Gerüst gelegt wurde, verzauberten das riesige Bauwerk.
Eine spektakuläre Aktion folgte der anderen: 1998 verhüllte das Paar im Berower Park der Fondation Beyeler 178 Bäume; auf dem italienischen Iseosee legte Christo 2016 einen orange leuchtenden Steg an und machte den See auf einem kurzen Stück begehbar; im Gasometer Oberhausen ging er 2013 mit dem „Big Air Package“in den Innenraum und verhüllte diesen: das Innere dieses Raums verhalf den Besuchern zu einer verblüffenden Raumerfahrung. Die Verhüllungen und Skulpturen sind meist temporär und höchst kostenintensiv. Um die Finanzierung zu gewährleisten, verkauft Christo Zeichnungen und Drucke der Entwürfe und Skulpturen sowie Stoffproben.
Der Siebdruck „America House Wrapped“basiert auf einer Verhüllung des Amerikahauses in Heidelberg. Der ursprüngliche Plan sah die Verhüllung des Heidelberger Schlosses vor, doch gab es keine Genehmigung der Stadtverwaltung. Also verhüllte Christo gemeinsam mit 20 Helfern das über 100 Jahre alte Haus unter 1900 Quadratmetern weißer Gitterfolie, 900 Metern Draht und 450 Metern Nylonseil. Und es passierte Ähnliches wie mit dem Geschenkkarton: die Aufmerksamkeit wurde gesteigert, im Falle der Architektur, des Sees, der Bäume wurde der Blick neu geschärft für etwas, das Anlieger täglich sehen. Die Welt neu sehen, ein altbekannter Wahlspruch der Künstler, hier wird er sehr ernst genommen. Ein besonderer Reiz ist die Tatsache, dass die Kunstwerke nur auf Zeit zu sehen sind und sich damit umso kostbarer machen.
Christo wurde 1935 im bulgarischen Gabrovo geboren, seine spätere Frau ebenfalls 1935 in Casablanca, Marokko. Christo studierte von 1953 bis 1956 an der Kunstakademie in Sofia, 1957 in Wien. 1958 zog er nach Paris. 1960 heiraten Christo und Jeanne-Claude, ab 1964 lebten sie in New York.
Seine künstlerische Arbeit begann Christo damit, Fundstücke in Plastikplanen und Packpapier zu wickeln, Schaufensterfronten abzukleben und damit zu verhüllen und Blicke zu versperren. Zu dieser Form von Arbeit gehören auch die Skulpturen, die aus Tausenden von gestapelten Ölfässern bestehen und einen Raum teilen – auch diese Skulptur war 1999 im Gasometer in Oberhausen zu sehen.
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