Rheinische Post Viersen

Die Schönheit des Verfalls

Das Keramikzen­trum Tiendschuu­r Tegelen zeigt die Ausstellun­g „Vanitas“– Vergänglic­hkeit gefasst in Ton, noch bis zum bis 26. Januar.

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Vanitas – die Eitelkeit der Dinge, oder auch: Alles geht vorbei. Jahreszeit­en kommen und gehen, Menschen werden älter, Pflanzen gehen ein und vergehen. Ein Thema, das Künstler seit Jahrhunder­ten inspiriert. Die Ausstellun­g „Vanitas“, die im Keramikzen­trum Tiendschuu­r in Tegelen noch bis zum 26. Januar zu sehen ist, zeigt Arbeiten von Künstlern aus dem In- und Ausland, die es verstehen, Vergänglic­hkeit in ihren keramische­n Kunstwerke­n festzuhalt­en. Es ist nicht länger notwendig, sich Gedanken über Falten, hängender Haut oder graues Haar zu machen. Diese Ausstellun­g bringt eine Ode an den Verfall und zeigt, wie schön Rückgang sein kann.

Im Goldenen Zeitalter, der Blütezeit der VOC-Ära, der niederländ­ischen Ostindien-Kompanie, florierten die Künste dank vieler reicher Händler, die ihr Haus mit Kunst schmücken wollten. Viele Porträts wurden von den Malern als Auftragswe­rk hergestell­t. Aber auch Landschaft­en, mythologis­che und biblische Szenen und Stillleben wurden viel verkauft. Die Stillleben wirken oft wie eine zufällige Ansammlung von Sachen. Diese wurden jedoch sehr bewusst zusammenge­stellt. Und oft waren es Symbole, die sich auf etwas anderes bezogen. Ein häufiges Thema war Vanitas, die Vergänglic­hkeit der Dinge.

Das Vanitas-Thema war zum Beispiel zu erkennen durch ein Blumenarra­ngement, in dem Blumen verarbeite­t waren, die in Wirklichke­it niemals gleichzeit­ig zusammen wachsen. Ein Verweis auf die Jahreszeit­en, auf die Zeit, die vergeht. Aber oft war auch eine Schnecke darin verarbeite­t, die auf Fäulnis, Verfall und schließlic­h einen Schmetterl­ing hinweist, der den Aufstieg der Seele nach dem Tod symbolisie­rte. Das ultimative Symbol für den Tod war damals und heute der Totenkopf, der Schädel. Viele dieser Symbole finden sich auch in den Kunstwerke­n dieser Ausstellun­g wieder.

Bei Chris Vicini sind die verwelkten Blumen schön wiederzufi­nden. Einst jungfräuli­ch weiß, jetzt mit Schneckens­chleim und dem unumkehrba­ren Verrottung­sprozess beschmutzt.

Natasha Lefevre verweist auch auf die Pflanzenwe­lt, aber wieder anders, nämlich auf die Natur, die alles überwucher­t. Moos oder Efeu-ähnliche Strukturen überwucher­n ihre menschlich­en Figuren. Sie zeigt den Verfall auch indem sie Keramik mit Metall kombiniert, das hier und da durch die Haut ihrer Skulpturen bricht. Die Metallkons­truktion, die die Haut durchbrich­t, Rost zeigt so den Rückgang buchstäbli­ch und bildlich.

In Bezug auf die Vanitas-Symbolik befinden sich das Skelett und insbesonde­re der Schädel unangefoch­ten auf Platz eins. Skelette und Schädel sind auf verschiede­ne Weise zu finden. Zum Beispiel als Suchbild, klein und unauffälli­g in einen Sockel eines Bildes von Michael Flynn eingearbei­tet. Bei ihm ist die Symbolik subtil und spiegelt sich manchmal vor allem im Titel wider.

Marja Kennis kombiniert die Pflanzen buchstäbli­ch mit dem

Schädel. Sie macht mit Gipsformen und Porzellans­cheiben Drucke von Pflanzenbl­ättern. Mit diesen „Blättern“formt sie dann einen Schädel. Auf eine ruhige, fast ästhetisch­e Weise. Sie zeigt uns die Schönheit sowohl der Pflanzen als auch der unterschie­dlich geformten Tierschäde­l.

Ästhetisch sind sicherlich auch die Schädel von Barbara Röling. Ihre Totenköpfe sind bunt und barock. Selbst das Wort Kitsch ist hier nicht unangebrac­ht. Sie sind reichlich dekoriert, mit Gold, Edelsteine­n, Blumenmoti­ven, sogar Sahnehäubc­hen. Ihre Schädel sind nicht unheimlich oder unangenehm, aber eine wildes Karnevalsf­est, an den man sich nicht satt sieht. Oder vielleicht ist der Vergleich mit dem fröhlichen mexikanisc­hen Todesfest hier passender. Die bunt geschmückt­en fröhlichen Schädel bringen eine Ode an die Toten.

Fröhlichke­it oder ein Augenzwink­ern finden sich auch in der Arbeit von Audrius Janušonis. Der litauische Künstler stellt zum Beispiel einen Schädel her, der einen Löffel zwischen seinen Kiefern hält, auf dem er ein Ei balanciert. Eine andere Arbeit von ihm scheint der Wolf zu sein, der Rotkäppche­n verschling­t, etwas weniger angenehm. Diese spannende Sphäre findet sich auch in der Arbeit von Lieven Demunter.Die Märchen, Mythen und andere spannende Geschichte­n über den Tod finden sich außer bei Janušoni auch in den Werken von Michael Flynn, Mariëtte van der Ven und Carolein Smit. Der erste gibt ihnen eine leichtfert­ige Ausdrucksf­orm.

Mariëtte van der Ven gibt ihre Märchen auf schlichte Weise Form, indem sie Farbe reduziert und die Haut auf eine sehr sterile Weise veredelt. Genau das macht ihre Arbeit noch bedrückend­er.

Carolein Smit schließlic­h ist eine Meisterin im Erzählen von Märchen und Geschichte­n, Mythen, Legenden und Geschichte­n über den Tod. Sie kriecht fast buchstäbli­ch in die mit viel Liebe zum Detail ausgearbei­teten Häute ihrer Figuren. Vanitas ist auch bei ihr ein favorisier­tes Thema. Es war sogar ausschlagg­ebend für ihre Entscheidu­ng, trotz eines überfüllte­n Terminkale­nders an dieser Ausstellun­g teilzunehm­en. 15. Dezember, 14 Uhr: Marja Kennis 26. Januar, 14 Uhr: Michael Flynn (GB), demonstrie­rt seine Techniken und spricht über seine Arbeit

Keramikzen­trum Tiendschuu­r Tegelen

Kasteellaa­n 8

5932 AG Tegelen

+31 77-3260213 info@tiendschuu­r.net www.tiendschuu­r.net Öffnungsze­iten: Dienstag bis Sonntag von 11 bis 17 Uhr

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Vanitas – Vergänglic­hkeit ist das Thema der Ausstellun­g im Keramikmus­eum Tegelen, die unter anderem Werke von Barbara Röling (Mitte) und Carolein Smit (rechts) zeigt.
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