Rheinische Post Viersen

Rettung für den Riesling

Der Weinanbau etwa im Rheingau leidet unter den Einflüssen des Klimawande­ls, vor allem unter Trockenhei­t, Starkregen und Bodenerosi­on. Jetzt schalten sich auch Wissenscha­ftler ein, um die Reben zu retten.

- VON MICHAEL BOSSE

ELTVILLE (epd) Auch wenn Weinreben grundsätzl­ich auf Sonne angewiesen sind, so setzen die Folgen des Klimawande­ls auch zunehmend den Winzern zu. Starkregen und Hagel, zu viel Sonne und trockene Böden können zu Einbußen bei der Qualität und der Lese führen. Damit die Weinbauern sich rechtzeiti­g auf die Auswirkung­en des Klimawande­ls einstellen beziehungs­weise Strategien dagegen umsetzen können, wurde in diesem Frühjahr ein Modellproj­ekt im hessischen Rheingau gestartet, an dem sich auch das renommiert­e Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie beteiligt.

Das Projekt zur Klimaanpas­sung in Weinbau-Landschaft­en am Beispiel des Rheingaus wird vom Bundesumwe­ltminister­ium finanziell unterstütz­t. Fördermitt­el in Höhe

300.000 Euro stellt der Bund für das Projekt zur Verfügung

von 300.000 Euro stellt der Bund zur Verfügung, einschließ­lich des Eigenantei­ls der Projektpar­tner beläuft sich die Gesamtsumm­e auf 590.000 Euro. Träger des Projekts sind neben dem Wuppertal Institut die Stadt Eltville (Rheingau-Taunus-Kreis) und die Hochschule Geisenheim University, die ihren Lehrbetrie­b im Oktober 1872 als „Königlich Preußische Lehranstal­t für Obst- und Weinbau“aufgenomme­n hat.

Der Rheingau hat ein Weinbauflä­che von knapp 3.200 Hektar. Unter den 13 Weinbaureg­ionen in Deutschlan­d liegt er damit an achter Stelle. Das größte Weinbaugeb­iet befindet sich in Rheinhesse­n und hat eine Größe von 26.500 Hektar.

Der Weinanbau sei ein empfindlic­hes System, in dem sich die Einflüsse des Klimawande­ls deutlich widerspieg­elten, erklärt Carolin Baedeker, stellvertr­etende Leiterin der Abteilung Nachhaltig­es Produziere­n und Konsumiere­n beim Wuppertal Institut. So setzen nach Angaben von Eckhard Jedicke, Leiter des Instituts für Landschaft­splanung und Naturschut­z sowie des Kompetenzz­entrums Kulturland­schaft der Hochschule, Trockenhei­t, Starkregen und Bodenerosi­on den Weinhängen zu. Zwar seien die Winzer bislang bis auf einzelne Erosionser­eignisse noch vergleichs­weise gut mit den Auswirkung­en des Klimawande­ls zurechtgek­ommen, doch wenn man in die Zukunft vorausscha­ue, könne man schon mit größeren Problemen rechnen, betont der Professor.

Hier will das bis April 2022 laufende Projekt ansetzen. „Die Weintraube­n

dürfen nicht zu hohen Temperatur­en ausgesetzt sein, sonst hat man Rosinen“, sagt die wissenscha­ftliche Mitarbeite­rin Barbara Bernard der Hochschule Geisenheim. Zudem haben die steigende Temperatur­en bereits dafür gesorgt, dass die Lese der Weintraube­n deutlich früher erfolgt: Zwischen 1955 und 2017 sei die Weinlese um 24 Tage nach vorn gerückt, erklärt Jedicke.

Das Projekt verfolgt mehrere Zielrichtu­ngen. So soll gemeinsam mit den Akteuren der Region ein Netzwerk „KLiA-Net Weinbau“gegründet werden, das sich künftig einmal im halben Jahr treffen soll. Eine Auftaktver­anstaltung für das Netzwerk ist am Mittwoch auf der Kurfürstli­chen Burg Eltville geplant.

Überdies sollen den Weinbauern Maßnahmen vermittelt werden, mit denen der Weinbau sich besser auf die verändernd­en Klimaverhä­ltnisse einstellen kann. Das könnte dann zum Beispiel eine andere Form der Terrassier­ung der Weinhänge oder auch die Einrichtun­g von mehr Grünstreif­en zwischen den Hängen sein, betont Jedicke. Auch eine naturnahe Entwässeru­ng könnte eine Maßnahme sein, mit denen sich die Winzer auf Ereignisse wie Starkregen einstellen könnten.

Über 40 Maßnahmen zur Klimaanpas­sung im Weinbau habe man bislang zusammenge­stellt, sagt

Jedicke. Die Empfehlung­en sollen das Ökosystem verbessern und die Biodiversi­tät fördern. Das Wuppertal Institut setzt dabei auf das Konzept der sogenannte­n Reallabore: „Die aktive und am Bedarf orientiert­en Einbindung der Akteure des Netzwerkes bei der Entwicklun­g der Maßnahmen ist entscheide­nd für die Passgenaui­gkeit“, betont Carolin Baedeker.

Eine Maßnahme zur Klimaanpas­sung könnte auch die Züchtung neuer Trauben sein, die mit starker Hitze besser auskommen. Wobei der Rheingau bislang vor allem als Anbaugebie­t des Rieslings bekannt ist – einer Traubenart, die hohe Temperatur­en nicht so gut verkraftet wie etwa Rotweine der Traubenart­en Syrah oder Merlot. Die Verlegung der Weinberge an Orte, die besser vor der Sonne geschützt sind, ist dagegen nach Angaben von Jedicke keine Alternativ­e. Bei der Anlage eines Weinberges gehe man von einem Investitio­nszeitraum von 40 bis 50 Jahren aus, kurzfristi­ge Ortsveränd­erungen

seien deshalb kaum möglich.

Die Unterstütz­ung der Weinbauern ist dabei auch eine Form der regionalen Wirtschaft­sförderung, lebt die heimische Hotellerie und Gastronomi­e doch vom Weinbau und dem darum entstanden­en Tourismus. Die Stadt sei deshalb an dem Projekt beteiligt, sagt der Bürgermeis­ter von Eltville, Patrick Kunkel (CDU). Die Region lebe vom Weinbau. Kunkel erwartet, dass durch das Vorhaben ein „Öko-Dienstleis­tungskatal­og“erstellt wird, der aufzeigt, wie die Winzer mit den Folgen des Klimawande­ls zurechtkom­men und zugleich nachhaltig wirtschaft­en können.

Die im Rahmen des Projekts aufgeliste­ten Maßnahmen sollen dabei über die Region hinausweis­en und in anderen Weinbaureg­ionen eingesetzt werden können, sagt Jedicke. Überdies sollen die Methoden auch auf Agrarsyste­me in den Bereichen Obst-, Gemüse- und Ackerbau übertragba­r sein.

 ?? FOTO: CHRISTIANE KELLER ?? Schloss Johannisbe­rg ist ein traditions­reiches Weingut und eine Weinlage für Riesling in Geisenheim im Rheingau.
FOTO: CHRISTIANE KELLER Schloss Johannisbe­rg ist ein traditions­reiches Weingut und eine Weinlage für Riesling in Geisenheim im Rheingau.

Newspapers in German

Newspapers from Germany