Rheinische Post Viersen

„Die Gesprächsu­nfähigkeit im Land ist gefährlich“

Der Thüringer CDU-Chef über die mögliche projektbez­ogene Zusammenar­beit mit der Linken – und auch über die „Hysterie“in seiner eigenen Partei.

- KRISTINA DUNZ FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

Herr Mohring, vor einem Jahr hatten Sie Ihre Krebsdiagn­ose öffentlich gemacht. Es folgten der Kampf gegen die Krankheit und dann der Wahlkampf. Wie geht es Ihnen? MOHRING Vergleichs­weise blendend. Ich bin dankbar, dass ich wieder gesund bin.

Wie übersteht man das – einen Überlebens­kampf und gleichzeit­ig eine Landtagswa­hl?

MOHRING Es war ein unfassbare­s Jahr für mich. Im ersten Halbjahr der Kampf gegen den Krebs, im zweiten Halbjahr der politische Kampf. Dann die Wochen nach der Wahl. Die waren die anstrengen­dsten und die gnadenlose­sten. Ich habe zwischen Mitgefühl und brutaler Ablehnung alles erlebt. Manchmal von ein und derselben Person. Ein solches Jahr ist kaum aushaltbar. Das braucht man im Leben kein zweites Mal.

Was war die Anfeindung: Dass Sie mit dem Linken-Ministerpr­äsidenten Ramelow einen Kaffee trinken wollten und Ihre CDU schockten, weil diese einen Unvereinba­rkeitsbesc­hluss zur Zusammenar­beit mit Linken und AfD hat?

MOHRING Ja, da gab es eine Hysterie.

Inzwischen hat sich aus dem geplanten Kaffeetrin­ken …

MOHRING …ein Abendessen auf Einladung von Bundespräs­ident a.D. Joachim Gauck entwickelt.

Wie sieht das Menü aus?

MOHRING In Thüringen gibt es weder eine opponieren­de Minderheit noch eine regierungs­tragende Mehrheit. Unsere Verantwort­ung ist es, Neuwahlen und Stillstand zu vermeiden. Es werden sich nun von Fall zu Fall thematisch­e Mehrheiten im Parlament finden. Das ist ein Gewinn für die Demokratie. Wir werden einerseits alle parlamenta­rischen Möglichkei­ten nutzen, um den in unserem Wahlprogra­mm beschriebe­nen Markenkern umzusetzen. Gleichzeit­ig werden wir Initiative­n ergreifen, die für Thüringen besonders wichtig sind, aber keine politische­n Richtungse­ntscheidun­gen erfordern: Verlässlic­he Finanzieru­ng der Kommunen, mehr Polizisten, bessere Ausrüstung der Feuerwehr, Aufforstun­g der Wälder, Unterricht­sausfall eindämmen, Pflege stärken und ähnliches – das sind unsere Projekte.

Wie setzen Sie die um? Laut Bundes-CDU dürfen Sie keine Projekte-Regierung mit Links machen? MOHRING Rot-Rot-Grün will das Risiko der Minderheit­sregierung. Herr Ramelow hat mich aber dennoch zu einem Gespräch eingeladen, und ich werde mit ihm über die 22 Themenkomp­lexe sprechen, die aus unserer Sicht für das Land wichtig sind. Alle Leute um ihn herum stehen dem Vorschlag von Dieter Althaus zu einer Projekte-Regierung mit der CDU ablehnend gegenüber. Der Ball liegt bei ihm, ich sehe aber nicht, dass er ihn aufnimmt.

In Berlin will auch niemand, dass der Ball aufgenomme­n wird. MOHRING Für Rot-Rot-Grün und deren Ideologie gibt es keine Mehrheit. Wir haben einstimmig entschiede­n, weder Rot-Rot-Grün zu verlängern noch Herrn Ramelow zum Ministerpr­äsidenten zu wählen. Aber wir werden die Einladung zum Gespräch annehmen. Und ich stimme mich mit unserer Parteichef­in ab und bin dankbar für jeden Rat von ihr und anderen aus der Union, die unsere Situation verstehen.

War der Parteitags­beschluss falsch? MOHRING Der Beschluss ist vor der

Landtagswa­hl gefasst worden. Damals war er richtig, und das ist er im Grunde auch heute.

Auch heute?

MOHRING Die Lage hat sich verändert. Wir haben in Thüringen eine zeitlich begrenzte Sondersitu­ation. Ich lese und höre jede Wortmeldun­g. Wir entscheide­n aber hier vor Ort, wie diese Abgrenzung im Detail umzusetzen ist. Ich erwarte grundsätzl­iches Verständni­s für das, was wir machen. Und ich bin der festen Überzeugun­g: Klare Haltung und Gesprächsf­ähigkeit schließen sich nicht aus. Ich bin Christdemo­krat genug, dass ich meiner Partei keinen Schaden zufüge. Die Wähler und Bürger in Thüringen erwarten von uns Handlungsf­ähigkeit und keine Fundamenta­loppositio­n.

Was ist das Zukunftsth­ema? MOHRING Der Zusammenha­lt der Gesellscha­ft. Warum stehen sich so viele Menschen so unversöhnl­ich gegenüber, warum wird so hysterisch auf das Argument des anderen reagiert? Warum hören wir so wenig zu und sind so wenig kompromiss­bereit? Die Gesprächsu­nfähigkeit im Land ist gefährlich.

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