„Die Gesprächsunfähigkeit im Land ist gefährlich“
Der Thüringer CDU-Chef über die mögliche projektbezogene Zusammenarbeit mit der Linken – und auch über die „Hysterie“in seiner eigenen Partei.
Herr Mohring, vor einem Jahr hatten Sie Ihre Krebsdiagnose öffentlich gemacht. Es folgten der Kampf gegen die Krankheit und dann der Wahlkampf. Wie geht es Ihnen? MOHRING Vergleichsweise blendend. Ich bin dankbar, dass ich wieder gesund bin.
Wie übersteht man das – einen Überlebenskampf und gleichzeitig eine Landtagswahl?
MOHRING Es war ein unfassbares Jahr für mich. Im ersten Halbjahr der Kampf gegen den Krebs, im zweiten Halbjahr der politische Kampf. Dann die Wochen nach der Wahl. Die waren die anstrengendsten und die gnadenlosesten. Ich habe zwischen Mitgefühl und brutaler Ablehnung alles erlebt. Manchmal von ein und derselben Person. Ein solches Jahr ist kaum aushaltbar. Das braucht man im Leben kein zweites Mal.
Was war die Anfeindung: Dass Sie mit dem Linken-Ministerpräsidenten Ramelow einen Kaffee trinken wollten und Ihre CDU schockten, weil diese einen Unvereinbarkeitsbeschluss zur Zusammenarbeit mit Linken und AfD hat?
MOHRING Ja, da gab es eine Hysterie.
Inzwischen hat sich aus dem geplanten Kaffeetrinken …
MOHRING …ein Abendessen auf Einladung von Bundespräsident a.D. Joachim Gauck entwickelt.
Wie sieht das Menü aus?
MOHRING In Thüringen gibt es weder eine opponierende Minderheit noch eine regierungstragende Mehrheit. Unsere Verantwortung ist es, Neuwahlen und Stillstand zu vermeiden. Es werden sich nun von Fall zu Fall thematische Mehrheiten im Parlament finden. Das ist ein Gewinn für die Demokratie. Wir werden einerseits alle parlamentarischen Möglichkeiten nutzen, um den in unserem Wahlprogramm beschriebenen Markenkern umzusetzen. Gleichzeitig werden wir Initiativen ergreifen, die für Thüringen besonders wichtig sind, aber keine politischen Richtungsentscheidungen erfordern: Verlässliche Finanzierung der Kommunen, mehr Polizisten, bessere Ausrüstung der Feuerwehr, Aufforstung der Wälder, Unterrichtsausfall eindämmen, Pflege stärken und ähnliches – das sind unsere Projekte.
Wie setzen Sie die um? Laut Bundes-CDU dürfen Sie keine Projekte-Regierung mit Links machen? MOHRING Rot-Rot-Grün will das Risiko der Minderheitsregierung. Herr Ramelow hat mich aber dennoch zu einem Gespräch eingeladen, und ich werde mit ihm über die 22 Themenkomplexe sprechen, die aus unserer Sicht für das Land wichtig sind. Alle Leute um ihn herum stehen dem Vorschlag von Dieter Althaus zu einer Projekte-Regierung mit der CDU ablehnend gegenüber. Der Ball liegt bei ihm, ich sehe aber nicht, dass er ihn aufnimmt.
In Berlin will auch niemand, dass der Ball aufgenommen wird. MOHRING Für Rot-Rot-Grün und deren Ideologie gibt es keine Mehrheit. Wir haben einstimmig entschieden, weder Rot-Rot-Grün zu verlängern noch Herrn Ramelow zum Ministerpräsidenten zu wählen. Aber wir werden die Einladung zum Gespräch annehmen. Und ich stimme mich mit unserer Parteichefin ab und bin dankbar für jeden Rat von ihr und anderen aus der Union, die unsere Situation verstehen.
War der Parteitagsbeschluss falsch? MOHRING Der Beschluss ist vor der
Landtagswahl gefasst worden. Damals war er richtig, und das ist er im Grunde auch heute.
Auch heute?
MOHRING Die Lage hat sich verändert. Wir haben in Thüringen eine zeitlich begrenzte Sondersituation. Ich lese und höre jede Wortmeldung. Wir entscheiden aber hier vor Ort, wie diese Abgrenzung im Detail umzusetzen ist. Ich erwarte grundsätzliches Verständnis für das, was wir machen. Und ich bin der festen Überzeugung: Klare Haltung und Gesprächsfähigkeit schließen sich nicht aus. Ich bin Christdemokrat genug, dass ich meiner Partei keinen Schaden zufüge. Die Wähler und Bürger in Thüringen erwarten von uns Handlungsfähigkeit und keine Fundamentalopposition.
Was ist das Zukunftsthema? MOHRING Der Zusammenhalt der Gesellschaft. Warum stehen sich so viele Menschen so unversöhnlich gegenüber, warum wird so hysterisch auf das Argument des anderen reagiert? Warum hören wir so wenig zu und sind so wenig kompromissbereit? Die Gesprächsunfähigkeit im Land ist gefährlich.