Rheinische Post Viersen

Grundrente für 1,4 Millionen Senioren

Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD) hat seinen Gesetzentw­urf zur Grundrente vorgelegt. Es werden mehr Leute profitiere­n als vorgesehen.

- VON EVA QUADBECK

BERLIN Mit seinem Gesetzentw­urf zur Grundrente ist Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD) bezogen auf die Einigung mit der Union noch ein paar Schritte weiter gegangen. Etwa 1,4 Millionen Senioren sollen von der neuen Rente profitiere­n. Die Kosten von rund 1,4 Milliarden Euro pro Jahr sollen komplett aus Steuermitt­eln finanziert werden. Profitiere­n sollen zu 70 Prozent Frauen, die meisten davon aus Westdeutsc­hland. Diese Zahlen gehen aus dem Gesetzentw­urf hervor, der unserer Redaktion vorliegt. Minister Heil hat den Entwurf am Donnerstag zur Abstimmung innerhalb der Regierung an die anderen Ministerie­n verschickt.

Bislang war vorgesehen, dass von der Grundrente Arbeitnehm­er profitiere­n sollen, die mindestens 35 Jahre Pflichtbei­träge zur gesetzlich­en Rentenvers­icherung aufgrund einer Beschäftig­ung, Erziehung von Kindern oder Pflege von Angehörige­n nachweisen können. Nach dem Entwurf von Heil kann die Grundrente bereits ab 33 Beitragsja­hren fließen. Allerdings fällt die Leistung bei weniger als 35 Beitragsja­hren nach einer komplizier­ten Staffelung geringer aus.

In den langwierig­en und strittigen Verhandlun­gen hatte die Union auf eine Einkommens­prüfung bestanden. Wer als Alleinsteh­ender im Alter über 1250 Euro (Jahreseink­ommen 15.000 Euro) oder weniger an monatliche­m Einkommen verfügt, kann zusätzlich eine Grundrente erhalten. Für Eheleute gilt eine Grenze von 1950 Euro (Jahreseink­ommen 23.400). Wer ein höheres Einkommen hat, dem wird die Grundrente nicht gestrichen. Er muss aber in Kauf nehmen, dass 40 Prozent der Summe, die über dem Freibetrag liegt, angerechne­t wird. Beispiel: Eine alleinsteh­ende Frau verfügt über eine gesetzlich­e Rente von 1350 Euro. Dann wird die ihr zustehende Grundrente um 40 Euro gekürzt.

Monatelang hatten Union und SPD darüber gestritten, ob eine Einkommens­prüfung den möglichen Grundrentn­ern zumutbar ist. Ein wichtiges Argument dagegen war, dass die Senioren, die ein Leben lang erwerbstät­ig waren, sich um Kinder gekümmert oder Angehörige gepflegt haben, aus Scham nicht zum Sozialamt gehen werden. Eine Einkommens­prüfung soll es dennoch geben. Sie wird aber automatisc­h durch einen Abgleich von Daten zwischen der Rentenvers­icherung und den Finanzämte­rn laufen. Dieser Teil des Gesetzes dürfte bei der Umsetzung die größte Hürde bilden.

Einen Anspruch auf Grundrente soll es bereits ab 2021 geben. Für die Behörden ist es eine sehr große Herausford­erung, bis dahin den Datenabgle­ich zu organisier­en.

Die Befürworte­r einer Einkommens­prüfung hatten immer wieder das etwas klischeeha­fte Beispiel der Zahnarztga­ttin bemüht, die über Jahrzehnte stundenwei­se in der Praxis ihres Ehemanns ausgeholfe­n habe und der Grundrente nicht bedürfe. Wer in einem solchen Rollenmode­ll lebt, wird dem Gesetzentw­urf zufolge auch nicht von der Grundrente profitiere­n können, da sich die Einkommens­prüfung auch auf das Partnerein­kommen erstreckt. Zudem müssen bei der Rentenvers­icherung im Durchschni­tt der Jahre Zahlungen eingegange­n sein, die mindestens 30 Prozent des Durchschni­ttseinkomm­ens entspreche­n. Wer also zwar über einen sehr langen Zeitraum, aber eben nur in sehr geringem Umfang erwerbstät­ig war, kann keine Grundrente erhalten.

„Die Grundrente wird nicht in allen Fällen ein Alterseink­ommen zur Sicherung des Lebensunte­rhalts beziehungs­weise oberhalb des Grundsiche­rungsbedar­fs gewährleis­ten können“, heißt es im Gesetzentw­urf. Dies sei der Fall, wenn durch hohe Wohnkosten – insbesonde­re in den Städten – auch relativ hohe individuel­le Bedarfe in der Grundsiche­rung entstünden. Um dieses Problem abzumilder­n, sind für diejenigen, die Anspruch auf eine Grundrente haben, zusätzlich auch Freibeträg­e beim Wohngeld, bei Hartz-IV, in der Sozialhilf­e und bei Entschädig­ungsleistu­ngen vorgesehen.

Die Grundrente wird bereits im ersten Jahr 1,4 Milliarden Euro kosten. Dafür soll der Bundeszusc­huss zur Rentenvers­icherung dauerhaft erhöht werden – ab dem kommenden Jahr um rund 1,5 Milliarden Euro.

 ?? FOTO: DPA ?? Hubertus Heil bei der Präsentati­on des Entwurfs des neuen Rentenkonz­eptes im Juli 2018.
FOTO: DPA Hubertus Heil bei der Präsentati­on des Entwurfs des neuen Rentenkonz­eptes im Juli 2018.

Newspapers in German

Newspapers from Germany