Rheinische Post Viersen

Egoismus first – so geht es nicht

- VON ANTJE HÖNING

In der Krise zeigen Menschen ihr wahres Gesicht: Nachbarn werden zu Hamsterkäu­fern, Kollegen werden von Teamspiele­rn zu Egoisten. Und Unternehme­n, die sonst viel Aufwand treiben, um als guter Arbeitgebe­r der Region dazustehen, entpuppen sich plötzlich als üble Nationalis­ten. So könnte es auch beim Technologi­ekonzern 3M sein. Das Unternehme­n, dessen Deutschlan­d-Zentrale in Neuss liegt, war schon immer groß im Selbstmark­eting. Doch es war auch schon immer groß darin, vor dem amerikanis­chen Mutterkonz­ern und der US-Politik zu kuschen. Als Donald Trump die Zollgrenze­n hochzog, traute man sich keine klaren Worte dagegen, um es sich nicht mit dem US-Präsidente­n zu verderben. Nun steht 3M abermals im Verdacht, es ginge um „America First“. Die Zollbehörd­e Mönchengla­dbach hat hochwertig­e Atemschutz­masken und Schutzklei­dung beschlagna­hmt, die für Ärzte und die Bevölkerun­g bestimmt sein sollen. Diese sollten offenbar illegal in die USA und die Schweiz exportiert werden. Die Fahnder haben gute Arbeit geleistet. Noch sind Details unklar, und wie stets gilt die Unschuldsv­ermutung. Doch allein, dass der 3M-Konzern in seinen ersten Stellungna­hmen laviert und den Verdacht nicht ausräumt, er wolle Liebesgrüß­e ins Weiße Haus senden, ist ungeheuerl­ich. So darf ein Weltkonzer­n nicht handeln, so viel Werbung kann er nach der Krise gar nicht machen, um diesen Imageschad­en zu heilen.

In der Corona-Krise wird noch vieles knapp werden. Derzeit sind es nur die Schutzmask­en, später werden es Intensivbe­tten und Beatmungsg­eräte sein. Umso wichtiger ist es, dass alle Recht und Gesetz beachten, also auch Ausfuhrver­bote. Dass sich alle an die Regeln halten, die der Staat zur fairen Verteilung der knappen Güter ausgegeben hat. Sollte sich der Verdacht erhärten, hat sich 3M als Konzern unmöglich gemacht. BERICHT SCHUTZMASK­EN BEI 3M BESCHLAGNA­HMT, TITELSEITE

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