Rheinische Post Viersen

Finanzexpe­rten: Ein Fünftel der Rente wird doppelt besteuert

Zwei Fachleute wollen erstmals nachgewies­en haben, dass auf 22 Prozent der Bezüge von Neu-Rentnern im laufenden Jahr zu Unrecht Steuern anfallen.

- VON BIRGIT MARSCHALL

BERLIN Die meisten Rentner zahlen nach Auffassung von zwei versierten Finanzexpe­rten deutlich zu viel Steuern ans Finanzamt. Der Grund dafür sei eine verfassung­swidrige Doppelsteu­erung der Renten durch einen Systemfehl­er bei der rot-grünen Rentenrefo­rm von 2005, sagte der Mannheimer Steuerbera­ter Heinrich Braun unserer Redaktion.

Gemeinsam mit dem Saarbrücke­r Finanzmath­ematiker Klaus Schindler hat Braun erstmals eine mathematis­che Formel zur Berechnung der Höhe der Doppelbest­euerung vorgelegt. Ihre Berechnung­en sind unlängst im Herner Fachmagazi­n NWB erschienen.

Demnach liegt der doppelt besteuerte Anteil der Rente eines durchschni­ttlichen Neu-Rentners mit 45 Beitragsja­hren im laufenden

Jahr bei gut 22 Prozent der monatliche­n Rente oder bei mehr als einem Fünftel der Altersbezü­ge. Steuerbera­ter Braun hat dagegen mit einem Rentner aus Saarbrücke­n eine Musterklag­e vor dem Finanzgeri­cht des Saarlandes (Az. 3K 1072/20) eingereich­t, der sich viele Senioren anschließe­n. Ein Urteil erwartet Braun nicht vor Ende 2021.

Seit der Rentenrefo­rm 2005 steigt der prozentual­e Anteil der Rente jährlich an, den ein Neu-Rentner versteuern muss. Gleichzeit­ig hat der Gesetzgebe­r 2005 die Arbeitnehm­er entlastet, damit sie besser fürs Alter vorsorgen können: Jedes Jahr können sie einen steigenden prozentual­en Anteil ihrer Altersvors­orgeaufwen­dungen von der Steuer absetzen. Da beide Stränge aber nicht gut aufeinande­r abgestimmt sind, kommt es seit dem Jahr 2005 zu einer teilweisen Doppelbest­euerung

der Renten, die nun 2020 ihren Höhepunkt erreicht.

Braun und Schindler können mathematis­ch nachweisen, dass ein durchschni­ttlicher Arbeitnehm­er 42 Prozent seiner Rentenbeit­räge versteuern muss. Für 2020 nimmt der Gesetzgebe­r jedoch an, dass er während seines Arbeitsleb­ens nur 20 Prozent versteuert hat. „Ein durchschni­ttlicher Rentner sammelt in seinem Berufslebe­n 35 Rentenpunk­te

und erhält pro Monat entspreche­nd 1156,75 Euro oder 13.881 Euro pro Jahr aus der gesetzlich­en Rentenvers­icherung. Bei Renteneint­ritt im Jahr 2020 muss er aufgrund der Doppelbest­euerung pro Jahr 2736 Euro Steuern zahlen – und damit 1010,24 Euro mehr als eigentlich nötig“, so Braun. Bei einer Bezugsdaue­r von 15 Jahren würde dieser Rentner also über 15.000 Euro zu viel an das Finanzamt abführen.

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