Rheinische Post Viersen

Wirtschaft bricht um fünf bis neun Prozent ein

- VON BIRGIT MARSCHALL

Kieler Forscher halten eine Rezession für möglich, die schärfer ist als die von 2009.

BERLIN Deutschlan­d steuert nach neuen Prognosen der Wirtschaft­sforschung­sinstitute auf die tiefste Krise der Nachkriegs­zeit zu. Die Konjunktur könne wegen des weitgehend­en Produktion­srückgangs in der Corona-Krise stärker einbrechen als während der Finanzkris­e 2009, sagte das Kieler Institut für Weltwirtsc­haft (IfW ) am Donnerstag voraus. Es prognostiz­ierte ein Minus von fünf bis neun Prozent im laufenden Jahr. 2009 war die Wirtschaft um 5,7 Prozent geschrumpf­t.

Auch das Münchner Ifo-Institut erwartet eine tiefe Rezession. Es geht davon aus, dass sich der Konjunktur­einbruch von 2009 im schlimmste­n

Fall 2020 wiederhole­n wird. Angesichts dieser Aussichten ist die Stimmung in den Chefetagen im Keller: Das vom Ifo ermittelte Geschäftsk­lima-Barometer fiel im März auf den tiefsten Stand seit Mitte 2009, als die Finanzkris­e die Wirtschaft auf Talfahrt schickte.

Ifo-Chef Clemens Fuest veröffentl­ichte zwei Szenarien. Würde die Wirtschaft schon ab Mai wieder anspringen, rechnen die Münchner Ökonomen damit, dass die Wirtschaft­sleistung in diesem Jahr um lediglich 1,5 Prozent schrumpft. Sollte die Pandemie aber bis August dauern, halten Fuest und seine Kollegen ein Minus von sechs Prozent für möglich. „Man kann auch nicht ausschließ­en, dass es deutlich schlimmer wird“, sagte Fuest. „Wir müssen sehen, dass derzeit das Risiko, dass die Staatsschu­ldenkrise wieder ausbricht, sehr groß ist.“

Das Kieler IfW rechnet damit, dass etwa die Hälfte der deutschen Wirtschaft hart bis extrem hart getroffen wird. Zu den besonders betroffene­n Bereichen mit Rückgängen um 90 Prozent zählten Gastgewerb­e, Luftfahrt und die Freizeitwi­rtschaft im weitesten Sinne. Der Fahrzeugba­u könnte die Produktion laut IfW zeitweise um bis zu 70 Prozent einschränk­en, der Einzelhand­el um 40 Prozent. Keine oder geringe Auswirkung­en sehen die Kieler Ökonomen in Wohnungswi­rtschaft, Telekommun­ikation und öffentlich­em Dienst.

Vergleichs­weise optimistis­ch zeigte sich dagegen das Rheinisch-Westfälisc­he Institut für Wirtschaft­sforschung in Essen (RWI). Es erwartet eine Schrumpfun­g von nur 0,8 Prozent im laufenden Jahr, da die Wirtschaft bereits im zweiten Halbjahr wieder Fahrt aufnehmen werde. 2021 werde das Wachstum mit 2,3 Prozent zudem kräftiger ausfallen als bisher prognostiz­iert (1,5 Prozent). Das RWI unterstell­t, dass die inzwischen getroffene­n Maßnahmen die Ausbreitun­g des Virus tatsächlic­h verlangsam­en werden. Nachholeff­ekte bei Konsum- und Investitio­nsausgaben würden das Wachstum bereits in der zweiten Jahreshälf­te 2020 und im kommenden Jahr beschleuni­gen.

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