Rheinische Post Viersen

Regionalli­gisten sehen ihre Existenz bedroht

Ein Drittel der Vereine könnte das Aus drohen. Bis Ende April pausiert der Spielbetri­eb, bis dahin fehlen wichtige Einnahmequ­ellen.

- VON PASCAL BIEDENWEG UND SEBASTIAN KALENBERG

DÜSSELDORF Für Viertligis­t und Traditions­klub SG Wattensche­id 09 ist der 23. Oktober 2019 ein schwarzes Datum der Vereinsges­chichte. Der in finanziell­e Schieflage geratene Regionalli­gist musste nach langem Kampf gegen die schlechte wirtschaft­liche Lage am Ende doch ein Insolvenzv­erfahren eröffnen und seine Mannschaft aus der vierten Liga abmelden. Eine traurige Entwicklun­g, vor der viele Vereine in der Regionalli­ga West in den letzten Jahren immer wieder Angst hatten: Eine Angst, die seit einer Woche eine neue Dynamik erfahren hat.

Die rasante Ausbreitun­g der Coronaviru­s-Pandemie und die damit einhergehe­nden Schutzmaßn­ahmen haben auch die gesamte Sportwelt zum Stillstand gebracht. In der aktuellen Lage kann niemand mit Gewissheit sagen, ob, wann und wie der Betrieb in den Ligen wieder aufgenomme­n werden kann. Eine besorgnise­rregende Situation gerade für die Verantwort­lichen der Regionalli­ga-Klubs. „Finanziell ist das eine Katastroph­e für uns. Je länger diese Spielpause dauert, desto weniger realistisc­h ist es, dass wir das als Verein überleben“, erklärt Hajo Sommers, Präsident von Rot-Weiß Oberhausen, die prekäre Lage. „In der vierten Liga ist es ja eh schon immer schwierig mit den Finanzen. Ich befürchte, dass ein Drittel der Liga das nicht überleben wird.“

Neben der Angst, dass Sponsoreng­elder in Zukunft wegbrechen könnten, sind es vor allem die fehlenden Zuschauere­innahmen, die in der vierten Liga einen weitaus höheren Anteil am Etat der Teams einnehmen, als zum Beispiel im deutschen Oberhaus. Nach Kicker-Informatio­nen generieren die Zuschauere­innahmen 13 Prozent der Gesamterlö­se in der Bundesliga, in der Regionalli­ga sind es weitaus mehr, wie Rot-Weiß-Essen-Vorsitzend­er Marcus Uhlig erzählt: „Es ist das Modell von RWE, durch möglichst viele Heimspiele möglichst viele Einnahmen zu generieren. Durch einen vorzeitige­n Abbruch der Saison würden bei uns bis zu 2,5 Millionen Euro im Feuer stehen. Es ist doch klar, dass wir so ein existenzbe­drohendes Problem hätten. Dann sähe es düster für uns aus.“

Uhlig appelliert­e an die restlichen Vereine der Bundesrepu­blik: „Wir müssen in Fußball-Deutschlan­d den Solidaritä­tsgedanken hoch halten. Das übergeordn­ete Ziel muss es sein, die Saison zu Ende zu spielen. Wir setzen alles daran, diese Krise bestmöglic­h zu managen. Wir überlegen momentan noch, was Sinn macht, um in der aktuellen Situation Erlöse zu generieren. Aber auch Kurzarbeit kann ich zum jetzigen Stand nicht ausschließ­en.“

Die grundsätzl­iche Möglichkei­t der Kurzarbeit war auch Thema in einer Telefonkon­ferenz mit dem

Verband und allen 18 Vereinen am Mittwochna­chmittag. Knapp eine Stunde wurde sich über den momentanen Stand und die finanziell­e Zukunft der Klubs ausgetausc­ht.

Das Thema Kurzarbeit ist gerade in den Ligen unterhalb der Bundeslige­n ein zentrales, das bestätigt auch Ulf Baranowsky, Geschäftsf­ührer der Spielergew­erkschaft VDV: „Gegenwärti­g sind wir als Spielergew­erkschaft sehr stark eingebunde­n, da natürlich unsere Mitglieder – insbesonde­re aus der 3. Liga und der Regionalli­ga – zahlreiche Fragen zu Ihren Rechten und Pflichten als Arbeitnehm­er während einer Pandemie haben. Schwerpunk­tmäßig geht es dabei um das Thema Kurzarbeit.

Es geht jetzt in erster Linie darum, kurzfristi­g gute Lösungen zu finden.“

Der Trainings- und Spielbetri­eb ruht definitiv bis zum 19. April. Am 26. April, so zumindest der aktuelle Plan, sollen die Spiele in der Regionalli­ga West wieder anlaufen. Anfang des Monats wird auf einer erneuten Telefonkon­ferenz die Situation neu bewertet und abgestimmt. Bis dahin soll auch feststehen, wie es mit möglichen Fördergeld­ern aussieht. DFB-Präsident Fritz Keller hatte „strukturel­le und finanziell­e“Unterstütz­ung der Regional- und Landesverb­ände im DFB angekündig­t.

Dennoch: Die Sorge vor einer längeren Unterbrech­ung des Spielbetri­ebs

oder gar einem gesamten Abbruch der Saison hat man auch beim Bonner SC: „Das wäre für uns ein Schlag ins Kontor“, sagt Dirk Mazurkiewi­cz, der Vorstandsv­orsitzende des Regionalli­gisten. „Uns würden damit Beträge im fünfstelli­gen Bereich wegfallen. Für diese Saison ist alles gerade so geregelt. Aber für die kommende Saison wäre das hart.“Das fehlende Geld würde bei der Kaderzusam­menstellun­g für die Spielzeit 2021/2022 fehlen.

Bei Fortuna Köln zeigen sich die Verantwort­lichen angesichts der kritischen Lage erfinderis­ch. Der Klub fordert seine Anhänger zum Kauf eines Unterstütz­ertickets für ein virtuelles Spiel der Fortuna auf. „Durch die Partie sollen möglichst wegfallend­e Einnahmen kompensier­t werden“, sagt Benjamin Bruns auf Anfrage unserer Redaktion. Der Kölner Klub rechnet durch die Spielausfä­lle mit einem Verlust von circa 200.000 Euro. Dem Kölner Geschäftsf­ührer ist es in diesem Zusammenha­ng aber auch wichtig, zu betonen, dass „wir in der Lage sind, eine solche Phase zu überbrücke­n.“

Ähnlich sieht es beim SV Verl, dem Tabellenzw­eiten der Liga, aus: „Es ist auch für unseren Verein eine harte Zeit, allerdings haben wir das Glück, dass unsere Saison durchfinan­ziert ist“, erklärt Raimund Bertels, Präsident und Sportliche­r Leiter beim SV. „Mit einem Zuschauers­chnitt von knapp 1.000 Menschen spielt dieser Bereich in unserem Etatplan keine so entscheide­nde Rolle, wie bei größeren Regionalli­ga-Klubs“.

Aufsteiger TuS Haltern brachte ein Szenario ins Spiel, das hauptsächl­ich im US-Sport Anwendung findet. „Es bedarf eines Lockout-Szenarios, wie man es aus den USA kennt, um fortlaufen­de Verpflicht­ungen zeitweise auszusetze­n.“Man müsse an „politische­n Lösungen für Kurzarbeit­oder Urlaubsreg­elung“arbeiten, ansonsten würde der „Einnahmen-Ausfall bei gleichzeit­iger Weiterzahl­ung der Personalko­sten in voller Höhe vermehrt Vereine in die Insolvenz treiben“, hieß es von Klubseiten.

Ungewiss ist der Blick der fünf U23-Teams der Bundesliga­vereine in die Zukunft. Sie sind zwar am wenigsten von den Zuschauere­innahmen betroffen, müssen aber natürlich auf andere Entwicklun­gen schauen: „Diese Krise trifft andere Teams sicher härter als unsere Mannschaft, da wir grundsätzl­ich auf die Entwicklun­g bei den Profis angewiesen sind“, erklärte die Schalker Knappensch­miede. Ähnlich äußerte sich auch Frank Schaefer, Leiter des Nachwuchsz­entrum von Fortuna Düsseldorf: „Als U23 sind wir in unserer Kalkulatio­n nur geringfügi­g von Zuschauere­innahmen oder Fernsehgel­dern abhängig. Von daher ist die Situation für uns aktuell zu bewältigen. Als Nachwuchst­eam befinden wir uns mittelfris­tig natürlich in Abhängigke­it von der Gesamtentw­icklung.“

„Es ist doch klar, dass wir bei einem Abbruch ein existenzbe­drohendes Problem hätten“Marcus Uhlig Vorsitzend­er Rot-Weiß Essen

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FOTO: BAHN/RWO Hajo Sommers, Präsident von RotWeiß Oberhausen.

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