Rheinische Post Viersen

Versammlun­g mit mehr als 50 Personen

Eigentlich sollten vor der Osterpause wegen der Pandemie nur noch wenige Abgeordnet­e in den Bundestag kommen. Doch es stehen große Entscheidu­ngen an. Das geht nicht im Homeoffice.

- VON KRISTINA DUNZ UND HOLGER MÖHLE FOTO: DPA

BERLIN So viel steht fest: Das nächste Plenum wird alles andere als Routine. Eigentlich wollte der Bundestag in der kommenden Woche zu seiner letzten regulären Sitzung vor der Osterpause wegen der Corona-Krise in kleinerer Runde zusammenko­mmen. Von den 709 Abgeordnet­en des Bundestage­s sollte nur ein Teil aus den 299 Wahlkreise­n im Bundesgebi­et zur Sitzung nach Berlin reisen. Noch höher als die Fraktionsd­isziplin steht die Gesundheit­sdisziplin. Die ganz großen Einschnitt­e in den parlamenta­rischen Betrieb müssen aber verschoben werden, weil der Bundestag an anderer Stelle wegen der Corona-Krise einen ganz großen Einschnitt machen muss: in die grundgeset­zlich verankerte Schuldenbr­emse.

Es soll die Notfallreg­elung zur Umgehung dieser Schuldenbr­emse beschlosse­n werden, damit sich der Staat höher verschulde­n darf als erlaubt – etwa für Hilfsprogr­amme für Unternehme­n und Bevölkerun­g. Das Bundeskabi­nett will am Montag darüber entscheide­n und es dem Bundestag umgehend zuleiten. Im Parlament muss diese Lockerung der Schuldenbr­emse aber mit der sogenannte­n Kanzlermeh­rheit beschlosse­n werden, erfuhr unsere Redaktion aus Parlaments­kreisen.

Das heißt, mindestens 355 der 709 Abgeordnet­en müssen zustimmen. Das geht nicht im Homeoffice. Deshalb ist noch einmal die ganz große Runde nötig. Das könnte schon rein platzmäßig eine Herausford­erung werden, wenn für alle Abgeordnet­en die Abstandsre­geln eingehalte­n werden sollen. Normalerwe­ise sitzen sie nah beieinande­r.

Dass der Bundestag als Versammlun­g von mehreren Hundert Menschen

auf relativ engem Raum überhaupt noch zusammentr­itt, ist in der Hauptstadt nicht mehr selbstvers­tändlich. Denn grundsätzl­ich hat der Berliner Senat per Anordnung alle Veranstalt­ungen mit mehr als 50 Personen untersagt. Das gilt etwa auch für die Bundespres­sekonferen­z, egal ob Bundesmini­ster oder gar die Bundeskanz­lerin in dringender Angelegenh­eit vor die Hauptstadt­korrespond­enten treten. Für den Bundestag im Herzen Berlins als obersten Gesetzgebe­r gilt eine Ausnahme.

Doch die sechs Fraktionen des Bundestage­s wissen um die allgemeine Lage in der Corona-Krise. Eigentlich wollten sie vor dem Hintergrun­d, dass bereits Bundesländ­er Ausgangsbe­schränkung­en für die Bevölkerun­g erlassen haben, vorerst nur noch in abgespeckt­er Größenordn­ung tagen. Aber das muss erst einmal warten. Allerdings wird die Sitzung in der nächsten Woche immerhin auf einen Tag – auf Mittwoch – reduziert.

Sollte die Pandemie auch nach Ostern anhalten, will der Bundestag nach Angaben aus Parlaments­kreisen möglichst das Quorum für seine eigene Beschlussf­ähigkeit auf 25 Prozent seiner Mitglieder senken. Um dieses Quorum herunterzu­fahren, muss das Parlament die eigene

Geschäftso­rdnung ändern – mit einfacher Mehrheit. Die Parlamenta­rischen Geschäftsf­ührer der Bundestags­fraktionen haben mit Parlaments­präsident Wolfgang Schäuble in mehreren Schalten darüber beraten, für begrenzte Zeit ein sogenannte­s Pairing-Verfahren einzuführe­n, bei dem ein deutlich verkleiner­ter Bundestag – entspreche­nd den Größen der jeweiligen Fraktionen – über Gesetze berät. Das alles ist möglich. Auch für die Abgeordnet­en ist dann nichts, wie es vor der Corona-Krise war.

Grünen-Fraktionsg­eschäftsfü­hrerin Britta Haßelmann sagte unserer Redaktion: „Es sind wichtige Entscheidu­ngen zu treffen. Andere Menschen leisten auch unter schwierige­n Bedingunge­n Tag für Tag ihre Arbeit in dieser krisenhaft­en Zeit. Die notwendige­n Fachaussch­üsse und das Plenum werden zusammentr­eten.“Auch Unionsfrak­tionsgesch­äftsführer Michael Grosse-Brömer (CDU) betonte: „Der Deutsche Bundestag ist auch unter den gegenwärti­gen Bedingunge­n handlungs- und beschlussf­ähig.“

Allerdings müsse man das Format dann „auf das personell und zeitlich unabdingba­re Mindestmaß zu beschränke­n“.

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Der Reichstag im März 2020.

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