Versammlung mit mehr als 50 Personen
Eigentlich sollten vor der Osterpause wegen der Pandemie nur noch wenige Abgeordnete in den Bundestag kommen. Doch es stehen große Entscheidungen an. Das geht nicht im Homeoffice.
BERLIN So viel steht fest: Das nächste Plenum wird alles andere als Routine. Eigentlich wollte der Bundestag in der kommenden Woche zu seiner letzten regulären Sitzung vor der Osterpause wegen der Corona-Krise in kleinerer Runde zusammenkommen. Von den 709 Abgeordneten des Bundestages sollte nur ein Teil aus den 299 Wahlkreisen im Bundesgebiet zur Sitzung nach Berlin reisen. Noch höher als die Fraktionsdisziplin steht die Gesundheitsdisziplin. Die ganz großen Einschnitte in den parlamentarischen Betrieb müssen aber verschoben werden, weil der Bundestag an anderer Stelle wegen der Corona-Krise einen ganz großen Einschnitt machen muss: in die grundgesetzlich verankerte Schuldenbremse.
Es soll die Notfallregelung zur Umgehung dieser Schuldenbremse beschlossen werden, damit sich der Staat höher verschulden darf als erlaubt – etwa für Hilfsprogramme für Unternehmen und Bevölkerung. Das Bundeskabinett will am Montag darüber entscheiden und es dem Bundestag umgehend zuleiten. Im Parlament muss diese Lockerung der Schuldenbremse aber mit der sogenannten Kanzlermehrheit beschlossen werden, erfuhr unsere Redaktion aus Parlamentskreisen.
Das heißt, mindestens 355 der 709 Abgeordneten müssen zustimmen. Das geht nicht im Homeoffice. Deshalb ist noch einmal die ganz große Runde nötig. Das könnte schon rein platzmäßig eine Herausforderung werden, wenn für alle Abgeordneten die Abstandsregeln eingehalten werden sollen. Normalerweise sitzen sie nah beieinander.
Dass der Bundestag als Versammlung von mehreren Hundert Menschen
auf relativ engem Raum überhaupt noch zusammentritt, ist in der Hauptstadt nicht mehr selbstverständlich. Denn grundsätzlich hat der Berliner Senat per Anordnung alle Veranstaltungen mit mehr als 50 Personen untersagt. Das gilt etwa auch für die Bundespressekonferenz, egal ob Bundesminister oder gar die Bundeskanzlerin in dringender Angelegenheit vor die Hauptstadtkorrespondenten treten. Für den Bundestag im Herzen Berlins als obersten Gesetzgeber gilt eine Ausnahme.
Doch die sechs Fraktionen des Bundestages wissen um die allgemeine Lage in der Corona-Krise. Eigentlich wollten sie vor dem Hintergrund, dass bereits Bundesländer Ausgangsbeschränkungen für die Bevölkerung erlassen haben, vorerst nur noch in abgespeckter Größenordnung tagen. Aber das muss erst einmal warten. Allerdings wird die Sitzung in der nächsten Woche immerhin auf einen Tag – auf Mittwoch – reduziert.
Sollte die Pandemie auch nach Ostern anhalten, will der Bundestag nach Angaben aus Parlamentskreisen möglichst das Quorum für seine eigene Beschlussfähigkeit auf 25 Prozent seiner Mitglieder senken. Um dieses Quorum herunterzufahren, muss das Parlament die eigene
Geschäftsordnung ändern – mit einfacher Mehrheit. Die Parlamentarischen Geschäftsführer der Bundestagsfraktionen haben mit Parlamentspräsident Wolfgang Schäuble in mehreren Schalten darüber beraten, für begrenzte Zeit ein sogenanntes Pairing-Verfahren einzuführen, bei dem ein deutlich verkleinerter Bundestag – entsprechend den Größen der jeweiligen Fraktionen – über Gesetze berät. Das alles ist möglich. Auch für die Abgeordneten ist dann nichts, wie es vor der Corona-Krise war.
Grünen-Fraktionsgeschäftsführerin Britta Haßelmann sagte unserer Redaktion: „Es sind wichtige Entscheidungen zu treffen. Andere Menschen leisten auch unter schwierigen Bedingungen Tag für Tag ihre Arbeit in dieser krisenhaften Zeit. Die notwendigen Fachausschüsse und das Plenum werden zusammentreten.“Auch Unionsfraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer (CDU) betonte: „Der Deutsche Bundestag ist auch unter den gegenwärtigen Bedingungen handlungs- und beschlussfähig.“
Allerdings müsse man das Format dann „auf das personell und zeitlich unabdingbare Mindestmaß zu beschränken“.