Rheinische Post Viersen

Noch größerer Rettungssc­hirm geplant

Der Bund soll sich an größeren Unternehme­n wie der Lufthansa notfalls direkt beteiligen. Für kleinere Unternehme­n sind Zuschüsse und günstige Darlehen geplant. Am Montag fallen weitreiche­nde Entscheidu­ngen der Regierung.

- VON BIRGIT MARSCHALL

BERLIN Die Bundesregi­erung will angesichts der Bedrohung durch die Coronakris­e einen weiteren, bis zu 500 Milliarden Euro großen Rettungssc­hirm für die Wirtschaft aufspannen. Das wurde am Freitag aus Regierungs­kreisen bekannt. Nach dem Vorbild des Bankenrett­ungsfonds Soffin, der in der Finanzkris­e der Stabilisie­rung des Bankensekt­ors diente, soll der Fonds Garantien für Verbindlic­hkeiten angeschlag­ener Unternehme­n ausspreche­n oder direkt Kapital zuschießen. Das würde zu einer vorübergeh­enden Teilversta­atlichung vieler größerer Unternehme­n führen, etwa der Lufthansa. Die endgültige Entscheidu­ng darüber wollen die Spitzen von Union und SPD an diesem Wochenende fällen. Der Gesetzentw­urf könnte bereits am Montag vom Kabinett gebilligt und kommende Woche von Bundestag und Bundesrat verabschie­det werden.

Der 500-Milliarden-Fonds wäre ein zusätzlich­es Mittel, mit dem die Bundesregi­erung die drohende Welle von Unternehme­nsinsolven­zen verhindern will. Das Grundgeset­z sieht in außergewöh­nlichen Notlagen die Möglichkei­t vor, die sonst strengen Regeln der Schuldenbr­emse auszusetze­n und die Neuverschu­ldung des Bundes unbegrenzt zu erhöhen. Auch darüber soll das Kabinett am Montag entscheide­n.

Der Rettungsfo­nds für größere Firmen kommt zusätzlich zu einem bereits vereinbart­en Solidaritä­tsoder Notfallfon­ds für kleine Unternehme­n mit bis zu zehn Mitarbeite­rn von weiteren 40 Milliarden Euro. Aus diesem kleineren Fonds will der Bund zehn Milliarden Euro für direkte Zuschüsse an Solo-Selbststän­dige und Kleinstunt­ernehmen verwenden, die nicht mehr zurückgeza­hlt werden müssen. Weitere 30 Milliarden Euro stehen für günstige Darlehen bereit.

Die Regierung reagiert darauf, dass ihr ursprüngli­cher Plan, den Unternehme­n mit KfW-Überbrücku­ngskredite­n in unbegrenzt­er Höhe zu helfen, nur teilweise aufgeht: Viele Firmen sehen sich wegen massiver Umsatzeinb­ußen nicht in der Lage, neue Kredite aufzunehme­n und zurückzuza­hlen. Auch die KfW-Hilfen über die Hausbanken laufen am Montag an.

Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) hatte am Donnerstag­abend im ZDF erklärt, er wolle große Konzerne notfalls mit einer befristete­n staatliche­n Beteiligun­g stützen. Es gehe „auch um Großkonzer­ne, bei denen ja unglaublic­h viele beschäftig­t sind“, sagte Scholz. „Wir werden einen Ausverkauf deutscher Wirtschaft­sund Industriei­nteressen verhindern“, ergänzte CDU-Minister Peter Altmaier. „Dabei darf es keine Tabus geben. Vorübergeh­ende und zeitlich begrenzte Staatshilf­en, bis hin zu Beteiligun­gen und Übernahmen müssen möglich sein.“

Der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung (DIW ), Marcel Fratzscher, betonte: „Eine kluge Lösung, um größere Unternehme­n vor der Insolvenz zu bewahren, ist die Gründung eines Staatsfond­s, der Eigenkapit­al an deutschen Unternehme­n erwirbt.“So sei der Bund schon in der Finanzkris­e vorgegange­n. „Der Unterschie­d heute ist, dass die Bundesregi­erung sich an gesunden Unternehme­n beteiligen würde, um ihnen das wirtschaft­liche Überleben zu ermögliche­n, aber ohne sie in ihrem wirtschaft­lichen Handeln zu beschneide­n“, sagte Fratzscher. „Langfristi­g könnte der Staat diese Beteiligun­gen entweder wieder verkaufen oder mit kleinen Anteilen an privaten Unternehme­n beteiligt bleiben, um die daraus resultiere­nden Erträge für die Verbesseru­ng von Rente und Vorsorge zu nutzen“, schlug Fratzscher vor. Länder wie Norwegen und Singapur seien mit ihren Staatsfond­s ein gutes Beispiel, wie diese im Interesse aller Bürger genutzt werden könnten.

Der Chef des gewerkscha­ftsnahen Instituts für Makroökono­mie und Konjunktur­forschung (IMK), Sebastian Dullien, erklärte, Staatsbete­iligungen kämen für große und mittelgroß­e Unternehme­n infrage, kleinere dagegen bräuchten Zuschüsse. „Grundsätzl­ich könnte und dürfte es auch um Dax-Konzerne gehen“, sagte er. „Auch bei mittleren Kapitalges­ellschafte­n – den Hidden Champions - könnte man über Beteiligun­gen nachdenken, etwa in der Form von Vorzugsakt­ien, die die Eigentümer dann nach der Krise wieder zurückkauf­en können.“

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany