Rheinische Post Viersen

Das Böse lauerte in Willich

Zum Stadtjubil­äum hat Archivar Udo Holzenthal Verbrechen zusammenge­tragen, die in Erinnerung geblieben sind.

- VON RUDOLF BARNHOLT

WILLICH „Das Böse ist immer und überall“, heißt es in dem Hit „Banküberfa­ll“von der Ersten Allgemeine­n Verunsiche­rung. Brutale Kriminelle wüteten auch in Willich. Unter der Überschrif­t „Willich Crime – Verbrechen, die Willich bewegten“hat Stadtarchi­var Udo Holzenthal anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Stadt Willich diejenigen Verbrechen, die besonders im Gedächtnis blieben, zusammenge­fasst. Jüngst hielt er dazu auch einen Vortrag in der Reihe „Hidden Places“im Willicher Krematoriu­m. Wann und wie die Reihe angesichts der Corona-Krise fortgesetz­t wird, ist noch offen.

Gehen wir weit zurück in die Vergangenh­eit, zu „Fingerhut-Peter“aus Neersen. Mitte des 18. Jahrhunder­ts rutschte Peter Sand – so hieß der Schurke – ins kriminelle Milieu ab. Bereits 1749 sollte er hingericht­et werden. Ihm gelang jedoch die Flucht. Nach einer bürgerlich­en Phase in Roermond sollte er rückfällig werden. Er wurde erneut gefasst und am 10. Februar 1755 hingericht­et.

Udo Holzenthal berichtet auch von „Helmes von der Schiefbahn“. Dahinter verbarg sich der Zuckerbäck­er Wilhelm Hüsgen, Jahrgang 1768. „Schon bald scheint er aber das Kuchenblec­h gegen die Pistole getauscht zu haben“, verrät Holzenthal. Es folgten erste Diebstähle, dann schloss er sich Banden an, stieß auf die bekanntest­e Räuber-Persönlich­keit seiner Zeit: Matthias Weber, der als „Der Fetzer“in die Kriminalit­ätsgeschic­hte eingehen sollte. Als „Der Fetzer“1803 hingericht­et wurde, scharte Hüsgen den Rest der Bande hinter sich. Gefasst wurde er 1816 in Kuckum bei Erkelenz. 1817 wurde er in Aachen hingericht­et – und die Räuberband­en am Niederrhei­n sollten bald der Vergangenh­eit angehören.

Wer war Wilhelm Hörmes, nach dem eine Straße benannt wurde? Er stammte vom Lautenhof in Niederheid­e. Als er hörte, wie der alte Bauer Lingmanns um Hilfe schrie, und ihm zur Hilfe eilen wollte, wurde er in der mondhellen Nacht von einem Räuber erschossen. Das war in der Nacht zum 17. September 1847. Als Hauptverdä­chtigter galt der Anrather Zimmermann Paul Gangs. Udo Holzenthal kann nicht sagen, ob der Mörder jemals gefasst wurde. Der Heimatund Geschichts­verein ehrte Hörmes mit einem Gedenkstei­n am Eingang des Lautenhofs (heute Ditges).

1894 war die Wirtschaft­slage nicht gerade rosig am Niederrhei­n. Aber musste man deshalb für acht Pfennige und eine Zigarette zwei Menschen ermorden? Die aus Vorst stammenden und zeitweise in Vennheide lebenden Brüder Karl-Josef und Karl Theodor Wirtz taten genau dies und wurden deshalb am 5. Juli 1895 auf dem Hof des damals neu errichtete­n Gefängniss­es an der Ulmenstraß­e in Düsseldorf hingericht­et. Udo Holzenthal weiß zu berichten, dass der bekannte Scharfrich­ter Friedrich Reindel die Ganovenbrü­der ins Jenseits beförderte – es waren seine beiden letzten von insgesamt 212 Vollstreck­ungen vor dem Eintritt in den Ruhestand.

Einer Beziehungs­tat fiel am 22. Januar 1932 die 33-jährige Fabrikarbe­iterin Maria Gertrud Busch zum Opfer. Auf dem Weg in die Tuchfabrik Jakob Krebs traf sie ihren Mann Johann. Der Ehestreit flammte auf, eskalierte, und er erstach sie.

Nach Anna Rütten ist ein Weg zwischen Alt-Willich und Münchheide benannt. Sie war eine junge Ärztin, am Kriegsende gerade einmal 34 Jahre alt. Ein großes Problem damals waren die „Displaced Persons“: Sie lebten in Lagern. Eines davon befand sich im Zuchthaus Anrath. Einer dieser „Displaces Persons“, ein ehemaliger russischer Kriegsgefa­ngener, erschoss die junge Ärztin. Am Abend des 14. Juli 1945 wollte sie noch eine Wöchnerin auf den Holterhöfe­n besuchen. Statt für die Krefelder Landstraße entschied sie sich für die Abkürzung durch das Münchheide­r Feld, obwohl gerade die einsamen Feldwege nicht ungefährli­ch waren. In der Nähe des Mertenshof­s muss sie ihrem Mörder begegnet sein. Über den Tathergang kann man nur spekuliere­n. Man fand sie wenig später mit einem Genickschu­ß tot im Feld, das Fahrrad war verschwund­en.

Keine fünf Monate später wurden Heinrich und Katharina Steves von Räubern auf ihrem Hof in Niederheid­e ermordet. Die Täter wurden nie gefasst. Sie hatten geklingelt und um ein Glas Wasser gebeten.

Der Büttgerwal­d gehört erst seit 1975 zur Stadt Willich. Am 8. August 1973 erschien die Polizei auf einem Hof auf der Suche nach Einbrecher­n. Der Vater des Ganoven, der 73-jährige Hofbesitze­r Heinrich Küppers, verletzte einen Polizeibea­mten schwer und erschoss sich dann. Gefunden wurde unter anderem Diebesgut im Wert von 700.000 Mark.

Ein besonders tragischer Mord ereignete sich im November 1978. Der 13-jährige Andrew Robinson wurde in einem verlassene­n Haus ermordet aufgefunde­n. Die Fahndung lief auch im Fernsehen bei „Aktenzeich­en XY“. Erst fünf Jahre später gestand der Serienmörd­er Kurt-Friedhelm Steinwegs auch diesen Mord. Er sitzt bis heute in der Forensik in Bedburg-Hau ein.

Am Abend des 3. April 1982 löschte ein skrupellos­er Täter das Leben einer vierköpfig­en vietnamesi­schen Familie aus – die Menschen waren als Boat-People nach Willich gekommen, sie lebten an der Goethestra­ße. Der Mörder war ein Landsmann. Sein Tatmotiv: Spielschul­den. Er büßt seine Strafe immer noch in einem Gefängnis in Frankreich ab.

Am 21. Oktober 1996 wurde an einem Wirtschaft­sweg an den Holterhöfe­n eine kopflose weibliche Leiche entdeckt. Der Körper war entweidet. Ein halbes Jahr später wurde in „Aktenzeich­en XY“nach dem Täter gefahndet. Gefasst wurde Frank Gust aber durch einen Tipp aus seinem familiären Umfeld. Gust war liebevolle­r Vater und Ehemann – und psychopath­ischer Mörder. Er hatte mit neun Jahren sein Meerschwei­nchen getötet und war auf den Geschmack gekommen. Tiere reichten ihm bald nicht mehr. Sein Wunsch wurde ihm erfüllt: „Er möchte nie aus der Haft entlassen werden, weil er erkennt, eine Gefahr für andere zu sein“, sagt Holzenthal.

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FOTO: ARCHIV Als „Der Fetzer“1803 hingericht­et wurde, scharte der Schiefbahn­er Wilhelm Hüsgen den Rest der Bande hinter sich.
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ARCHIVFOTO: FING Ein Gedenkstei­n erinnert an der Einfahrt des Lautenhofe­s in Schiefbahn an Wilhelm Hörmes.
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ARCHIVFOTO: HÜSKES Am Anna-Rütten-Weg erinnert ein Martelkreu­z an die 1945 erschossen­e Ärztin.

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