„Borussia bleibt handlungsfähig“
Der Geschäftsführer und der Sportdirektor sagen, was die Corona-Krise für den Klub und den Fußball bedeutet.
Am Freitagmorgen lief im verwaisten Borussia-Park die Hymne des Fußballs: You’ll never walk alone. Darüber, wohin die Corona-Krise den Fußball und Borussia führen wird, haben wir mit Borussias Geschäftsführer Stephan Schippers und Sportdirektor Max Eberl gesprochen. Tenor: Die Borussen gehen als Gemeinschaft durch die Krise.
Wie hoch ist der Gehaltsverzicht einzuschätzen? Bestätigt die Aktion des Teams, dass Borussia eine charakterstarke Mannschaft hat? EBERL Man kann das nicht hoch genug bewerten, auch wenn viele Menschen glauben, es sei ein Automatismus. Die Mannschaft wollte das Signal senden – genau wie alle unsere Direktoren, die Geschäftsführung und auch andere Mitarbeiter. Das spiegelt unsere Kultur und das, wie wir miteinander umgehen, wider.
SCHIPPERS Ich möchte noch hinzufügen, dass auch der gesamte Trainerstab und die U23 mitmachen. Es ist eine Aktion des gesamten Vereins Borussia Mönchengladbach.
Belegt das, dass die Werte, die der Klub sich auf die Fahne schreibt, auch gelebt werden.
EBERL In Krisensituationen zeigt sich das wahre Gesicht. Wir haben ein Team, das Charakter hat, das sich mit dem, was die Welt und den Verein betrifft, auseinandersetzt. Wir haben eine Mannschaft, die zu diesem Verein steht und zu ihm passt, in guten wie in schlechten Zeiten.
Wie sehr hilft das dem Verein akut? SCHIPPERS Es hilft uns direkt, wenn man diese Summe, die eingespart wird, nicht ausgeben muss. In einer Phase, in der Einnahmen wie Zuschauereinnahmen, Werbeeinnahmen oder sogar Fernsehgelder wegbrechen, ist das eine finanzielle Entlastung, aber auch ein starkes Signal. Wir bekommen seit Donnerstag mit, wie unsere Sponsoren und Fans auf die Situation reagieren und sagen: Wir leisten auch unseren Beitrag. Die Aktion der Mannschaft und des Vereins war sicherlich ein Schlüsselsignal.
Oft wird Borussia der Vorwurf gemacht, zu konservativ zu planen. Ist genau das jetzt der große Vorteil?
SCHIPPERS Wir wissen genau, wo wir stehen. Wir haben immer so gearbeitet aus den Erfahrungen von 1999 heraus, als der Verein am Boden war. Deswegen sind wir auch guten Mutes, dass wir mit vereinten Kräften mit einem blauen Auge aus dieser Krise herauskommen werden.
Wie groß ist die Sorge um den Klub, wie gefährdet sind Arbeitsplätze? SCHIPPERS Jetzt eine Prognose zu geben, wäre nicht seriös. Wir müssen abwarten, wie sehr sich der Virus in Deutschland ausbreitet, wie sehr er das gesellschaftliche Leben einschränkt und wann man sich wieder frei bewegen kann, ob und wann Spiele ohne Publikum stattfinden können. Aber das sind alles Szenarien, über die zu sprechen verfrüht ist.
Herr Eberl, glauben Sie, dass die Fans Geisterspiele wirklich hinnehmen werden ohne zu murren? EBERL Ja, ich glaube, das werden sie. Denn es ist allen bewusst geworden, wie kompliziert die Situation ist. Wir hoffen ja, dass wir diese Spiele ohne Zuschauer machen können, um die Saison halbwegs vernünftig zu Ende zu bringen und den wirtschaftlichen Schaden für die Klubs und für alle anderen Branchen, die wirtschaftlich und gesellschaftlich am Fußball hängen, einigermaßen zu begrenzen. Der Fußball ist ein verbindendes Element in unserer Gesellschaft, die Menschen werden sich auch freuen, wenn im Fernsehen Spiele übertragen werden. Die Spiele ohne Zuschauer sind im Moment der einzige Weg, dass es so kommt, und daher eine Notwendigkeit.
Es gibt einige auslaufende Verträge, wie gehen Sie damit um?
EBERL Auch das ist leider erstmal ein nachgelagertes Thema, wie auch das Thema Transfers. Es geht jetzt erst einmal um das Überleben des deutschen Fußballs. Da sind solche Themen, leider für die Jungs, die es betrifft, hinten angestellt. Aber auch das habe ich aus den Gesprächen mit der Mannschaft mitgenommen: Die Spieler wissen das und wissen auch, dass es nicht aus der Welt ist. Wenn diese finanziellen Stromschnellen umschifft sind, wieder gespielt werden kann und eine Entspannung da wäre, dann werden wir uns auch mit der Kaderplanung intensiv beschäftigen. Wir wollen das natürlich tun, aber wie gesagt: Momentan sind andere Themen im Klub da: Menschen, die in Kurzarbeit sind, Menschen, die Sorgen haben. Wir werden alles dafür tun, dass wir niemanden entlassen müssen.
Der nächste Schritt wäre also, sich auf die Fortsetzung der Saison vorzubereiten? Wie funktioniert das Tagesgeschäft aktuell.
EBERL Wir haben viele unserer Mitarbeiter im Homeoffice, nur die Direktoren und ein paar weitere Kollegen sind da, das Schiff muss ja schließlich, wenn auch mit langsamerer Fahrt, weiterfahren. Die Mannschaft trainiert individuell und separat, um den Vorkehrungen gerecht zu werden, aber auch auf den Tag X vorbereitet zu sein und dann die letzten neun Spiele erfolgreich zu bestreiten. Es geht grundsätzlich darum, alles zu sortieren und darauf zu hoffen, dass relativ schnell wieder Realität eintritt. Dann werden wir auch viele Mitarbeiter
benötigen, um den Spielbetrieb zu organisieren.
SCHIPPERS Es gibt derzeit sozusagen drei Fraktionen: Die Minimalbesetzung im Borussia-Park, die Kollegen, die im Homeoffice sind, und die Kollegen, die in Kurzarbeit sind und zu Hause warten bis es wieder losgeht. Am 31. März ist die nächste Videokonferenz der Liga, um neu einzuschätzen wie es weitergeht. Der Spielbetrieb ist ja erstmal bis zum 2. April aufgehoben, aber ich glaube aufgrund der Aktualität der Ereignisse nicht, dass wir dann schon wieder anfangen werden.
Welche Auswirkungen wird die Krise auf den Transfermarkt und die Ablösesummen haben?
EBERL Ich denke, es ist noch zu früh darüber zu urteilen. Aber es wird für alle Vereine Einschnitte geben und vielleicht einige härter treffen als andere. Es ist möglich, dass sich da einiges reglementieren, normalisieren und enthitzen wird.
SCHIPPERS Wir können heute ja noch gar nicht absehen, was alles passiert. Wenn die letzten vier Heimspiele wie das Derby ohne Zuschauer stattfinden, fehlen uns zehn Millionen Euro. Sollte gar nicht mehr gespielt werden, würden uns auch Sponsorengelder zum Teil wegbrechen. Und auch die Fernsehgelder. Wir erwarten am 1. Mai bei den Fernsehgeldern eine Rate in der Größenordnung von knapp 22 Millionen Euro. Wir müssen uns auf alles einstellen. Wir sind gesund, aber nicht reich, darum haben wir an die Fans und Sponsoren appelliert, uns zu helfen. Wir müssen die Krise zusammen meistern. Wir haben keinen Mäzen oder Investor, wir müssen uns aus unserer Mitte helfen, aus unserer Familie heraus.
Befürchten Sie, hoch gehandelte Spieler verkaufen zu müssen? EBERL Das sind hypothetische Szenarien. Es müssen erst mal viele andere Themen geklärt sein. Da müssen wir den Menschen keine Angst machen, dass unsere Mannschaft auseinanderbricht. Wir arbeiten daran, dass es nicht so kommt. Natürlich hoffen wir, dass die Bundesliga weitergespielt wird, um wieder unser Kerngeschäft, Fußball zu spielen, verfolgen zu können. Darum möchte ich jetzt nicht darüber sprechen, ob wir Spieler vielleicht verkaufen müssen oder nicht. Wir wollen erstmal mit aller Kraft daran arbeiten, die Bundesliga und den Verein wieder in die Bahn zu bringen. Wenn dann aber alle Szenarien der negativen Art eintreten sollten,
kann ich sagen: Borussia bleibt handlungsfähig. Nicht nur, weil wir eine Mannschaft haben, die außergewöhnlich ist, nicht nur von den Charakteren, sondern auch von der sportlichen Werthaltigkeit her. Aber die Frage ist ja dann auch: Wie sieht der Fußball überhaupt aus?
Ist die Situation vielleicht auch eine Chance für den zuletzt überhitzten Fußball? Wird er sich verändern?
EBERL Das Wort „überhitzt“hatte ich im Zusammenhang mit Ablösesummen von 220 Millionen Euro in den Mund genommen. Die Größenordnung betrifft uns als Borussia ja so nicht, auch wenn wir natürlich schon bemerkenswerte Summen gezahlt und eingenommen haben. Aber es wird so sein, dass sich nach der Corona-Geschichte einiges relativieren wird. Vereine, und das ist meine Hoffnung, die bis jetzt solide gearbeitet haben, können da ein Stück weit gut durch die Krise kommen.
„Wir haben eine Mannschaft, die zu diesem Verein steht und zu ihm passt“
Max Eberl
Borussias Sportdirektor
Gibt es eine Deadline, wann die Saison beendet sein muss?
EBERL Da gibt es unterschiedliche Szenarien. Es ist ja die Frage, wann tatsächlich wieder die Erlaubnis kommt, in einem Fußballstadion mit ganz wenigen Menschen darin Spiele durchzuführen. Wir sind zu allem bereit, zum Beispiel dazu, dass Spiele in sehr kurzer Reihenfolge kommen können. Aber das sind Themen, die erst dann akut werden, wenn man absehen kann, wann es weitergeht.
Falls es doch zum Abbruch kommt: Sind Sie froh, nach dem Derby-Sieg Vierter zu sein? Kann das Geister-Derby sogar existenziell wichtig gewesen sein?
EBERL Über einen Abbruch möchten wir gar nicht sprechen. Wir sprechen darüber, dass die Bundesliga gerade unterbrochen ist. Wenn alle daran arbeiten und in der Hoffnung, dass es sich so regeln lässt, dass man vielleicht wieder spielen kann, wäre das der erste Schritt. Alles andere ist für uns derzeit nebensächlich.