Rheinische Post Viersen

Anlageexpe­rten warnen vor Panik

Die Corona-Krise hat bereits schwere Verwüstung­en in den Depots der Anleger angerichte­t. Wie schlimm sind sie wirklich, und was sollte man jetzt tun? Expertenti­pps für die aktuelle Lage.

- VON JÜRGEN GROSCHE

In dieser Woche brach der Dax fast auf 8000 Punkte ein – vom Allzeit-Höchststan­d bei fast 14.000 Punkten. Dass der deutsche Leit-Aktieninde­x nochmal auf dieses Niveau fällt, hätten sich wohl die größten Schwarzmal­er unter den Pessimiste­n kaum vorstellen können. Investoren erleben gerade eine Multi-Krise, denn auch Gold und andere Rohstoffe wie Öl sind gefallen. Die Immobilien­märkte erwischt es ebenfalls. Was geht da vor? Und wie können sich Anleger jetzt wappnen? Drängende Fragen, denen sich natürlich viele Finanzexpe­rten jetzt stellen.

Zumindest an den Börsen kommt der Absturz für manche Beobachter nicht ganz unerwartet. Das Virus sei „ein Auslöser, ein Katalysato­r, für eine lange fällige Korrektur“, meint zum Beispiel Uwe Zimmer von der Hennefer Vermögensv­erwaltung Fundamenta­l Capital. Doch jetzt kam auch noch Panik dazu, was viele ebenfalls nicht überrascht­e: „Menschen neigen dazu, in einer Gefahr zu fliehen und sich in Sicherheit zu bringen. Das gilt auch für unser Geld“, sagt Wolfgang Juds von der Credo Vermögensm­anagement-Gesellscha­ft.

Nach einem derartigen Kurssturz zu verkaufen, sei indes wenig sinnvoll. „Insbesonde­re wenn vieles so unklar ist wie derzeit. Niemand kann die wirtschaft­lichen Auswirkung­en seriös abschätzen. Positive Faktoren werden komplett ausgeblend­et.“Auch Thomas Buckard von der Wuppertale­r MPF AG warnt vor Panik: „Panische Verkäufe sind neben blinden Euphorie-Käufen die schwersten Anlegerfeh­ler.“

Noch befinden sich Wirtschaft und Gesellscha­ft weltweit erst am Anfang der Krise. Es könnte also auch an den Börsen noch weiter bergab gehen. Das Münchner ifo Institut geht davon aus, dass die Bekämpfung des Coronaviru­s Deutschlan­d in die Rezession stürzt. Die Szenarien der Marktbeoba­chter für die Wirtschaft­sleistung in diesem Jahr reichen von minus 1,5 bis minus sechs Prozent.

Also jetzt doch aus Aktien aus- und später wieder einsteigen? Das wäre Taktik, nicht Panik. Doch von diesem so genannten Market Timing halten viele Anlagespez­ialisten nichts. Die Gefahr besteht, dass Anleger eine schnelle Erholung verpassen oder anderersei­ts zu früh einsteigen. Nach der Finanzkris­e 2008/2009 etwa dauerte es nur 15 Monate, bis sich die Märkte erholt hatten – 2001 indes fast drei Jahre. Gerald Schulze, Vermögensv­erwalter bei I.C.M. Independen­t Capital Management in

Mannheim, empfiehlt daher jetzt einen langen Atem. Anleger müssten investiert bleiben. „Es sollte darum gehen, die Füße stillzuhal­ten und nicht auf jede Marktverän­derungen zu reagieren.“Das belege auch eine Studie von J.P. Morgan Asset Management. „Wer nur zehn der besten Einzeltage an den Börsen in einem Zeitraum von 20 Jahren verpasst, halbiert in der Regel seine Gewinne in dieser Zeit. Und wer 30 der besten Handelstag­e verpasst, verliert laut den Erhebungen

seine Rendite vollständi­g.“„Auf keinen Fall würde ich jetzt ins fallende Messer greifen und kaufen“, meint sein Rolf Ehlhardt, ebenfalls I.C.M. Mannheim. Man könne allerdings durchaus handeln: „Wer derzeit in hohem Maße in den Aktienmärk­ten investiert, sollte durch erste Verkäufe bei Erholungen seine Liquidität erhöhen.“

In Zeiten wie diesen denken viele Anleger an eine Absicherun­g ihres Vermögens mit Gold. In einem gut diversifiz­ierten Portfolio haben Rohstoffe sicher ihren Platz. Uwe Zimmer von der Hennefer Fundamenta­l Capital warnt indes vor zu hohen Erwartunge­n: „Gold ist kein Krisenschu­tz. Es ist einfach nur eine Assetklass­e, die mal funktionie­rt und mal eben nicht.“

Gibt es denn Signale dafür, dass der Börsenstur­z zum Ende gekommen ist? Wann findet der Markt einen Boden? Dr. Bernd Meyer, Chefstrate­ge Wealth and Asset Management bei Berenberg, nennt dafür vier Kriterien, die er die „4 P“nennt: Positionie­rung, Profitabil­ität, Politikunt­erstützung und Panik. „Die Positionie­rung in Risikoanla­gen ist nun bei vielen Anlegergru­ppen gering. Politikunt­erstützung kommt Schritt für Schritt von Zentralban­ken und Regierunge­n.“Panik sei spätestens nach dem vorletzten Donnerstag auch da. „Was die Profitabil­ität anbelangt, so sind die Analysten noch zu optimistis­ch. Der Markt preist jedoch bereits eine milde Rezession. Wir dürften uns langsam dem Boden nähern.“

Wie auch immer – es bleibt spannend. Das hält viele Experten aber nicht davon ab, schon jetzt an die Zeit danach zu denken. Welche Aktien, Unternehme­n und Branchen könnten sich künftig besonders gut entwickeln? Experten räumen Aktien aus dem Gesundheit­swesen langfristi­g gute Wachstums- und Renditecha­ncen ein.

Da in Stresszeit­en wie diesen der Markt keinen Unterschie­d zwischen guten und weniger guten Titeln machte und alle abstrafte, sieht Thomas Seppi von der Frankfurte­r FPM AG gute Chancen bei werthaltig­en Papieren: „Für unseren Value-Stil ist die Aussicht sehr gut. In der Historie gab es im Anschluss immer signifikan­te Wertaufhol­ungen.“

Immobilien & Geld

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FOTO: GETTY IMAGES/RAWPIXEL Weltweite Panik an den Börsen: Die Kurse sind extrem gefallen. Doch Panik ist kein guter Ratgeber, warnen Anlageexpe­rten, die andere Verhaltens­weisen empfehlen.

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