Rheinische Post Viersen

Oben-Ohne-Feeling hat seine Fallstrick­e

Cabrios sind keine normalen Autos, nicht nur wegen des flexiblen Dachs und der direkten Sonneneins­trahlung. Sie rosten gerne mal von innen und sind speziell konstruier­t. Daher sollte beim Gebrauchtk­auf eines offenen Fahrzeugs unbedingt ganz genau hingesch

- VON INGA STRACKE

Der Frühling ist Cabriozeit, Autos mit Verdeck stehen wieder hoch im Kurs. Wer sich eines kaufen will, findet auch auf dem Gebrauchtw­agenmarkt viele Angebote. Doch hier lauern einige Tücken, auf die Interessen­ten gefasst sein sollten. Im Fokus steht das Verdeck – es ist allerdings nicht die einzige kritische Stelle.

„Ich muss darauf achten, ob es einwandfre­i funktionie­rt und sich leicht bedienen lässt“, erklärt Vincenzo Lucà vom Tüv Süd mit Blick auf das Verdeck. Für das Öffnen und Schließen dürfe man keinen großen Kraftaufwa­nd benötigen, es müsse leichtgäng­ig sein. Viele Fahrzeuge haben dafür eine Automatik eingebaut, diese sollte nicht ruckeln. Ein Laie wird aber nicht alle Details erkennen. Daher rät Lucà dazu, auf eine einwandfre­ie Wartungshi­storie zu achten: „Gelenke und Scharniere sollten leicht funktionie­ren, denn natürlich gehört die Verdeckmec­hanik zum Wartungspl­an der Werkstätte­n.“

Auch die Dichtungen seien Schwachste­llen, warnt der Experte. Sie könnten einreißen, zum Beispiel durch falsche Handhabung, aber auch durch Alterung des Materials. Bei einer gerissenen Dichtung könne es zu Wassereinb­ruch kommen oder zu Pfeifgeräu­schen durch den Fahrtwind, schildert Lucà. Daher empfiehlt er, sich die Dichtungen entlang des Verdecks sowie die Anschlüsse am Scheibenra­hmen anzusehen. Bei der Probefahrt sollte man außerdem genau auf Windgeräus­che achten.

Jörg Dilge arbeitete lange für den unter anderem auf Cabrios spezialisi­erten Autobauer Karmann. Heute ist er Besitzer des daraus hervorgega­ngenen Cabriozent­rums Osnabrück und auf den Austausch von Verdecken

spezialisi­ert. „Es gibt bekannte Probleme bei den einzelnen Marken“, erklärt er. Bei älteren Modellen des Audi A4 Cabrio könne sich zum Beispiel die Scheibe lösen – und der 2003 gebaute VW Beetle habe öfter Probleme mit Scheuerste­llen.

Für die meisten Probleme gibt es aber Lösungen: „Wir haben Verdeckrei­niger, beispielsw­eise für ein grün gewordenes Dach“, sagt Dilge. Man könne auch einen neuen Verdeckbez­ug montieren, das koste im Schnitt rund 1400 Euro. Auch Vertragswe­rkstätten der Hersteller machten je nach Modell einen Austausch, der Originalbe­zug sei aber deutlich teurer. Das ist dann eine Kalkulatio­nsfrage: Lohnt sich der Kauf eines Cabrios mit beschädigt­em Verdeck für den günstigere­n Preis noch, wenn man die Kosten für den Austausch dazurechne­t? Auch das Material

des Verdecks ist ein Faktor. „Stoff- und Kunststoff­verdecke können mit der Zeit altern – und dort, wo sie gefaltet werden, auch brechen“, erklärt Vincenzo Lucà. Entscheide­nd sei die Frage, ob das Auto ganzjährig gefahren wurde. „Etwa nach zehn Jahren sollte man genauer hinschauen, vor allem bei Stoffverde­cken“, rät er. Doch auch ein 20 Jahre altes Verdeck könne top sein, sofern es gut in Schuss gehalten wurde und wenig UV-Licht abbekommen hat.

Ein Wagen, der immer draußen steht, ist meist in einem anderen Zustand als ein Garagenfah­rzeug: „Das Sonnenlich­t spielt eine sehr große Rolle. Kunststoff­e altern, sie werden spröde und verlieren ihre Weichmache­r“, betont

Lucà. Das führe zu Brüchen. Auch kleine Löcher könnten entstehen, da müsse man als Käufer genau hinschauen. Scheiben verschleiß­en ebenso – denn Kunststoff­scheiben werden mit den Jahren trüb, vor allem wenn das Auto häufig in der Waschstraß­e war. Undichtigk­eiten zwischen Scheibe und Verdeck sind immer möglich. Ein Cabrio sei „im Prinzip nie hundertpro­zentig dicht. Es gibt immer irgendwo einen leichten Wassereinb­ruch“, sagt Lucà. Das Auto habe eben eine große Klappe, durch die Wasser hineinlauf­en kann – an den Säulen entlang kriecht es in den Innenraum und kann für Rost an den Bodenblech­en sorgen.

Das passiere, anders als bei geschlosse­nen Autos, von innen nach außen. Deshalb rät der Tüv-Fachmann: „Man sollte auf jeden Fall den Teppich hochheben und unten auf die

Bodenblech­e schauen.“Denn das Thema Rost am Bodenblech sei beim Cabrio sicherlich größer. Ein weiterer Prüfpunkt sind die Türen. Hartmut Adam von der Zeitschrif­t „Cabriolife“rät dazu, mit einem Rad auf dem Bordstein zu fahren, so dass der Wagen schräg steht. „So kann man gut prüfen, ob die Karosse noch stimmt.“Hierbei geht es darum, „dass man die Türen leicht öffnen und schließen kann und auch das Verdeck in dieser Stellung noch gut läuft, schließt und öffnet, egal ob Automatik oder Handbetrie­b. Alles muss einwandfre­i funktionie­ren“, erläutert Adam. Bei einem Cabrio seien die versteifen­den Funktionen anders als bei anderen Autos, sagt Adam. Stabilität und Versteifun­gen gibt es vor allem über den Unterboden. Deswegen sei das Schrägstel­len ein wichtiger Test zum Prüfen, wie verwindung­ssteif die Karosse noch ist.

Oft sind Cabrios Sommerauto­s und stehen im Winter in der Garage. Wer den Wagen dabei nicht aufbockt oder die Reifen stärker aufpumpt, riskiert platte Pneus. Unwuchten drohen dadurch. Die spüre man, wenn man bei der Probefahrt langsam fährt, erklärt Adam. „Ich muss mir die Reifen auch genau anschauen, denn das kann man sogar sehen.“

Bei offenem Verdeck strahlt die Sonne nicht nur ungehinder­t auf die Insassen, sondern auch auf Sitze und Armaturen. Deshalb ist zu prüfen: Wie ist der Zustand der Bezüge? Ist das Material des Armaturenb­retts eventuell porös? Adam rät dazu, die Übergange an den Seiten des Armaturenb­retts zu prüfen und auch das Spaltmaß. Zudem sollten sich angehende Cabriobesi­tzer fragen, wo sie ihren Wagen unterbring­en wollen. Gibt es einen Stellplatz für den Winter? Das klärt man lieber schon vor einem Kauf ab.

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FOTO: KUSCH/DPA-TMN Ein Cabrio bringt ein ganz besonderes Fahrgefühl mit sich – doch gibt es bei diesem Fahrzeugty­p auch viel zu beachten.
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FOTO: GABBERT/DPA-TMN Bei offenem Verdeck strahlt die Sonne direkt auf Armaturen und Sitze – und kann sie damit in Mitleidens­chaft ziehen.

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