Ein Roman über einen großen Einsamen
Literatur Kleinfamilie an Meeresklippen, tosende Wellen, Werbung für eine Lebensversicherung, dazu sanfte Klaviermusik – diese mittlerweile berühmte TV-Szene bedient sich bei einem faszinierenden Unbekannten der Musikgeschichte: dem französischen Komponisten Erik Satie. Dessen Komposition „Gymnopédies“wurde zum Klassiker. Die Schriftstellerin Stéphane Kalfon hat Satie (1866 bis 1925) jetzt eine subtile Liebeserklärung („Die Regenschirme des Erik Satie“) gewidmet, die aus dem Heute mit Saties Belle Époque kommuniziert. In ihrem schönen Buch (Verlag Oktaven, 193 Seiten, 22 Euro) wird der Mann mit den vielen Regenschirmen herrlich lebendig.
Wolfram Goertz
Pop Das kann man ja jetzt, das Home Office macht es möglich: Musikhören bei der Arbeit. Am besten eignet sich instrumentale Musik, damit man nicht dadurch abgelenkt wird, dass man ständig Texte von Liebesliedern mitsingt. Aber man will natürlich nicht bloß eingelullt, sondern auch angeregt, manchmal auch geborgen werden. Insofern ist „Verbal Equinox“die ideale Platte fürs Arbeiten daheim. Das Album erschien erstmals 1977, es wurde soeben neu aufgelegt, und sein Urheber ist einer der großen Inspirationen der Avantgarde-Musik. Der amerikanische Trompeter Jon Hassell, heute 82 Jahre alt, hat bei den Helden gelernt: Er studierte bei Stockhausen in Köln, spielte in New York mit Terry Riley dessen Minimal-Music-Grundlagenwerk „In C“ein und arbeitete mit La Monte Young. Er schaute stets über den Tellerrand, hörte Musik aus Afrika und Indien und entwarf das Konzept der „Fourth World“, das dann Brian Eno (mit dem Hassell lange zusammenarbeitete), Peter Gabriel und David Sylvian beeinflussen sollte: Uralte Weisheit und moderne Technologie verbinden sich zu etwas Neuem und Unerhörtem. „Vernal Equinox“ist das erste Soloalbum Hassels. Er lässt sich einen
Jon Hassell ist Musik fürs Homeoffice
Eine Tür aus Glas, weit offen
Teppich aus Percussion auslegen und flicht darauf Girlanden mit seiner Trompete. In den Melodiebögen liegt viel Echo, Hassel schickt die Töne durch einen Filter, und manchmal gibt er Fieldrecordings dazu: das Zwitschern von Vögeln, das Rauschen des Meeres.
Das ist bisweilen ein ganzkleinbisschen esoterisch, aber auf angenehme Weise, die gerade heute gut tut. Man hat den Eindruck, man sitze mitten in der Natur, im Dschungel, und zwar an einer Stelle, an der das Grün nicht ganz so dicht und die Bäume nicht allzu hoch sind. Manchmal erinnert das an den Miles Davis der 1970er Jahre, an den Miles der „Agharta“-Ära, aber nicht im Sinne einer Nachahmung oder als Anhänger- oder Gefolgschaft, sondern mit eigenem Ansatz, eigener Note sozusagen. Beruhigende Musik ist das, inspirierende auch, und ein bisschen melancholisch klingt sie zudem. Ganz schön, darin zu arbeiten.
Philipp Holstein