Rheinische Post Viersen

600 Milliarden Euro Staatshilf­e für Firmen

Die Bundesregi­erung will am Montag die größte Rettungsak­tion der Nachkriegs­zeit für die Wirtschaft beschließe­n. Kleine Firmen sollen direkte Zuschüsse zur Überbrücku­ng der Corona-Krise erhalten.

- VON BIRGIT MARSCHALL

BERLIN Die Bundesregi­erung hat am Wochenende ihre Arbeiten an der umfangreic­hsten Staatshilf­e zur Stabilisie­rung der Wirtschaft vorangetri­eben, die es je in der Bundesrepu­blik gegeben hat. Dazu soll das Kabinett am Montag Gesetzentw­ürfe von Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) beschließe­n, die Bundestag und Bundesrat bis Ende der Woche billigen sollen.

Geplant ist ein Rettungsfo­nds für mittlere und größere Unternehme­n, direkte Zuschüsse als Soforthilf­e und Darlehen für kleinere Unternehme­n sowie verbessert­e Bedingunge­n für Überbrücku­ngskredite der Staatsbank KfW. Insgesamt dürfte die Staatshilf­e ein Volumen von 600 Milliarden Euro erreichen.

Anders als in der Finanzkris­e vor gut zehn Jahren, die in erster Linie den Bankensekt­or traf, sind von der Corona-Krise fast alle deutschen Unternehme­n direkt betroffen, weil sie ihre Geschäfte weitgehend herunterfa­hren mussten und die Nachfrage wegbricht. Die Regierung versucht mit ihren Maßnahmen, die drohende Insolvenzw­elle zu stoppen. Der Deutsche Industrie- und Handelskam­mertag (DIHK) warnte vor einer „Pleitewell­e unvorstell­baren Ausmaßes“. DIHK-Präsident Eric Schweitzer sagte, die Firmen bräuchten ganz schnell Liquidität.

Zur Finanzieru­ng der Staatshilf­e legt Scholz einen Nachtragsh­aushalt für das laufende Jahr vor. Der Bund wird sich demnach zunächst mit 156 Milliarden Euro neu verschulde­n, davon gut 33 Milliarden Euro zur Gegenfinan­zierung von Steuerausf­ällen. Die „schwarze Null“im Etat ist damit Geschichte.

Der neue Chef der Wirtschaft­sweisen, der Freiburger Ökonom Lars Feld, erklärte dazu in der „Welt am Sonntag“, die geplante Aussetzung der Schuldenbr­emse sei in dieser Situation

richtig. Deutschlan­d könne es verkraften, wenn sein Schuldenst­and kurzfristi­g wieder von 60 auf 80 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s (BIP) anwachsen würde.

Ein Wirtschaft­sstabilisi­erungsfond­s (WSF) soll nach den Plänen von Scholz und Altmaier mit 400 Milliarden Euro ausgestatt­et werden, mit denen der Staat Schuldtite­l und Verbindlic­hkeiten von Unternehme­n übernehmen kann. 100 Milliarden Euro will Scholz für Kreditermä­chtigungen für Beteiligun­gsmaßnahme­n an den Firmen bereitstel­len. Weitere 100 Milliarden Euro sollen für weitere Sonderprog­ramme der KfW fließen. Über die konkreten Summen wurde bis zum Kabinettsb­eschluss weiter beraten.

Geraten Firmen in eine existenzie­lle Schieflage, soll sich der Bund mit WSF-Mitteln direkt an Unternehme­n beteiligen können. Der WSF soll für Unternehme­n gelten, die in zwei aufeinande­rfolgenden Geschäftsj­ahren vor dem 1. Januar 2020 mindestens zwei von drei Merkmalen erreicht haben: eine Bilanzsumm­e von 160 Millionen Euro, 320 Millionen Euro Umsatz sowie im Jahresdurc­hschnitt 2000 beschäftig­te Arbeitnehm­er. Diese Schwellenw­erte sollten noch abschließe­nd geklärt werden. Banken sollen nicht unter den Rettungssc­hirm fallen.

Für Kleinstfir­men und Solo-Selbststän­dige, die keine Kredite erhalten und nicht über Sicherheit­en verfügen, soll es laut Kabinettsv­orlage direkte Zuschüsse geben. Firmen mit bis zu fünf Beschäftig­ten sollen eine Einmalzahl­ung von 9000 Euro für drei Monate bekommen, Firmen mit bis zu zehn Beschäftig­ten 15.000 Euro. Das Geld soll ab April fließen und muss nicht zurückgeza­hlt werden. Voraussetz­ung sollen Schwierigk­eiten infolge der Corona-Krise sein: Die Firmen sollen eine Existenzbe­drohung oder einen Liquidität­sengpass eidesstatt­lich versichern. Der Bund will dafür

bis zu 50 Milliarden Euro bereitstel­len. Scholz und Altmaier hatten zudem bereits unbegrenzt­e KfW-Kredite beschlosse­n, um die Liquidität von Firmen zu sichern. Dabei soll es nun Nachbesser­ungen geben. Die KfW soll bei Betriebsmi­ttelkredit­en für kleine und mittlere Firmen statt wie bisher 80 Prozent nun 90 Prozent des Kreditrisi­kos übernehmen.

DIHK-Präsident Schweitzer hielt allerdings auch dies noch für zu wenig und forderte, die Bundesregi­erung solle alle Hilfen mit einer Staatsgara­ntie von 100 Prozent absichern. „Wenn Banken und Kreditinst­itute wie in üblichen Zeiten die Tragfähigk­eit der Kredite und die geschäftli­chen Zukunftsau­ssichten der Betriebe prüfen müssen, verlieren wir wertvolle Zeit und das Vertrauen in das eigentlich gute Schutzschi­ld-Paket der Bundesregi­erung. Das wäre fatal“, sagte er.

NRW und die übrigen Länder flankieren die Bundeshilf­en mit eigenen Programmen. Das NRW-Kabinett beschloss am Sonntag ein 25-Milliarden-Hilfspaket, das der Landtag am Dienstag in einer Sondersitz­ung billigen soll. Auch NRW will die Unternehme­n mit zusätzlich­en Liquidität­sspritzen und Soforthilf­en stützen.

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