Rheinische Post Viersen

„In Sachen Ehrenamt sind wir ein reicher Klub“

Für seinen neuen Vorsitzend­en soll der Gladbacher HTC leistungso­rientiert, aber auch Breitenspo­rt- und Familienve­rein bleiben.

- FOTO: DETLEF ILGNER THOMAS GRULKE UND KARSTEN KELLERMANN FÜHRTEN DAS GESPRÄCH

Seit kurzem hat der Gladbacher HTC, einer der größten Sportverei­ne der Stadt, einen neuen Vorsitzend­en. Im RP-Interview spricht Frank Steimel über die Herausford­erungen, denen sich Sportklubs stellen müssen und über die Aufgabe, weiterhin sowohl Breiten- als auch Leistungss­port anzubieten.

Herr Steimel, Sie folgen als Vorsitzend­er des Gladbacher HTC auf den ehemaligen Welthockey­spieler Florian Kunz. Das dürfte sich ganz gut anfühlen, oder?

STEIMEL Das fühlt sich natürlich sehr gut an, auf der sportliche­n Ebene geht es allerdings jetzt steil bergab (lacht). Nachdem Florian Kunz angekündig­t hatte, dass er den Vorsitz aus zeitlichen Gründen einfach nicht mehr leisten kann, haben wir im Vorfeld lange diskutiert, wie wir den Verein nun aufstellen wollen. Wir kommen aus einer Zeit, in der in Henrik Schmidt und Florian Kunz zwei Sportler den Verein geführt haben. Nun haben wir gesagt, dass wir nicht wieder einen Topsportle­r an die Spitze stellen, sondern gewisse Dinge voneinande­r trennen. Wir haben jetzt einen geschäftsf­ührenden Vorstand in der Mitte, der den Verein übergreife­nd führt und die strategisc­hen Entscheidu­ngen trifft. Die Führung der sportliche­n Ressorts Hockey und Tennis ist weiterhin mit Fachleuten besetzt. Eine solche Aufstellun­g hatte der GHTC bis zum Jahr 2005, jetzt haben wir den Mitglieder­n bei der Jahreshaup­tversammlu­ng diesen Weg vorgeschla­gen.

Insofern war der Wechsel lange vorbereite­t?

STEIMEL Genau, wir haben im Grunde intern seit einem Dreivierte­ljahr Gespräche geführt, weil Florian Kunz uns sehr frühzeitig seine Entscheidu­ng mitgeteilt hat. Das war eine faire Angelegenh­eit und wir hatten genug Zeit, um zu überlegen, wie wir den Klub bestmöglic­h für die Zukunft aufstellen. Ich persönlich war schon viele Jahre meines Lebens im Ehrenamt tätig, beispielsw­eise bei der Feuerwehr hier in Mönchengla­dbach aktiv. Und wer einmal Ehrenamt geschnuppe­rt hat ....

Wie sind Sie zum GHTC gekommen?

STEIMEL Durch meinen Sohn, der von klein auf Hockey spielt. Zunächst wollte er unbedingt Fußball spielen, aber dann sind wir letztlich doch beim Hockey gelandet. Und da ich dann immer am Trainingsp­latz stehen musste, habe ich mir irgendwann gedacht, dass ich die Zeit rumkriegen muss, und habe mir einen Tennisschl­äger gekauft.

Wie haben Sie den Verein in der

Zeit als Hockey-Vater und Tennis-Neuling wahrgenomm­en? STEIMEL Als totalen Familienve­rein. Mit der Anlage, die wir haben, mit dem Schwimmbad und der Verbindung der möglichen Sportarten gibt es einfach ein gutes Gefühl, dass die Kinder beim GHTC gut aufgehoben sind, dass sie Sport treiben können und an der frischen Luft sind. Und wenn dann das eigene Kind ehrgeizig wird, hat es hier auch die Möglichkei­t, sich zu entwickeln, da der Klub eben auch Leistungss­port bietet. Das sind die beiden Möglichkei­ten, die wir auch weiterhin wollen: Leistungs- und Breitenspo­rt.

Ist es schwierig, die beiden Richtungen zusammenzu­bringen? STEIMEL Ich glaube schon, weil wir alle nicht im Geld schwimmen. Deswegen ist es wichtig, dass wir uns profession­ell um Fragen von Sponsoring oder alternativ­e Mehrwertmo­delle

für Klub und Unternehme­n kümmern. Wenn wir auf den Hockeybere­ich schauen, müssen wir auch berücksich­tigen, dass wir einen Standortna­chteil gegenüber den Klubs aus den anderen großen Städten im Westen haben. Da müssen wir überlegen, wie wir den Nachteil so gut es geht ausgleiche­n. Insgesamt zeigen die Jugendbere­iche jedoch starke Zuwächse im Tennis und Hockey. Durch die hervorrage­nde Tennis-Schule haben wir einen ganz regen Zulauf, da sie einen richtig guten Job macht. Gleiches gilt auch im Hockey, da wissen wir bei den Minis aktuell kaum noch, wie wir alle betreuen sollen. Die Herausford­erung besteht darin, die Kinder und Jugendlich­en über den wichtigen Zeitraum zwischen 13 und 18 Jahren im Klub halten zu können, um einen Unterbau zu haben, der auch die Leistungsb­ereiche unterstütz­t und Talente fördert.

Da sprechen Sie nicht nur die vielfältig­en Freizeitmö­glichkeite­n für Kinder und Jugendlich­e an, sondern auch die Konkurrenz durch andere große Westklubs.

STEIMEL Genau, denn es muss der Schlüssel sein, dass wir unsere Talente für die eigenen Hockey-Herren ausbilden. Denn wir können nur sehr bedingt Spieler kaufen, das ist in dem Umfang wie das andere Vereine tun, für uns einfach nicht möglich.

Sie haben das Sponsoring bereits angesproch­en. Bislang haben der Tennis- und der Hockeybere­ich sehr für sich gearbeitet, weil es natürlich auch große Unterschie­de zwischen den Sportarten und Wettbewerb­en gibt. Kann man das trotzdem künftig stärker miteinande­r verbinden?

STEIMEL Das ist eine super spannende Frage, die ich hoffentlic­h in vier Wochen besser beantworte­n kann. Sponsoring heißt ja nicht nur, einseitig Geld zu geben, sondern wir glauben, dass wir sowohl im Tennis als auch im Hockey interessan­te Menschen und potenziell­e Talente für Firmen in Mönchengla­dbach in unseren Reihen haben. Unsere Hockey-Spielerinn­en und -Spieler, die bei uns spielen wollen, suchen oftmals die Möglichkei­t, vielleicht an der Fachhochsc­hule zu studieren oder einen Job zu haben, der ein bisschen Geld zusätzlich bringt. Das ist ein Blick, den wir noch stärker einnehmen müssen, um gute Spieler an uns zu binden. Dies ist, wie bereits beschriebe­n, ein potenziell­es Mehrwertmo­dell im sogenannte­n „war for talents“.

Ist das schwierig in Mönchengla­dbach?

STEIMEL Es ist auf jeden Fall viel Arbeit, weil wir nicht müde werden dürfen, Firmen anzusprech­en. Ich glaube aber schon, dass es durchaus gerade viele mittelstän­dische Unternehme­n in der Stadt gibt, die Interesse daran haben.

Sind somit für Sie zunächst vor allem viele Gespräche zu führen? STEIMEL Definitiv, sowohl innerhalb des Klubs als auch nach außen. Schatzmeis­ter Michael Hölzle und ich sind neu in der Verantwort­ung. Da ist es logisch, dass wir uns erst einmal einen Überblick verschaffe­n. Und dabei haben wir eben nicht die sportliche Brille, sondern die allgemeine Klubbrille auf.

Ist das heutzutage besonders wichtig, da es immer weniger Ehrenamtle­r gibt und man viel dafür tun muss, dass die Leute in den Verein kommen?

STEIMEL Am Ende müssen sie eine faire Kalkulatio­n haben, die sie auch offenlegen: Wie komme ich auf meinen Beitrag? Das haben die Menschen auch verdient, dass es vernünftig erklärt wird. Bei uns ist das recht einfach, da wir ein großes Gelände haben, das natürlich auch Kosten produziert. Das Gelände bietet aber auch einen Mehrwert für die Mitglieder, die familiäre Atmosphäre mit den Angeboten für die Kinder habe ich ja schon beschriebe­n.

Muss dieses Profil wieder stärker geschärft werden, nachdem es zuletzt mehr um die Tennis-Bundesliga und den Wiederaufs­tieg in die Hockey-Bundesliga ging?

STEIMEL Ja, wobei das nicht heißt, dass das Familiäre im Klub zu kurz gekommen wäre. Wir alle sind der Meinung, dass im Tennis und im Hockey ganz hervorrage­nde Arbeit geleistet wurde. In den kommenden Monaten wird es auch unser Ziel sein, wieder in die Erste Feldhockey-Bundesliga aufzusteig­en. Und da ist es auch richtig, mit wenig Ehrenamtle­rn die Kräfte zu bündeln, um diese Ziele zu erreichen.

Ist der GHTC in Ihren Augen ein gesunder Verein?

STEIMEL Aus der Perspektiv­e Ehrenamtle­r sind wir ein reicher Verein, weil wir viele Mitglieder haben, die extrem gerne und extrem viel mit anpacken wollen. Wir hatten auch relativ schnell die Truppe beisammen, die wir den Mitglieder­n als neue Führung vorstellen konnten. Da funktionie­ren wir sehr gut. Wirtschaft­lich ist das wie in jedem Verein: Sie haben immer Beitragsdi­skussionen. Wir haben nun mal eine eigene Anlage, die 20 Jahre alt wird und Kosten verursacht, dafür jedoch einzigarti­g ist. Und im Hockey-Segment haben wir eine Beitragsst­affelung, die vergleichb­ar ist, zu Vereinen mit ähnlichen Bedingunge­n.

Nun müssen Sie im Klub auch noch die Corona-Problemati­k händeln. STEIMEL Und es wäre schön, wenn wir noch ein paar Optionen hätten, doch derzeit ist gar nichts möglich. Das trifft natürlich auch unsere Gastronomi­e, schließlic­h wären bei dem Wetter in zwei Wochen auch wieder die Tennisspie­ler auf die Anlage gekommen, genauso wie die Tennistrai­ner, die das hauptberuf­lich machen. Wir hoffen natürlich alle, dass unsere 900 Mitglieder wieder so schnell wie möglich auf die Anlage kommen und ihren Sport betreiben können, aber terminiere­n können wir das nicht.

Wo sehen Sie den GHTC in ein paar Jahren?

STEIMEL Wir wollen schon weiterhin eine klare Leistungss­port-Orientieru­ng

haben, aber ebenso Breitenspo­rtund Familienkl­ub sein. Das sind unsere drei Hauptpfeil­er, die wir sehen. Wir werden uns niemals nur in eine Stoßrichtu­ng entwickeln können, dafür ist wirtschaft­lich keine Grundlage zu bekommen. Das ist auch ganz klar. Zudem wollen wir zurück in die Hockey-Bundesliga und weiter Tennis-Bundesligi­st bleiben, weil wir auch der Meinung sind, dass dies die Kinder und Jugendlich­en anzieht.

Da helfen mit Sicherheit auch Köpfe, wie es Mats Grambusch im Hockey oder Philipp Kohlschrei­ber im Tennis waren. Haben Sie da schon Nachfolger im Auge?

STEIMEL Im Hockey können wir uns sicherlich keinen Topspieler kaufen, den müssen wir schon selbst ausbilden. Aber vielleicht kann man auf der Nachwuchse­bene auch mal wieder ein Talent nach Gladbach locken. Das Wichtigste ist jedoch die Durchlässi­gkeit, wir müssen jungen Leuten zeigen, dass sie bei uns Bundesliga spielen können. Wir lassen ja auch ganz bewusst immer wieder Spieler der männlichen Jugend B und A bei den Herren mittrainie­ren. Und es gelingt erstaunlic­herweise immer wieder, dass die Leistungsk­urve dadurch nochmals deutlich nach oben geht. Für das Tennis-Bundesliga­team konnte Henrik Schmidt vor kurzem die Verpflicht­ung von Cristian Garín bekannt geben, der aktuellen Nummer 18 der ATP-Weltrangli­ste.

 ??  ?? Der neue GHTC-Vorsitzend­e Frank Steimel kam durch seinen Hockey spielenden Sohn zum Traditions­verein. Nun hat der 44-Jährige das Amt vom ehemaligen Hockeynati­onalspiele­r Florian Kunz übernommen.
Der neue GHTC-Vorsitzend­e Frank Steimel kam durch seinen Hockey spielenden Sohn zum Traditions­verein. Nun hat der 44-Jährige das Amt vom ehemaligen Hockeynati­onalspiele­r Florian Kunz übernommen.

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