US-Uni bei Corona-Daten führend
WASHINGTON (fh) Der Schwerpunkt der aktiven Corona-Fälle, prophezeite Lauren Gardner Anfang März im US-Kongress, werde sich von Ost nach West verschieben. Genauso ist es gekommen: Nach China und Europa wird nun die westliche Hemisphäre immer mehr zum Epizentrum der Krise. Die Vereinigten Staaten haben inzwischen mehr bekannte Coronavirus-Infektionen als jedes andere Land der Welt. Bis Freitagnachmittag gab es USA-weit mehr als 94.000 bekannte Infektionen.
Gardner, Assistenzprofessorin an der Ingenieurwissenschaftlichen Fakultät der Johns Hopkins University in Baltimore, ist die Erfinderin jenes interaktiven Online-Dashboards, das Menschen in aller Welt nutzen, um sich über den Stand der Pandemie zu informieren. Begonnen hat es am 22. Januar, als die Uni beschloss, die Angaben über das Coronavirus, die man sammelte, öffentlich zu machen. Bis Ende Januar habe man die Ziffern noch manuell eingegeben. Als die Zahl der Erkrankungen rasant gestiegen sei, habe man umgestellt, im Wesentlichen auf Data-Streaming.
Zunächst bedienten Garner und ihr Team sich vor allem bei DXY, eine Internet-Plattform, die Daten aus allen Provinzen Chinas alle 15 Minuten
aktualisiert. Heute stützen sich die Wissenschaftler in Baltimore auf eine Vielzahl von Quellen. Zum einen sind es offizielle Berichte, etwa der Weltgesundheitsorganisation WHO, der amerikanischen Seuchenschutzbehörde CDC, des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten, der Nationalen Gesundheitskommission in Peking sowie Ministerien rund um den Globus. Hinzu kommen Twitter-Einträge, Meldungen von BNO News, einer im niederländischen Tilburg ansässigen internationalen Nachrichtenagentur und verlässlicher lokaler Medien.
Warum die Johns-Hopkins-Zahlen in aller Regel höher liegen als die amtlichen, auch das hat die Professorin erklärt, als sie ihren digitalen Atlas im Kongress präsentierte. Die WHO, so Gardner, fasse den aktuellen Stand nur einmal alle 24 Stunden zusammen. „Wir verwenden das als Ausgangsbasis. Dann ergänzen wir es um das, was die nationalen Behörden verschiedener Länder sowie die Medien im Laufe des Tages melden.“Folglich sei die Datensammlung der Universität jener der WHO immer um einige Stunden voraus. Bis auf eine Ausnahme, in den ersten Tagen, als sämtliche Daten noch per
Hand eingetippt wurden. Da sei einer der Doktoranden erschöpft eingeschlafen, so dass sich die Eingabe verzögert habe.
Als sich im Dezember in Wuhan Lungenentzündungen häuften, die man bald auf ein neuartiges Virus zurückführte, machte Lauren Gardner sich mit ihren Assistenten an die Arbeit. Das Trio wollte nicht nur Corona-Fälle zählen und in Echtzeit erfassen, sondern sie auch in Form roter Kreise auf Landkarten kennzeichnen, um die Statistik anschaulicher zu machen. Mittlerweile verzeichnen sie in Baltimore, im Center for Systemic Science and Engineering, täglich über eine Milliarde Besuche auf ihrer Website. Nach der Definition der Initiatorin handelt es sich um Zugriffe, bei denen Interessenten nicht nur einen flüchtigen Blick auf die Zahlen werfen, sondern auch die roten Kreise anklicken, die etwa im Fall der USA deutlich machen, wo der Erreger wie schlimm wütet. Mit einem solchen Ansturm habe man nicht gerechnet, hat Lauren Gardners Dekan, der Physiker Ed Schlesinger, neulich dem „Philadelphia Inquirer“gesagt und es mit schwarzem Humor versucht. Das Dashboard werde rund um die Welt zitiert. „Es ist, wenn ich das so sagen darf, viral gegangen.“