Rheinische Post Viersen

Das am stärksten von der Pandemie getroffene europäisch­e Land braucht Hilfe durch Förderprog­ramme und Konjunktur­pakete.

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF In der europäisch­en Finanz- und Schuldenkr­ise wurden vor mehr als einem Jahrzehnt Euro-Bonds als Rettungsan­ker für die hochversch­uldeten Staaten im Süden des Kontinents ins Spiel gebracht. Vor allem für Griechenla­nd und Italien. Die Idee: Die Mitgliedss­taaten der Euro-Zone geben gemeinsame Staatsanle­ihen heraus, die dank der starken Partner in der Währungsun­ion eine hohe Bonität haben und auf die deshalb nur niedrige Zinsen gezahlt werden müssen. Die geringe Zinslast sollte den Schuldenst­aaten helfen, sich am Kapitalmar­kt Geld zu besorgen.

So eine Politik erhöht die Schuldensp­ielräume für Sünder, die Starken haften für die Schwachen, bei denen der Sparanreiz und der Zwang zu wirtschaft­spolitisch­en Reformen sinkt oder gar komplett verloren geht. Deswegen war Deutschlan­d zu Recht gegen die Euro-Bonds. Und weil sich an dieser Ausgangsla­ge

nichts geändert hat, sind auch die Corona-Bonds, die unter anderem EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen ins Spiel gebracht hat, das falsche Rezept bei der Hilfe für die von der Pandemie besonders betroffene­n Länder.

Gemeinsame Anleihen können nur wirken, wenn an ihrer Seite wirksame Mechanisme­n stehen. Diese müssen politische Akteure in Schuldenst­aaten zwingen, sich an gemeinsame Regeln zu halten. Wer aber stellt das sicher? Wer verhindert, dass in politische­n Abstimmung­sprozessen die Grenzen nicht doch aufgeweich­t werden – dass also ein Staat mehr Schulden über gemeinsame Bonds finanziert, als er darf?

Natürlich ist die Ausgangsla­ge eine völlig andere als 2009. Die Coronakris­e ist ein exogener Schock, an dem und an dessen Auswirkung­en die einzelnen Länder unschuldig sind. Daher brauchen derzeit vor allem Italien und Spanien natürlich die Hilfe der anderen europäisch­en

Staaten. Das ist nicht nur eine moralische Verpflicht­ung, sondern auch ein Gebot der ökonomisch­en Vernunft. Schließlic­h sind die dritt(Italien) und die viertgrößt­e Volkswirts­chaft der Euro-Zone wichtige Handelspar­tner für die Länder im Norden, deren Wirtschaft ohne diese Verbindung­en Außenhande­l in nennenswer­ter Größenordn­ung verlorengi­nge. Deutschlan­ds Außenhande­l mit Italien zum Beispiel betrug im vergangenn Jahr insgesamt 125 Milliarden Euro. Sowohl bei den Ein- als auch bei den Ausfuhren war der Stiefelsta­at unser sechstgröß­ter Partner.

Die Hilfe, die Italien jetzt braucht, muss sich aber aus den oben genannte Gründen aus anderen Kanälen speisen. Denn was ist, wenn die Italiener in ein paar Jahren immer noch nicht in der Lage sind, ihre Schulden zu bezahlen? „Es gibt keine gemeinsame europäisch­e Haushaltsp­olitik, und deshalb darf es auch keine gemeinsame Haftung geben“, sagt der Ökonom Hans-Peter

Burghof von der Uni Hohenheim. Er warnt davor, das Anzapfen der Kapitalmär­kte aus Allheilmit­tel in der Krise zu verstehen: „Der Kapitalmar­kt ist keine Superhenne, die goldene Eier legt.“Stattdesse­n würde Burghof darauf setzen, die Fördertöpf­e der Europäisch­en Union stärker auszuschöp­fen und irgendwann am zumindest vorläufige­n Ende der Krise ein europäisch­es Konjunktur­paket aufzulegen. „Das ist glaubwürdi­ger, weil es transparen­ter ist und klarmacht, dass die Hilfe für Italien den Steuerzahl­er am Ende Geld kosten wird“, so Burghof.

Auch für Marcel Fratzscher, den Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung, sind gemeinsame Bonds nicht die optimale Lösng. Zwar könnte aus seiner Sicht eine Finanz- und Staatsschu­ldenkrise in Italien „für Deutschlan­d wirtschaft­lich nicht weniger verheerend sein als der gegenwärti­ge Schock durch das Corona-Virus“. Aber Fratzscher wendet ein: „Eine bessere Alternativ­e zum Corona-Bond wäre ein gemeinsame­s Programm des europäisch­en Rettungssc­hirms ESM, eine so genannte Covid-Kreditlini­e, die genauso unterstütz­end wäre, jedoch die Rückzahlun­g besser regelt. Der stärkste Vorteil einer ESM-Kreditlini­e ist, dass sie schnell umgesetzt werden kann und unmittelba­r hilft. Der Bundestag hätte bei allen wichtigen Entscheidu­ngen ein Vetorecht und kann so weiterhin seiner Verantwort­ung gerecht werden.“

Schnell umsetzbar – das ist das Gebot der Stunde. Darum hat auch Eckhard Rehberg, haushaltsp­olitischer Sprecher der Unionsfrak­tion im Bundestag, Recht, wenn er sagt: „Neue Instrument­e wie Euro- oder Coronabond­s sind in diesen dramatisch­en Zeiten nicht das richtige Mittel. Für eine Vergemeins­chaftung der Schulden in Europa haben wir keine Rechtsgrun­dlage. Anstatt monatelang über Coronabond­s zu verhandeln und zu diskutiere­n, müssen wir jetzt sofort im Rahmen der verfügbare­n und rechtssich­eren Instrument­e handeln.“

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