Das am stärksten von der Pandemie getroffene europäische Land braucht Hilfe durch Förderprogramme und Konjunkturpakete.
DÜSSELDORF In der europäischen Finanz- und Schuldenkrise wurden vor mehr als einem Jahrzehnt Euro-Bonds als Rettungsanker für die hochverschuldeten Staaten im Süden des Kontinents ins Spiel gebracht. Vor allem für Griechenland und Italien. Die Idee: Die Mitgliedsstaaten der Euro-Zone geben gemeinsame Staatsanleihen heraus, die dank der starken Partner in der Währungsunion eine hohe Bonität haben und auf die deshalb nur niedrige Zinsen gezahlt werden müssen. Die geringe Zinslast sollte den Schuldenstaaten helfen, sich am Kapitalmarkt Geld zu besorgen.
So eine Politik erhöht die Schuldenspielräume für Sünder, die Starken haften für die Schwachen, bei denen der Sparanreiz und der Zwang zu wirtschaftspolitischen Reformen sinkt oder gar komplett verloren geht. Deswegen war Deutschland zu Recht gegen die Euro-Bonds. Und weil sich an dieser Ausgangslage
nichts geändert hat, sind auch die Corona-Bonds, die unter anderem EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ins Spiel gebracht hat, das falsche Rezept bei der Hilfe für die von der Pandemie besonders betroffenen Länder.
Gemeinsame Anleihen können nur wirken, wenn an ihrer Seite wirksame Mechanismen stehen. Diese müssen politische Akteure in Schuldenstaaten zwingen, sich an gemeinsame Regeln zu halten. Wer aber stellt das sicher? Wer verhindert, dass in politischen Abstimmungsprozessen die Grenzen nicht doch aufgeweicht werden – dass also ein Staat mehr Schulden über gemeinsame Bonds finanziert, als er darf?
Natürlich ist die Ausgangslage eine völlig andere als 2009. Die Coronakrise ist ein exogener Schock, an dem und an dessen Auswirkungen die einzelnen Länder unschuldig sind. Daher brauchen derzeit vor allem Italien und Spanien natürlich die Hilfe der anderen europäischen
Staaten. Das ist nicht nur eine moralische Verpflichtung, sondern auch ein Gebot der ökonomischen Vernunft. Schließlich sind die dritt(Italien) und die viertgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone wichtige Handelspartner für die Länder im Norden, deren Wirtschaft ohne diese Verbindungen Außenhandel in nennenswerter Größenordnung verlorenginge. Deutschlands Außenhandel mit Italien zum Beispiel betrug im vergangenn Jahr insgesamt 125 Milliarden Euro. Sowohl bei den Ein- als auch bei den Ausfuhren war der Stiefelstaat unser sechstgrößter Partner.
Die Hilfe, die Italien jetzt braucht, muss sich aber aus den oben genannte Gründen aus anderen Kanälen speisen. Denn was ist, wenn die Italiener in ein paar Jahren immer noch nicht in der Lage sind, ihre Schulden zu bezahlen? „Es gibt keine gemeinsame europäische Haushaltspolitik, und deshalb darf es auch keine gemeinsame Haftung geben“, sagt der Ökonom Hans-Peter
Burghof von der Uni Hohenheim. Er warnt davor, das Anzapfen der Kapitalmärkte aus Allheilmittel in der Krise zu verstehen: „Der Kapitalmarkt ist keine Superhenne, die goldene Eier legt.“Stattdessen würde Burghof darauf setzen, die Fördertöpfe der Europäischen Union stärker auszuschöpfen und irgendwann am zumindest vorläufigen Ende der Krise ein europäisches Konjunkturpaket aufzulegen. „Das ist glaubwürdiger, weil es transparenter ist und klarmacht, dass die Hilfe für Italien den Steuerzahler am Ende Geld kosten wird“, so Burghof.
Auch für Marcel Fratzscher, den Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, sind gemeinsame Bonds nicht die optimale Lösng. Zwar könnte aus seiner Sicht eine Finanz- und Staatsschuldenkrise in Italien „für Deutschland wirtschaftlich nicht weniger verheerend sein als der gegenwärtige Schock durch das Corona-Virus“. Aber Fratzscher wendet ein: „Eine bessere Alternative zum Corona-Bond wäre ein gemeinsames Programm des europäischen Rettungsschirms ESM, eine so genannte Covid-Kreditlinie, die genauso unterstützend wäre, jedoch die Rückzahlung besser regelt. Der stärkste Vorteil einer ESM-Kreditlinie ist, dass sie schnell umgesetzt werden kann und unmittelbar hilft. Der Bundestag hätte bei allen wichtigen Entscheidungen ein Vetorecht und kann so weiterhin seiner Verantwortung gerecht werden.“
Schnell umsetzbar – das ist das Gebot der Stunde. Darum hat auch Eckhard Rehberg, haushaltspolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Recht, wenn er sagt: „Neue Instrumente wie Euro- oder Coronabonds sind in diesen dramatischen Zeiten nicht das richtige Mittel. Für eine Vergemeinschaftung der Schulden in Europa haben wir keine Rechtsgrundlage. Anstatt monatelang über Coronabonds zu verhandeln und zu diskutieren, müssen wir jetzt sofort im Rahmen der verfügbaren und rechtssicheren Instrumente handeln.“