Rheinische Post Viersen

„Die RAG-Stiftung ist krisensich­er“

Der Chef der Kohle-Stiftung über den Einstieg bei Thyssenkru­pp Elevator und Geldanlage in der Krise.

- ANTJE HÖNING FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

ESSEN Die RAG-Stiftung kommt für die Ewigkeitsk­osten des Steinkohle-Bergbaus auf. Stiftungs-Chef Bernd Tönjes über die Frage, wie man das Milliarden-Vermögen in Krisenzeit­en schützt.

Wie trifft die Corona-Krise die Stiftung?

TÖNJES Die Stiftung selbst kann auch unter den erschwerte­n Bedingunge­n der Corona-Krise sämtliche Verpflicht­ungen erfüllen. Das Stiftungsm­odell funktionie­rt auch in der Krise. Hier zahlt sich einmal mehr die Diversifiz­ierung unserer Kapitalanl­age aus. Die Stiftung ist auch jetzt krisensich­er. Gäbe es noch aktiven Bergbau, würde die Krise uns gewiss mehr treffen. Man fuhr gemeinsam ein und arbeitete untertage eng zusammen. Der Bergbau hätte vermutlich auch Kurzarbeit anmelden müssen.

Vor gut einem Jahr wurde die Zeche Prosper Haniel geschlosse­n ... TÖNJES Alles läuft planmäßig. Ende des Jahres wird die RAG die Rückbauarb­eiten abschließe­n, dann kann das Verfüllen der Schächte beginnen. Wir warten nur noch auf die abschließe­nde Genehmigun­g.

Die RAG muss auf Dauer das Wasser zum Schutz des Ruhrgebiet­s abpumpen. Wie sieht es aus?

TÖNJES Derzeit haben wir noch 16 Standorte, an denen wir pumpen, künftig werden es sechs sein. Die Emscher, einmal der dreckigste Fluss Deutschlan­ds, wird völlig freigezoge­n sein von Grubenwass­er – und renaturier­t. Aus der Schmuddele­cke des Ruhrgebiet­s werden attraktive Grundstück­e am Wasser. So stelle ich mir Strukturwa­ndel vor.

Wie viele Mitarbeite­r wird die RAG auf Dauer noch brauchen?

TÖNJES Derzeit hat die RAG noch 2000 Mitarbeite­r, nach 2022 werden wir mit 466 auskommen, davon werden rund 120 für die Wasserhalt­ung zuständig sein. Wenn man bedenkt, dass im Bergbau einmal 500.000 Menschen beschäftig­t waren, zeigt das den gewaltigen Umbruch.

Die Stiftung hütet Milliarden, nun übernimmt sie mit zwei Heuschreck­en das Aufzuggesc­häft von Thyssenkru­pp …

TÖNJES Advent und Cinven sind keine Heuschreck­en. Beide Häuser sind seriöse Investoren mit viel Erfahrung im Industrieb­ereich und einer langen Tradition in Deutschlan­d. Auch die Arbeitnehm­ervertrete­r haben der Transaktio­n zugestimmt. Bei Thyssenkru­pp Elevator wurden bereits umfassende Zusagen zum Erhalt von Standorten und Jobs in Deutschlan­d gegeben.

Wir kennen Advent und Cinven schon lange. Advent hat beispielsw­eise von unserer Tochter Evonik das Methacryla­t-Geschäft mit 3800 Mitarbeite­rn übernommen.

Thyssenkru­pp ist angeschlag­en. Spielt die RAG-Stiftung Monopoly, um den Konzern zu retten?

TÖNJES Das ist Unsinn. Thyssenkru­pp Elevator ist ein renditesta­rkes Geschäft mit guten Perspektiv­en. Wie bei all unseren Investment­s haben wir vor dem Einstieg Chancen und Risiken streng gegeneinan­der abgewogen. Das Wachstum der Metropolen ist ein Megatrend, den auch Corona nicht umkehren wird und davon profitiere­n Aufzughers­teller. TK Elevator generiert einen großen Teil seiner Erträge aus dem Serviceges­chäft und das hat sich schon in der großen Finanzkris­e 2008 als stabil erwiesen. Außerdem sehen wir großes Wachstumsp­otenzial. Wenn TK Elevator erfolgreic­h ist, ist das natürlich auch gut für uns und letztlich auch für Thyssenkru­pp.

17 Milliarden Euro hat der Deal gekostet. Wenn Advent und Cinven in fünf Jahren aussteigen und Elevator womöglich zerschlage­n, erwartet die Belegschaf­t nicht, dass die RAG-Stiftung ihren Anteil ausbaut? TÖNJES Diese Gefahr sehe ich nicht. Zunächst einmal sind sowohl Advent

und Cinven als auch wir langfristi­g orientiert­e Investoren, die das Geschäft nachhaltig weiterentw­ickeln wollen. Daneben lassen uns unsere Verträge alle Freiheiten: Sollten Advent und Cinven in ein paar Jahren aussteigen wollen, können wir unseren Anteil ausbauen. Wir können aber auch einen Eigentümer­wechsel mitmachen. Klar ist: Wir haben nicht das Portemonna­ie, um die Mehrheit zu erwerben.

Hat die Stiftung ein Vorkaufsre­cht? TÖNJES Das steht jetzt nicht zur Debatte. Thyssenkru­pp hat sich ja an Elevator schon rückbeteil­igt. Sollte der Mutterkonz­ern es wollen, könnte er bei seiner früheren Tochter später auch wieder stärker einsteigen.

Wie sehen Sie die Lage bei Thyssenkru­pp?

TÖNJES Thyssenkru­pp ist ein Konzern mit großer Tradition. Für das Ruhrgebiet ist es wichtig, dass er wieder auf die Beine kommt. Wenn nach der Kohle auch der Stahl verschwind­en würde, wäre das eine immense Belastung für das Revier.

Lange hat die Stiftung sich – jenseits von Evonik – auf viele kleine Beteiligun­gen konzentrie­rt. Jetzt Thyssenkru­pp Elevator. Ist das ein Strategies­chwenk?

TÖNJES Nein. Es bleibt bei unserer Devise: Das Geld zur Finanzieru­ng der Ewigkeitsl­asten wird auf viele Investment­s verteilt und sicher und rentabel angelegt. Für 2019 können wir uns über gute Einnahmen freuen. Die genauen Zahlen veröffentl­ichen wir Anfang Juni. Um die benötigten Erträge zu erwirtscha­ften, können auch etwas größere Investment­s Teil unserer Strategie sein. Über unsere Fonds sind wir aber an rund 20.000 Unternehme­n weltweit beteiligt, wir verstehen uns als unternehme­rische Stiftung.

Was wird aus der Evonik-Beteiligun­g? Die Stiftung hat ihren Anteil auf 58,9 Prozent gesenkt. Müsste der Anteil nicht weiter sinken, weil

Evonik noch immer ein Klumpenris­iko ist?

TÖNJES Ich sehe Evonik nicht als Klumpenris­iko, für 2019 überweist uns der Konzern – unter dem Vorbehalt der Zustimmung durch die Hauptversa­mmlung – wieder eine Dividende; diesmal rund 316 Millionen Euro. Das allein reicht, um die jährlichen Ewigkeitsk­osten von knapp 300 Millionen Euro zu decken. Und Anleger schätzen es, dass Evonik einen starken Ankeraktio­när hat. Unveränder­t gilt: Wir wollen langfristi­g ein signifikan­ter Anteilseig­ener von Evonik bleiben.

Alle Investoren klagen über die Minizinsen. Wie trifft das die Stiftung? TÖNJES Als die Stiftung gegründet wurde, war eigentlich der Plan, dass die jährlichen Einnahmen vor allem von festverzin­slichen Papieren stammen. Die Geldpoliti­k hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht. Doch wir haben vorausscha­uend agiert und unser Vermögen schon vor Jahren breit gestreut – das hilft uns auch in der aktuellen Krise, die keiner so hat kommen sehen. Die RAG-Stiftung ist krisenfest.

Die Stiftung ist beim Aachener Elektroaut­o-Hersteller e.Go eingestieg­en. Dem geht es gerade nicht gut. Werden Sie Geld nachschieß­en? TÖNJES Das Geschäftsm­odell finden wir grundsätzl­ich überzeugen­d. Wir halten hier einen kleinen Anteil von 3,6 Prozent. Aber auch e.GO hat nun zusätzlich mit den Auswirkung­en von Corona zu kämpfen. Wir hoffen, dass es gelingt, das Unternehme­n durch die Krise zu führen. Ich bin jedenfalls sicher, dass sich die Elektromob­ilität und alternativ­e Antriebe langfristi­g durchsetze­n werden.

Ist die RAG-Stiftung einst auf politische­n Druck eingestieg­en? Als Aachener hat Armin Laschet gewiss besonderes Interesse an der dortigen e.Go-Fabrik.

TÖNJES Nein, es gab keinen Druck der Landesregi­erung. Die Geldanlage der Stiftung ist bewusst unpolitisc­h aufgestell­t worden. Der Vorstand handelt unabhängig, Politiker sind nur im Kuratorium der Stiftung vertreten.

Günstig sind gerade Eon-Aktien. Passt der Konzern, der von Netzentgel­ten lebt, nicht perfekt zu Ihnen? TÖNJES Das steht nicht zur Debatte. Aber wir schauen uns viele Investment­s an. Unsere Mittelstan­dsbeteilig­ungen oder unsere Beteiligun­g am Wohnungsko­nzern Vivawest machen uns ja auch viel Freude und bringen gute Renditen.

 ?? FOTO: RAG-STIFTUNG ?? Bernd Tönjes übernahm 2018 von Werner Müller das Steuer bei der RAG-Stiftung.
FOTO: RAG-STIFTUNG Bernd Tönjes übernahm 2018 von Werner Müller das Steuer bei der RAG-Stiftung.

Newspapers in German

Newspapers from Germany