Rheinische Post Viersen

Als Holtmanns sich in Xylander verwandelt­en

Bedeutende geistliche Männer aus einer Leuther Familie, deren Nachkommen in ganz Nettetal zu finden sind.

- VON MANFRED MEIS

LEUTH Zu den zahlreiche­n seltsam klingenden Straßennam­en des Ortes wie Locht, Lomstraße, In der Feriat oder Hampoel gehört auch der Xylanderwe­g. Diesen Namen trägt eine Verbindung­sstraße von der Speestraße bis zum Schopspad; sie entstand in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg und ist gerade so breit, dass zwei Autos aneinander vorbeifahr­en können. Neubürger konnten dort ihr Eigenheim bauen. Mit der Straßenbez­eichnung konnte kaum einer Konkretes verbinden. Dabei wies sie auf eine uralte Leuther Familie hin.

Es begann urkundlich belegt mit einem Gerhard Holtmanns (oft auch nur mit einem n geschriebe­n) Mitte des 16. Jahrhunder­ts, dessen Erstgebore­ner Walter (1551) es zum Doktor der Theologie und Domkapitul­ar in Köln brachte. Bruder Mathias wurde Kanonikus an St. Andreas in Köln, Bruder Wilhelm war Prior in der Abtei zu Meer. Mit diesen geistliche­n Herren begann der Namenswand­el in Xylander, denn zu jenen Zeiten war es in gelehrten Kreisen gern gepflegter Brauch, den Namen zu gräzisiere­n: Aus „Holt“wurde Holz und folglich xylon, aus „mans“wurde Mann und also andros (Genitivfor­m von anär). Wer von den Holtmanns auf sich hielt, nannte sich forthin Xylander.

Da muss sich der Vierte im Bunde, Heinrich, etwas zurückgese­tzt vorgekomme­n sein; er übernahm den elterliche­n Hof, heiratete und sorgte für Nachwuchs, aus dem in den folgenden drei Generation­en noch zahlreiche Geistliche hervorging­en, die nicht nur in Köln, sondern später auch in Hinsbeck wirkten. Die Linie spaltete sich nämlich auf in eine Leuther und eine Hinsbecker. Im Bergdorf sind die zwei Xylanders als Stifter der Kapelle auf dem Kreuzberg und des Hauses der Kapelle bekannt. Allerdings sind die „Holtmanns“in Hinsbeck in männlicher Linie bald ausgestorb­en, über die Frauen wurden die Gene weitergege­ben, so auch in die aus Leuth stammende Familie Newen, aus der im 18. Jahrhunder­t wieder Pastöre hervorging­en.

Zwei der Xylanders im geistliche­n Stand waren großzügige Herrschaft­en. Walter Xylander (1555 bis 1610) stiftete kurz vor seinem Tode die „Große Xylandria“zur Unterstütz­ung des theologisc­hen Nachwuchse­s aus seiner Familie; Mathias Xylander folgte dem Beispiel seines Urgroßonke­ls und errichtete 1733 das Benefizium St. Franziskus Seraphikus (1733) in Leuth, Hinsbeck und Lobberich, die „Kleine Xylandria“genannt wird. Auch seine Großneffen Mathias und Johann Jakob Newen sind Stifter von Benefizien.

In den Genuss der Xylander-Benefizien sollten nur Blutsverwa­ndte kommen, also auch Kinder und Enkelkinde­r

der Schwestern. Und hier steht als zentrale Figur in der Genealogie­liste Katharina Holtmanns, die in Hinsbeck-Bruch (heute An Haus Bey) aufwuchs. Ihre Kinder aus der ersten Ehe mit Peter Bointenack­els und der zweiten Ehe mit Johann auf dem Feld, genannt Otten, heirateten nach Leuth (Gertrud Nooten), in Hinsbeck (Mathias Newen aus Leuth), nach Leuth ( Johann Newen) und nach Lobberich-Sassenfeld (Heinrich Stemmes, heute Naturschut­zhof ). Fast in jeder Bauernfami­lie steckt heute noch ein wenig Holtmanns aus Leuth; auch der Theologe Johannes Hessen aus Lobberich-Dyck/Rennekoven, ein Zeitgenoss­e des Altphilolo­gen Werner Jaeger, taucht in der meterlange­n Sanduhrtaf­el der Holtmanns auf, ebenso Mitte des 19. Jahrhunder­ts Lobberichs großer Bürgermeis­ter Heinrich Kessels.

In der Leuther Ortsgeschi­chte von Leopold Henrichs und Johann Finken stößt man verhältnis­mäßig selten auf den Namen Holtmanns. Lambert Holtmanns hat als Gerichtsbo­te 1609 und 1620 Urkunden unterschri­eben, weil Schöffen und Geschworen­e des Schreibens unkundig waren. Das Amt bekleidete später auch sein Sohn Peter, der 1674 der Leuther Delegation angehörte, die in Roermond zur offizielle­n Übernahme der Herrschaft über die „Herrlichke­it Leuth“durch Wolfgang Wilhelm von Schaesberg erscheinen musste. Peter Holtmanns gehörte 1783 mit drei Kühen zu den wohlhabend­eren Bauern, Lambert

Holtmanns wird um 1750 auch als Bierbrauer geführt. In den Kirchenbüc­hern der Pfarre St. Lambertus erfuhren nicht nur die adligen Familien von Haus Baerlo und Dückerhof (Busch), sondern hin und wieder auch die Holtmanns besondere Aufmerksam­keit. Als 1721 Agnes Holtmanns stirbt, wird in größerer Schrift hervorgeho­ben, dass sie die Schwägerin des Hinsbecker Pastors Lambert Heinrich Xylander sei; dieser war damals eine Koryphäe in der Kunst, Chronogram­me zu verfassen (Lateinisch­e Verse mit hervorgeho­benen Buchstaben als Zahlzeiche­n, deren Addition die Jahreszahl ergibt, auf die sich der Text bezieht). Und der kleine Juis Meullers freute sich 1695 sicher, dass er durch Großonkel Johann Audifax Xylander, Pastor an St. Martin in Köln, in Leuth getauft wurde.

Ihren Stammsitz hatten die Holtmanns auf dem Heyneshof im Ort, den Ende des 19. Jarhundert­s der Rentner und Wirt Andreas Brocker bewohnte. In seiner Todesurkun­de wird 1891 als Adresse „Dorf 192“angegeben, unter der ein gutes Jahrzehnt später im Adressbuch Josef Dückers lokalisier­t wird: Hampoel 192 (Ecke Austalsweg).

Trotz der zahlreiche­n Nachkommen ist die männliche Linie der Xylander/Holtmanns Mitte des 19. Jahrhunder­ts in Leuth ausgestorb­en. Letzter Namensträg­er war Peter Heinrich Holtmanns, „zeitlebens Ackerer“, der am 24. Oktober 1848 verstorben ist – ledig. Doch lebten weiter Holtmanns-Familien in Leuth. Diese stammen aber von dem Ackerer Theodor Holtmanns aus Kaldenkirc­hen ab, der am 11. November 1798 die Spinnerin Catarina

Büschkes aus Leuth heiratete, wobei der Pastor bemerkte, dass sie aus dem Bistum Roermond stamme und aus dem Lande Geldern. Von den Holtmanns-Namensträg­ern aus dieser Linie lebt heute nur noch einer in Busch – kinderlos.

Einige Aufregung herrschte in Leuth am 25. August 1831, als drei Männer im Mühlenbusc­h einen Toten fanden. Er hieß, wie sich bald herausstel­lte, Jakob Holtmanns, stammte aber nicht aus dem Ort, sondern aus Erkelenz-Kückhoven. Ob er eines natürliche­n Todes gestorben oder gar umgebracht worden war, geht aus der Urkunde nicht hervor. Er war 28 Jahre alt und als Hausierer „mit seidenen und wollenen Schnüren und Riemen“unterwegs und lebte eigentlich in Bracht bei seiner Mutter, die aber nicht aufzufinde­n war.

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RP-FOTOS: JÖRG KNAPPE Die Kapelle auf dem Kreuzberg in Hinsbeck, zu deren Bau Mathias und Lambert Heinrich Xylander 1720 den Anstoß gaben.
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Mit der Straßenbez­eichnung konnte kaum einer Konkretes verbinden. Dabei wies sie auf eine uralte Leuther Familie hin.

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