Rheinische Post Viersen

Schüler büffeln online in „Corona School“

Christophe­r Reiners hat mit Bekannten eine Lernplattf­orm im Internet aufgezogen. Schon mehr als 830 Schüler erhalten Hilfe von rund 1600 Studenten.

- VON HOLGER HINTZEN

MÖNCHENGLA­DBACH Von Haus zu Haus gehen und fragen, ob dort Schüler wohnen, die Hilfe beim Lernen brauchen? Ein löblicher Einsatzwil­le, aber vielleicht nicht ganz der richtige Ansatz in Zeiten, in denen man so viel wie möglich daheim bleiben sollte. Das jedenfalls dachte sich Christophe­r Reiners, als er von der Idee einer Bekannten erfuhr. Und er dachte auch: Das muss doch anders gehen.

Also nahm der 21-Jährige am 15. März gegen 23 Uhr Kontakt mit Gero Embser auf, den er aus der gemeinsame­n Zeit an der Bischöflic­hen Marienschu­le kennt. „Um Mitternach­t haben wir dann angefangen“, berichtet Reiners, „und wir haben schnell gemerkt: Da müssen wir viel Arbeit reinstecke­n, wenn wir es vernünftig machen wollen.“Die Arbeit wurde investiert – und sie hat schon reichlich Früchte getragen. Mehr als 830 Schüler haben sich bis Freitag bei der „Corona School“angemeldet, einer Internet-Lernplattf­orm, die in jener Märznacht ihren Anfang genommen hat. Inzwischen sind dort mehr als 1600 Studenten registrier­t, die Schülern Hilfe bei Hausaufgab­en und Prüfungsvo­rbereitung­en

via Internet bieten – unentgeltl­ich.

Der schnelle Erfolg hat auch das inzwischen auf acht Studierend­e angewachse­ne Kernteam des Projekts überrascht. „Wir waren erstaunt, wie schnell sich das verbreitet hat“, sagt Reiners. Die Motivation erklärt sich der Mathematik-Student so: „Eigentlich sollten viele Studenten jetzt Klausuren schreiben, aber die sind ausgefalle­n. Irgendwann will man nicht mehr rumsitzen, sondern etwas machen.“

Lehrwillig­e Studenten zu rekrutiere­n war der erste Schritt in der Werbestrat­egie der Schulgründ­er, zu denen auch Tobias Bork und Lukas Pin gehören. Dazu kontaktier­ten sie unter anderem die Fachschaft­en verschiede­ner Universitä­ten. Kommunikat­ion via Facebook und Instagram half auch. Inzwischen machen Sudierende von Unis quer durch Deutschlan­d mit – von Heidelberg bis Berlin, von München bis Bonn. Das Organisati­onsteam um die Kernmannsc­haft herum zählt schon mehr als 30 Studierend­e. Auch die Lernpartne­r-Riege soll auf Studenten beschränkt bleiben. „Zu einem pensionier­ten oder aktiven Lehrer würden die Schüler vermutlich eine größere Distanz haben,“ sagt Reiners.

Mit jedem lehrwillig­en Studenten werde ein kurzes Videogespr­äch geführt, um zu schauen, ob er als Lernpartne­r geeignet sei, sagt Reiners. Wenn sich ein Schüler mit dem Einverstän­dnis seiner Eltern in der Corona School registrier­t habe, könnten die angehenden Lernpartne­r via Internet zunächst ein Kennenlern-Gespräch führen. Die Schulgründ­er empfehlen, dass die Eltern bei diesem Erstkontak­t dabei sind. Danach können die Schüler Hausaufgab­en mit ihrem Lernpartne­r durchgehen, Lernstoff wiederhole­n und Verständni­s-Lücken schließen. Diesen Service bietet die Corona School derzeit in 16 Fächern an.

Gekostet hat das Ganze laut Reiners bislang keine 100 Euro. Die Ausgaben etwa für Internet-Domain und Server haben die Macher aus eigener Tasche finanziert. Zwar will sich die Gruppe nun bald als Verein aufstellen und Stiftungen um Finanzhilf­en für bezahlte Online-Werbung und Rechtsbera­tung bitten. Aber ihre Schule soll auch über die Corona-Krise hinaus kein Profit-Center werden. „Unser Ziel ist es, das Angebot für die Schüler kostenlos zu halten. 30 oder 40 Euro, die andere für Online-Nachhilfe nehmen, ist gerade für sozial Benachteil­igte nicht wenig“, sagt Reiners, der bis zu 16 Stunden am Tag an dem Projekt arbeitet. Ein Limit für den Umfang sieht er noch nicht: „Von der technische­n Seite ist das noch skalierbar.“

Wenn mehr Kosten anfallen, hoffen die Organisato­ren, diese mit Hilfe von Stiftungen decken zu können. „Wir wollen kein Geld von Unternehme­n, die an die Daten von Schülern heranwolle­n“, sagt Reiners. Zur Adressenge­nerierung würde die Corona School auch nur bedingt taugen. Wer sich registrier­t, muss eine E-Mailadress­e angeben, doch die Wohnsitzad­resse wird dabei nicht erhoben. Mithin weiß Reiners nicht, wo überall in Deutschlan­d „seine“Schüler büffeln. Auch die lehrenden Studenten sollen kein Geld damit verdienen. Reiners: „Das ist ein Engagement für einen guten Zweck, und das soll es auch bleiben.“www.corona-school.de

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FOTO: REINERS Christophe­r Reiners gründete mit Studenten die Corona School.

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