„Das Drumherum ist fürchterlich steril“
Der Bestatter aus Dülken spricht über das Trauern in Zeiten der Corona-Krise, neue Wege — und Hamsterkäufe.
Wie anders als üblich läuft in Zeiten der Corona-Krise das erste Treffen im Bestattungshaus mit den Angehörigen eines Verstorbenen ab?
Diericks Normalerweise nehmen wir „unsere“Angehörigen auch mal in den Arm und trösten sie, denn manchmal sind sie wirklich sehr traurig. Jetzt erkläre ich den Angehörigen immer, dass wir aufgrund der aktuellen Situation Distanz halten müssen, dafür haben auch alle großes Verständnis. Die Gespräche sind dann herzlich wie immer, aber das ganze Drumherum ist fürchterlich steril. Es darf immer nur ein Angehöriger zu mir ins Büro, wir haben überall Desinfektionsmittel-Spender stehen, wir tragen Atemschutzmasken.
Und wie ist es bei Beerdigungen? Diericks Alles wirkt anfangs kühler. Es gibt keine Umarmungen, maximal 20 Trauernde sind zugelassen, die voneinander Abstand halten müssen. Wir sind angehalten, dafür zu sorgen, dass das auch eingehalten wird. Sollten wir mal Ausreißer dazwischen haben, müsste ich eventuell die Friedholfsverwalt einschalten. Aber das war noch nicht notwendig. Die Leute sind sehr besonnen und verständnisvoll. Zu Beginn der Trauerfeier muss jeder seinen Namen und seine Adresse in eine Liste eintragen und bekommt dafür von uns einen eigenen Kugelschreiber. Nach der Beerdigung stehen wir mit zwei Angestellten parat und schauen, dass sich jeder die Hände desinfiziert. Normalerweise gibt es bei Erdbestattungen sechs Sargträger, jetzt sind es möglichst nur vier, damit zwischen ihnen ein ausreichend großer Abstand ist. Die Trauerhallen dürfen wir nicht mehr nutzen, in den Kirchen findet nichts mehr statt – also muss alles draußen stattfinden. Aber wir sind ideenreich und kreativ, wir erfinden uns in dieser Krise komplett neu.
Inwiefern erfinden Sie sich denn neu?
Diericks Wir werden kreativ, suchen nach Alternativen. Ich verlege die Feierlichkeiten zum Beispiel ans Grab, da wird dann mit Blumen und Teelichtern dekoriert, ein Foto des Verstorbenen aufgestellt. Blumen gibt es noch, es wird allerdings schwieriger, frische Schnittblumen zu bekommen – aber wir haben hier kreative Friedhofsgärtner, die gute Kompromisse finden. Wir können keine Kirche mit Orgelmusik bieten, aber Musik von einer tragbaren Anlage abspielen. Wir haben auch die technischen Möglichkeiten dafür, die Trauerfeier live über das Internet zu übertragen, dann bekommen die Angehörigen dafür einen Zugangscode. Aber das Angebot wollte bisher noch keiner nutzen.
Wie sind Sie eigentlich darauf vorbereitet, einen Corona-Infizierten zu bestatten?
Diericks Ich hoffe natürlich, dass es nicht dazu kommt. Aber es kann möglich sein, dass da eine Welle anrollt, wir können jetzt nur abwarten, was passiert. Ich weiß, was da auf mich zukommen kann, wir hatten eine Schulung von Gesundheitsamt, Ordnungsamt und Bestatterverband. Ich würde dann mit Ganzkörper-Schutzanzug und FFP3-Mundschutz arbeiten. Ich habe mir zwei Dampfreiniger besorgt, mit denen ich schon jetzt meine Autos und die Särge bedampfe, um Viren abzutöten. Für Verstorbene, die mit dem Corona-Virus infiziert sind, gibt es spezielle Leichensäcke, die man nicht mehr öffnen darf, das ist streng verboten. Angehörige können den Verstorbenen also nicht noch einmal sehen. In diesem Leichensack wird er in den Sarg eingebettet. Den Spalt zwischen dem unteren Teil und dem Deckel muss ich dann ringsrum mit Silikon abdichten. Erd- und Feuerbestattung sind möglich, da gibt es keine Vorschriften.
Weltweit steigt die Zahl der Corona-Toten, es werden also mehr Särge benötigt. Neigt der Bestatter da zu Hamsterkäufen?
Diericks Nein, mein Lager ist voll. Ich habe tatsächlich mal kurz darüber nachgedacht, mehr Särge zu bestellen, es dann aber doch nicht getan, weil mir zugesichert wurde, dass es genug gibt. Wir haben auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass es irgendwo in der Lieferkette eine Knappheit gibt.
Wird die Corona-Krise die Trauerkultur nachhaltig verändern? Diericks Ich denke nicht. Das einzige, das sich höchstwahrscheinlich verändern wird: Die Leute wollen mehr Geld sparen, deshalb wird es wohl mehr Bestattungen im kleinen Rahmen geben.