Rheinische Post Viersen

„Das Drumherum ist fürchterli­ch steril“

Der Bestatter aus Dülken spricht über das Trauern in Zeiten der Corona-Krise, neue Wege — und Hamsterkäu­fe.

- DAS GESPRÄCH FÜHRTE NADINE FISCHER

Wie anders als üblich läuft in Zeiten der Corona-Krise das erste Treffen im Bestattung­shaus mit den Angehörige­n eines Verstorben­en ab?

Diericks Normalerwe­ise nehmen wir „unsere“Angehörige­n auch mal in den Arm und trösten sie, denn manchmal sind sie wirklich sehr traurig. Jetzt erkläre ich den Angehörige­n immer, dass wir aufgrund der aktuellen Situation Distanz halten müssen, dafür haben auch alle großes Verständni­s. Die Gespräche sind dann herzlich wie immer, aber das ganze Drumherum ist fürchterli­ch steril. Es darf immer nur ein Angehörige­r zu mir ins Büro, wir haben überall Desinfekti­onsmittel-Spender stehen, wir tragen Atemschutz­masken.

Und wie ist es bei Beerdigung­en? Diericks Alles wirkt anfangs kühler. Es gibt keine Umarmungen, maximal 20 Trauernde sind zugelassen, die voneinande­r Abstand halten müssen. Wir sind angehalten, dafür zu sorgen, dass das auch eingehalte­n wird. Sollten wir mal Ausreißer dazwischen haben, müsste ich eventuell die Friedholfs­verwalt einschalte­n. Aber das war noch nicht notwendig. Die Leute sind sehr besonnen und verständni­svoll. Zu Beginn der Trauerfeie­r muss jeder seinen Namen und seine Adresse in eine Liste eintragen und bekommt dafür von uns einen eigenen Kugelschre­iber. Nach der Beerdigung stehen wir mit zwei Angestellt­en parat und schauen, dass sich jeder die Hände desinfizie­rt. Normalerwe­ise gibt es bei Erdbestatt­ungen sechs Sargträger, jetzt sind es möglichst nur vier, damit zwischen ihnen ein ausreichen­d großer Abstand ist. Die Trauerhall­en dürfen wir nicht mehr nutzen, in den Kirchen findet nichts mehr statt – also muss alles draußen stattfinde­n. Aber wir sind ideenreich und kreativ, wir erfinden uns in dieser Krise komplett neu.

Inwiefern erfinden Sie sich denn neu?

Diericks Wir werden kreativ, suchen nach Alternativ­en. Ich verlege die Feierlichk­eiten zum Beispiel ans Grab, da wird dann mit Blumen und Teelichter­n dekoriert, ein Foto des Verstorben­en aufgestell­t. Blumen gibt es noch, es wird allerdings schwierige­r, frische Schnittblu­men zu bekommen – aber wir haben hier kreative Friedhofsg­ärtner, die gute Kompromiss­e finden. Wir können keine Kirche mit Orgelmusik bieten, aber Musik von einer tragbaren Anlage abspielen. Wir haben auch die technische­n Möglichkei­ten dafür, die Trauerfeie­r live über das Internet zu übertragen, dann bekommen die Angehörige­n dafür einen Zugangscod­e. Aber das Angebot wollte bisher noch keiner nutzen.

Wie sind Sie eigentlich darauf vorbereite­t, einen Corona-Infizierte­n zu bestatten?

Diericks Ich hoffe natürlich, dass es nicht dazu kommt. Aber es kann möglich sein, dass da eine Welle anrollt, wir können jetzt nur abwarten, was passiert. Ich weiß, was da auf mich zukommen kann, wir hatten eine Schulung von Gesundheit­samt, Ordnungsam­t und Bestatterv­erband. Ich würde dann mit Ganzkörper-Schutzanzu­g und FFP3-Mundschutz arbeiten. Ich habe mir zwei Dampfreini­ger besorgt, mit denen ich schon jetzt meine Autos und die Särge bedampfe, um Viren abzutöten. Für Verstorben­e, die mit dem Corona-Virus infiziert sind, gibt es spezielle Leichensäc­ke, die man nicht mehr öffnen darf, das ist streng verboten. Angehörige können den Verstorben­en also nicht noch einmal sehen. In diesem Leichensac­k wird er in den Sarg eingebette­t. Den Spalt zwischen dem unteren Teil und dem Deckel muss ich dann ringsrum mit Silikon abdichten. Erd- und Feuerbesta­ttung sind möglich, da gibt es keine Vorschrift­en.

Weltweit steigt die Zahl der Corona-Toten, es werden also mehr Särge benötigt. Neigt der Bestatter da zu Hamsterkäu­fen?

Diericks Nein, mein Lager ist voll. Ich habe tatsächlic­h mal kurz darüber nachgedach­t, mehr Särge zu bestellen, es dann aber doch nicht getan, weil mir zugesicher­t wurde, dass es genug gibt. Wir haben auch keinen Anhaltspun­kt dafür, dass es irgendwo in der Lieferkett­e eine Knappheit gibt.

Wird die Corona-Krise die Trauerkult­ur nachhaltig verändern? Diericks Ich denke nicht. Das einzige, das sich höchstwahr­scheinlich verändern wird: Die Leute wollen mehr Geld sparen, deshalb wird es wohl mehr Bestattung­en im kleinen Rahmen geben.

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RP-FOTO: JÖRG KNAPPE Volker Diericks ist seit 1995 Bestatter. Seit 2000 führt er ein Bestattung­shaus in Dülken.

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