Selber ackern leicht gemacht
Eigenes Gemüse geht auch ohne eigenen Garten. Die Initiative „Solidarische Landwirtschaft“und die Aktion „Gemüse selber ernten“machen das möglich. Beide mit unterschiedlichen Ansätzen.
MÖNCHENGLADBACH/JÜCHEN Wer sein Gemüse selbst anpflanzen will, muss keinen eigenen Garten besitzen. Auf dem Bio-Bauernhof Essers an der Grenze zum Mönchengladbacher Stadtgebiet gibt es gleich zwei Möglichkeiten, aktiv zu werden. Für die eine reicht ein monatlicher Beitrag, Mitarbeit ist optional. Die andere ist was für „Selbermacher“, dafür aber auch günstiger. Platz für ausreichenden Abstand ist auf dem Acker genug, auch in Corona-Krisenzeiten.
Merle Gruden bereitet gerade die neue Aussaat vor. An diesem Tag werden Salate und Radieschen nachgepflanzt. Die 31-jährige Oecotrophologin leitet die Mönchengladbacher „SoLawi“-Initiative. SoLawi steht für Solidarische Landwirtschaft. In ganz Deutschland gibt es rund 280 solcher Gruppen, weltweit gibt es sie von Kanada über Europa bis Japan. Die Idee: Alle Mitglieder tragen finanziell und, wenn sie wollen und können, mit körperlicher Arbeit dazu bei, den Acker zu bestellen. „Die Ernte wird unter allen Mitgliedern direkt aufgeteilt, Transportwege, Lagerkosten und Zwischenhändler fallen raus“, sagt Gruden. Zudem können die Mitglieder darüber abstimmen, was gepflanzt werden soll. Einige wenige Voll- und Teilzeitkräfte wie Merle Gruden sorgen dafür, dass es auch dann was zu ernten gibt, wenn nur wenige aktiv mithelfen. Das macht es auch älteren Menschen oder jenen mit wenig Zeit möglich, daran teilzuhaben.
Die Ernteübersicht der vergangenen Woche hängt noch: Es gab zwei Wirsingköpfe, einen Rosenkohlstrunk, zwei Köpfe Weißkohl, 200 Gramm Blattspinat, einen Rettich, drei rote oder gelbe Bete und einen Grünkohl. Diese Menge entspricht einem Ernteanteil. Mitglieder können auch nur halbe Anteile oder auch mehrere erwerben. Auch der Tausch von Waren bei der Abholung steht jedem frei. „Der Monatsbeitrag für einen halben Anteil ist 45 Euro, für einen ganzen 80 Euro“, erklärt Gruden. Das klingt zwar erst einmal nach viel Geld. Dafür sind die Produkte aber auch bio und zusätzlich gibt es einen wöchentlichen Newsletter, der unter anderem Rezept-Ideen für die aktuelle Ernte liefert.
Einen anderen Ansatz verfolgt Landwirt Thomas Sablonski mit der jährlichen Aktion „Gemüse selber ernten“. Er bereitet zu Beginn der Saison alles vor, Teilnehmer können sich ins gemachte Nest setzen. Auf einer Parzelle von 1,50 Metern Breite und 30 Metern Länge ist das Saatgut schon ausgebracht, die Pflanzen bereits im Boden. Teilnehmer zahlen einmalig 100 Euro für eine Saison, müssen sich dafür aber selbst um ihren Acker kümmern. „Die schwere Arbeit ist bereits erledigt, das macht es auch für Senioren interessant“, betont Sablonski. Zudem bleibe jeder Teilnehmer flexibel und ungebunden. Nach der Saison besteht keine Pflicht, noch einmal mitzumachen.
Auf den 450 Quadratmetern pflanzt Sablonski eine bunte Mischung: Blumenkohl und Kürbis genauso wie Schnittlauch und Kohlrabi. Sind frühe Pflanzen abgeerntet wie etwa Salat, können Teilnehmer im Hofladen neues Bio-Saatgut kaufen und wenn sie wollen, nachsäen. „Das ist aber keine Pflicht, jeder kann seine Parzelle auch einfach leerernten und fertig“, erklärt der Landwirt. Auch junge Familien, die am Wochenende mit dem Grill kommen, seien unter
seinen Teilnehmern. Im Großen und Ganzen sei die Parzelle aber so bepflanzt, dass nach und nach immer was reif wird. So etwa zwei Stunden pro Woche sollten Interessierte für Pflege und Ernte einplanen. „Anfangs empfehle ich etwas mehr Zeit, um das Unkraut fernzuhalten“, sagt Sablonski. Später, wenn die Pflanzen größer sind, werde es einfacher.
Beiden Arten der Eigenversorgung haben ihre Vorzüge. In jedem Fall setzen sich die Mitglieder, das bestätigen Sablonski und Gruden unabhängig voneinander, mehr mit ihren geernteten Lebensmitteln auseinander. Die Wertschätzung für das eigene Erzeugnis sei einfach größer als für das unpersönliche Produkt aus dem Supermarkt. Und der Hang, etwas wegzuwerfen, deutlich geringer. Was bei den „Solawis“zu viel geerntet wird, gehe zudem an die Ehrenamtlichen von Foodsharing, betont Gruden.