Rheinische Post Viersen

Gefährlich­er Balanceakt

Das umstritten­e Epidemiege­setz fordert Regierung und Opposition gleicherma­ßen.

- Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

Krisenzeit­en machen die Exekutive stark. Die Legislativ­e hingegen ist eher in der Defensive – wenn schnelles Handeln gefordert ist, erscheint das parlamenta­rische Prozedere leicht als zu umständlic­h.

Das lässt sich momentan in NRW beobachten. Gerade hat das schwarz-gelbe Landeskabi­nett eine Gesetzesno­velle beschlosse­n, die der Exekutive im Fall einer Epidemie viel Macht einräumen soll. Ein Beispiel: Der Gesundheit­sminister könnte anordnen, dass Menschen mit medizinisc­her Vorbildung im Krankenhau­s arbeiten müssen – auch wenn sie inzwischen in ganz anderen Berufen tätig sind. Ein Eingriff in die Berufsfrei­heit, der womöglich verfassung­swidrig ist. Im Eiltempo will die Landesregi­erung dieses Gesetz durch das Parlament jagen. Dazu kommt es nun doch nicht, auch weil die Opposition sich sperrte. Doch damit steckt sie im Zwiespalt. Was, wenn die Patientenz­ahlen kurzfristi­g so in die Höhe schnellen, dass medizinisc­hes Personal knapp wird? Dann stehen SPD, Grüne und AfD als Verhindere­r da. Aber auch die Landesregi­erung hat viel zu verlieren. Wenn sie ein Gesetz durchpaukt, das sich als verfassung­swidrig erweist, wirft das lange Schatten auf ihr Demokratie­verständni­s. Dies dürfte insbesonde­re den Liberalen nicht recht sein. Und zum Versöhner-Image des Ministerpr­äsidenten

würde solch ein Vorgehen auch kaum passen.

Die Bereitscha­ft zum Kompromiss ist daher groß. Und der sieht so aus: Am heutigen Mittwoch wird der Gesetzentw­urf in den Landtag eingebrach­t. Anschließe­nd tagt der Gesundheit­sausschuss und beschließt eine Anhörung mit Sachverstä­ndigen. Die zweite Lesung kann am Gründonner­stag folgen. Sollte das Gesetz bis dahin wesentlich verbessert werden, fällt die dritte Lesung aus. Die Opposition hätte Staatsräso­n gezeigt, die Landesregi­erung Handlungsf­ähigkeit bewiesen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany