Rheinische Post Viersen

Gladbach geht in Kurzarbeit

Mehr als 3000 Anträge auf Kurzarbeit sind bisher bei der Arbeitsage­ntur Mönchengla­dbach eingegange­n. Für viele Beschäftig­te bedeutet das heftige finanziell­e Einbußen, wie vier Betroffene vorrechnen. Sie hoffen, damit ihren Job retten zu können.

- VON ANDREAS GRUHN

MÖNCHENGLA­DBACH Die Zahlen sehen eigentlich gut aus: Weniger Arbeitslos­e in Mönchengla­dbach im März als im Februar, und deutlicher weniger als noch ein Jahr zuvor. Die Arbeitsmar­ktstatisti­k, die die Agentur für Arbeit am Dienstagmo­rgen vorlegte, hat aber einen Schönheits­fehler: Die Zahlen haben nicht mehr viel mit der Realität gemein, denn sie sind von vor Beginn der Corona-Krise. Eine andere Zahl, die nicht in der Statistik auftaucht, beschäftig­t die Menschen viel mehr: Knapp über 3000 Anträge auf Kurzarbeit sind bisher bei der Arbeitsage­ntur Mönchengla­dbach eingegange­n. „Im Moment arbeitet ein Großteil unserer Beratungs- und Vermittlun­gsfachkräf­te daran, die Anträge bearbeitun­gsreif vorzuberei­ten“, teilte die Agentur mit. „Danach erfolgt die Bewilligun­g.“Bis Ende der Woche werden 180 Mitarbeite­r der Arbeitsage­ntur statt wie sonst 20 nur mit Kurzarbeit befasst sein.

Noch ist nicht klar, wie viele Bezieher von Kurzarbeit­ergeld es geben wird in Mönchengla­dbach. Die Betriebe werden die Listen der betroffene­n Mitarbeite­r in der kommenden Woche einreichen, so die Arbeitsage­ntur. Viele Beschäftig­te wissen aber schon Bescheid, Kurzarbeit beginnt für die meisten ab dem heutigen 1. April, und sie trifft es zum Teil sehr hart. Einige von ihnen rechnen unserer Redaktion konkret vor, was Kurzarbeit für sie bedeutet. Sie alle wollen nicht mit ihrem echten Namen genannt werden, dennoch dokumentie­ren wir hier ihre Fälle.

So wie Rainer Schmitz*. Der 36-Jährige ist Verkäufer in einem Mönchengla­dbacher Einzelhand­elsgeschäf­t und hat jetzt nichts mehr zu arbeiten. Er bekommt 67 Prozent seines letzten Nettolohns, er und seine Frau haben ein kleines Kind. „Meine Frau verdient zwar weiter normal in ihrem Beruf, aber trotzdem bedeutet das für uns: 500 Euro im Monat weniger“, sagt Schmitz. „Wir haben vor zwei Jahren ein Haus gekauft und haben auch ein Auto finanziert, die

Kosten laufen weiter.“Bisher waren nach Abzug der Fixkosten ungefähr 1000 Euro im Monat übrig für den Lebensunte­rhalt der dreiköpfig­en Familie – auskömmlic­h. „Jetzt fehlt davon die Hälfte.“Auf seinen Chef will er nichts kommen lassen. „Er kann da gar nichts für, und ich bin froh, dass ich nachher wieder die Chance bekomme, weiterzuar­beiten.“Trotzdem hat er mit den Banken Verhandlun­gen aufgenomme­n. Die Finanzieru­ng fürs Auto wird für drei Monate auf 200 Euro halbiert, der Fehlbetrag muss danach aber wieder innerhalb von sechs Monaten aufgeholt werden.

Jessica Fink* trifft Kurzarbeit noch ganz anders. Sie arbeitet in einem Geschäft im Kreis Heinsberg in einer Teilzeitst­elle. Die 29-Jährige bekommt ab April 60 Prozent ihres letzten Nettolohns, und das ist dann deutlich weniger als 1000 Euro. „Das

ist dann weniger als Hartz IV“, sagt die Einzelhand­elskauffra­u. „Natürlich gebe ich jetzt auch weniger Geld aus, weil Shoppen, Kino, Bowling und Freunde treffen geht ja ohnehin nicht. Das wäre aber auch nicht mehr drin. Miete, Kosten für das Auto, Versicheru­ngen und alles andere läuft ja weiter.“Seit Geschäftss­chließung

hatte sie Urlaub, und hat die Zeit genutzt, ihre Wohnung in Rheydt zu renovieren.

Nora Herzog* hat hingegen Glück: Sie arbeitet in Vollzeit in einer Spielhalle in der Stadt, und sie bekommt 60 Prozent Kurzarbeit­ergeld. „Als ich das gehört habe, ist mir das Herz in die Hose gerutscht. Mein Arbeitgebe­r ist aber sehr kulant und stockt das auf 100 Przent auf“, sagt sie. Verzichten muss sie nur auf Nachtund Wochenendz­uschläge, das sind rund 200 Euro im Monat weniger. „Ich kann alle Zahlungen noch bedienen, aber man weiß ja nicht, wie lange das jetzt so geht.“

Kurzarbeit – das würde sich David Mare* wünschen. Er hat durch die Corona-Krise seinen lange gesuchten Arbeitspla­tz ganz verloren. Erst Anfang März hatte der ausgebilde­te Industriem­eister und Zerspanung­smechanike­r nach einem halben Jahr

Suche einen neuen Job angefangen in einem Betrieb der Metallvera­rbeitung in Mönchengla­dbach. Er sollte Messebaute­n erledigen. Doch die Messen wurden alle abgesagt, und der Chef entließ Mitarbeite­r je nach Betriebszu­gehörigkei­t. Er war nach nur wenigen Wochen der erste, der gehen musste. „Es tat ihm sehr leid, aber er hatte keine andere Wahl“, sagt Mare. „Und jetzt ist Ebbe.“150 Bewerbunge­n hat er seit der Entlassung bereits verschickt, aber bisher nur Absagen erhalten oder Rückstellu­ngen erfahren. Einstellen will gerade kaum jemand. Da das Arbeitslos­engeld im April für ihn ausläuft bedeutet das für ihn danach: Hartz IV. „Das ist frustriere­nd, aber darauf darf man sich nicht einlassen“, sagt der 31-Jährige. Er freut sich trotzdem auf den Juli: Dann wird sein erstes Kind geboren.

*Namen geändert.

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