Rheinische Post Viersen

„Wir können leider noch nicht jeden testen“

Der Anrather Internist spricht über die Auswirkung­en der Corona-Pandemie auf seinen Arbeitsall­tag.

- MARC SCHÜTZ STELLTE DIE FRAGEN.

WILLICH Dr. Henning Huth ist hausärztli­cher Internist in Anrath. Die Corona-Pandemie hat auch seinen Arbeitsall­tag und den seiner Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r verändert. Wir sprachen mit dem 42-Jährigen über die aktuelle Situation.

Herr Dr. Huth, wie sehr bestimmt das Corona-Virus derzeit Ihren Tagesablau­f?

Henning Huth Ich biete das gesamte Spektrum der Inneren Medizin an, aber Corona ist natürlich auch bei vielen meiner Patienten das beherrsche­nde Thema, weshalb wir die Arbeitsabl­äufe umstruktur­iert und die Schutzmaßn­ahmen erhöht haben. Da mein Kollege Dr. Christoph Molls und ich in Anrath und Willich insgesamt drei Praxen betreiben, haben wir die Praxis in Willich umfunktion­iert, dort alle Termine abgesagt und bieten dort jetzt jeden Tag eine offene Sprechstun­de für Patienten mit Erkältungs­symptomen und für Corona-Verdachtsf­älle an. Dort behandeln wir mindestens 20 Patienten pro Tag.

Welche Vorteile hat das?

Huth Auf diese Weise sind die Patienten mit anderen Symptomen in den beiden Praxen in Anrath besser vor Corona geschützt. Wir haben viele ältere und chronisch kranke Patienten, die wir so schützen können. Auf diese Weise sparen wir außerdem ohnehin knappe Schutzausr­üstung, da wir nicht in allen drei Praxen immer welche tragen müssen. Zudem eignet sich die Praxis in Willich baulich sehr gut, da man sie über einen Innenhof betreten kann und Patienten, die als Verdachtsf­all gelten, nicht durch die ganze Praxis laufen müssen. Dort können wir dann auch im Freien mit entspreche­nder Schutzklei­dung den Abstrich für den Corona-Test nehmen, wenn dies denn angezeigt ist.

Wann testen Sie überhaupt auf das Corona-Virus?

Huth Wir halten uns an die Kriterien des Robert-Koch-Instituts und erstellen ein Risikoprof­il des Patienten, wonach man zum einen Symptome zeigen und zum anderen Kontakt zu einer infizierte­n Person gehabt haben muss.

Was bedeutet denn in diesem Zusammenha­ng „Kontakt“?

Huth Von „Kontakt“spricht man beim Austausch von Körperflüs­sigkeiten oder dann, wenn man 15 Minuten lang mit einem Corona-Infizierte­n zu tun hatte und ihm näher als anderthalb Meter gekommen ist. Natürlich muss man immer auch den Einzelfall abwägen, da sich nicht jeder genau erinnert, mit wem er wie lange Kontakt hatte.

Wie hatten sich die Patienten, die zu ihnen in die Praxis kamen, infiziert? Huth In unseren Praxen hatten wir bisher drei Patienten, deren Ergebnis positiv ausfiel. In allen drei Fällen handelte es sich übrigens um Urlaubshei­mkehrer. Und da mittlerwei­le die meisten deutschen Touristen wieder zu Hause sind, hat sich der Ansturm inzwischen meiner Beobachtun­g nach ein wenig gelegt. Dennoch halte ich die Maßnahmen wie Kontaktver­bote und Testungen von Verdachtsf­ällen für sinnvoll.

Wie reagieren denn Patienten, die nicht die RKI-Kriterien erfüllen, aber trotzdem getestet werden möchten?

Huth Wenn man ihnen die Situation richtig erklärt, haben die meisten Patienten Verständni­s dafür, dass man nicht jeden, der Erkältungs­symptome zeigt, testen kann. Wir sind verpflicht­et, uns an die RKI-Vorgaben zu halten. Natürlich kann so schon mal jemand „durchrutsc­hen“, der infiziert ist, aber es sind nun mal nicht unendlich viele Tests vorhanden. Daher sollte man ressourcen­schonend damit umgehen. Deswegen rate ich auch Patienten, die auf eigene Kosten einen Test machen wollen, eher davon ab.

Wie läuft ein solcher Test ab?

Huth Wir testen etwa fünf Patienten pro Tag auf das Corona-Virus.

Dabei nehmen wir jeweils mit einem langen Wattestäbc­hen einen Abstrich aus dem Rachenraum des Patienten und schicken diesen ins Labor. Das Ergebnis kommt nach etwa zwei bis drei Tagen, wobei sich die Bearbeitun­gszeit bereits verlängert hat und dies wohl auch noch weiter tun wird. Wer positiv getestet ist, muss sich in Quarantäne begeben. Ärzte, die zum Beispiel wegen fehlender Schutzausr­üstung keine Tests machen können, überweisen ihre Patienten übrigens an das Mobile Corona-Untersuchu­ngszentrum des Kreises Viersen. Ganz wichtig: Dort wird man nur getestet, wenn man eine Überweisun­g vom Arzt hat! Und was man auch nicht oft genug betonen kann: Wer Erkältungs­symptome hat, sollte nicht

einfach zu seinem Arzt gehen, sondern unbedingt vorher anrufen. Es geht schließlic­h auch darum, seine Mitmensche­n zu schützen.

Welche Schutzmaßn­ahmen haben Sie in ihren Praxen getroffen?

Huth In meiner Praxis am Kirchplatz in Anrath habe ich im Empfangsbe­reich eine provisoris­che Wand aus Acrylglas montieren lassen, im Sprechzimm­er habe ich eine solche Wand auf dem Tisch stehen. Zudem tragen wir ausreichen­de Schutzklei­dung und achten darauf, dass sich die Patienten untereinan­der nicht zu nahe kommen. Dafür haben wir beispielsw­eise die Stühle im Wartezimme­r weiter auseinande­r gestellt. Hausbesuch­e, vor allem in Alten- und Pflegeheim­en, habe ich auf das Nötigste beschränkt, um gerade die Risikogrup­pen zu schützen.

Weniger Behandlung­en oder Patientenk­ontakte bedeuten auch weniger Einnahmen. Kollegen von Ihnen klagen über finanziell­e Einbußen oder haben Kurzarbeit angemeldet.

Huth Ich denke, das trifft vor allem die Kollegen, die als Fachärzte arbeiten und teure Geräte vorhalten oder nicht lebensnotw­endige Operatione­n vornehmen, die jetzt verschoben werden, um genügend Kapazitäte­n für Corona-Patienten bereitzuha­lten. Ich als Hausarzt muss meine Patienten ja auch in diesen Zeiten weiterbetr­euen. Aber natürlich werde ich die abgesagten Termine zu spüren bekommen, doch das ist derzeit nicht meine vordringli­che Sorge. Wie gesagt: Facharztko­llegen können jetzt durchaus in die Bredouille geraten.

 ?? RP-FOTO: MARC SCHÜTZ ?? Am Empfang der Praxis von Dr. Henning Huth wurde eine provisoris­che Wand aus Acrylglas zum Schutz gegen Corona-Viren aufgestell­t.
RP-FOTO: MARC SCHÜTZ Am Empfang der Praxis von Dr. Henning Huth wurde eine provisoris­che Wand aus Acrylglas zum Schutz gegen Corona-Viren aufgestell­t.

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