Keine Handhabe für einen Notfallfonds
Der Antrag der Schwalmtaler Grünen, einen Notfallfonds für besonders von der Corona-Pandemie betroffene Bürger einzurichten, fand viel Verständnis. Aber aus grundsätzlichen Bedenken lehnte der Gemeinderat den Antrag ab.
SCHWALMTAL Bei der jüngsten Ratssitzung, die aufgrund der Corona-Pandemie mit den einzuhaltenden Sicherheitsabständen in der Achim-Besgen-Halle stattfand, stellte die Fraktion von Bündnis 90/ Die Grünen den Dringlichkeitsantrag, einen Notfallfonds außerhalb der Sozialgesetzgebung in Höhe von 50.000 Euro für besonders von der Corona-Krise betroffene Schwalmtaler Bürger einzurichten. Mit 14 Stimmen, zwei Enthaltungen und drei Gegenstimmen stimmt der Rat aber gegen einen solchen Notfallfonds.
Der Grünen-Ortsvorsitzende Thomas Nieberding begründete den Antrag so: „Trotz umfangreicher staatlicher Maßnahmen ist es möglich, dass Menschen durch die Corona-Pandemie und die daraus erwachsenden Konsequenzen in existentielle Not geraten. Geschlossene Tafeln, fehlende Mahlzeiten durch geschlossene Kindertagesstätten oder Einkommenseinbußen etwa durch Kurzarbeitergeld können menschliche Härten verursachen, die möglicherweise nicht anderweitig ausgeglichen werden können. Hier gilt es, ein Zeichen der Solidarität zu setzen. Hier muss die Gemeinde handlungsfähig sein. Bisher gab es allerdings dafür weder einen Haushaltsposten noch einen politischen Auftrag. Das soll mit dem Beschluss geändert werden.“
Vorgeschlagen wurde, einen solchen Fonds mit 50.000 Euro auszustatten. 30.000 Euro sollten aus dem Projekt Schwalmtal 2020 kommen, das für dieses Jahr abgesagt wurde, sodass die Gelder aktuell frei seien. 20.000 Euro könnten aus allgemeinen Finanzmitteln kommen. Unter der Leitung des Bürgermeisters hätte ein unabhängiges Gremium über die individuellen Anträge entscheiden sollen. „Es wird viele Leute geben, für die die umfangreichen Maßnahmen des Gesetzgebers nicht greifen. Es werden Menschen durch das Raster fallen“, betonte Stephan Joebges von den Grünen und schlägt vor, zinslose Darlehen in Höhe von 500 Euro durch die Gemeinde Schwalmtal zu vergeben.
„Wir können die Zielrichtung verstehen. Es gibt die Menschen, die vom Kurzarbeitergeld nicht leben können“, so Marco Kuhn, Fraktionsvorsitzender der Schwalmtaler SPD. Er schlug vor, alle Maßnahmen der Regierung über die Gemeindeverwaltung
gebündelt aufzulisten und auf die Möglichkeiten über eine Hotline hinzuweisen. Diese Anregung nahm die Verwaltung auf.
Die Verwaltung argumentierte in ihrer Vorlage zur Sitzung allerdings, dass fraglich sei, ob die Einrichtung eines Notfallfonds mit der aus dem Artikel 28 der Landesverfassung abgeleiteten Verbandskompetenz grundsätzlich vereinbar wäre. Das Oberverwaltungsgericht in Münster habe in einem Urteil aus dem Jahr 1995 hierzu ausgeführt, dass es nicht Aufgabe einer Gemeinde sei, staatliche Sozialleistungen, die als unzureichend empfunden werden, durch gemeindliche Transferleistungen aufzubessern. Außerdem wird auf die weitreichenden Auswirkungen des Coronavirus auch auf den Haushalt der Gemeinde Schwalmtal verwiesen. Steuerpflichtige könnten bei einer unmittelbaren und nicht unerheblichen Betroffenheit fällige Steuern stunden lassen und die Gewerbesteuervorauszahlungen können auf Antrag herabgesetzt werden. Bis zu der Ratssitzung würden die bereits gestellten Anträge in Schwalmtal zu einer Verschlechterung des Gewerbesteueraufkommens von rund 560.000 Euro führen. Die Verwaltung prognostiziert,
dass sich im Haushalt 2020 das Gesamtdefizit für das laufende Jahr auf mehr als 1,5 Millionen Euro erhöhe. „Die sogenannten Wirtschaftsweisen halten eine schwere Rezession in Deutschland durch die massiven Folgen der Corona-Krise für unvermeidbar und prognostizieren, dass die deutsche Wirtschaft im Jahr 2020 deutlich schrumpfen wird, im schlimmsten Fall um 5,4 Prozent“, so Michael Pesch in der Begründung der Verwaltungsvorlage. Die Leistung freiwilliger Ausgaben zum jetzigen Zeitpunkt sei kontraproduktiv für die finanzielle Handlungsfähigkeit der Gemeinde.