Rheinische Post Viersen

Die vergessene­n Flüchtling­e

Trotz unserer eigenen Sorgen müssen wir weiter an Hilfe für andere denken.

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Wir alle sind in diesen Tagen voller Sorgen. Plötzlich ist vieles bedroht: die eigene Gesundheit, die der Familie und der Freunde. Das technische Wort „Kontaktver­bot“ist in unser Vokabular getreten, hinter dem sich die Isolation und unbegreifl­iche Einsamkeit besonders älterer Menschen verbergen. Die Angst um den Arbeitspla­tz geht um und macht jene Zukunft wieder zu einer unsicheren Angelegenh­eit, die für viele von uns gesichert zu sein schien. Die Sorgen der vielen sind eine Bewährungs­probe für das, was wir im Kleinen Gemeinscha­ft und soziologis­ch Gesellscha­ft nennen. Diese scheint – bis auf die absurden Hamsterkäu­fe

– weiter zu funktionie­ren: mit der Balkonmusi­k um sechs und dem Applaus fürs Pflegepers­onal, mit den Kirchenglo­cken, den kleinen Rücksichtn­ahmen und vielen Nachbarsch­aftshilfen. Das alles ist richtig und tut gut. Und doch bleibt die Sorge zu oft begrenzt auf jene, die der Gemeinscha­ft angehören. Notlagen haben schon immer Gesellscha­ften gestärkt, aber eben nur diese. Fast vergessen hatten wir darüber die Not der Flüchtling­e vor allem in den großen Lagern. Mit dem Virus werden diese Camps für die körperlich ohnehin geschwächt­en Menschen zu verhängnis­vollen Fallen. Was Schutz versprach, wird zur Bedrohung. Die richtige Hilfe

wäre jetzt eine schnelle Verteilung der Menschen auf die Länder Europas und unsere Städte. Wir, die wir auf die Menschenre­chte weltweit pochen, müssen uns fragen, ob genau diese Rechte im Ernstfall an den Grenzen ihr Ende finden. Hängt die Würde der Menschen von ihrer Staatsange­hörigkeit ab?

Es gibt ein „Recht auf Rechte“, schrieb die jüdische Philosophi­n Hannah Arendt. Das ist eine Weltformel geworden, die bis heute nicht eingelöst ist. Hilfe fällt in guten Zeiten leichter. Sie ist in schweren Zeiten nötiger.

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