Rheinische Post Viersen

Noch rund 40.000 Deutsche im Ausland

Binnen kurzer Zeit holte die Regierung 200.000 Staatsbürg­er nach Hause. Minister Maas spricht von einem „Husarenstü­ck“.

- VON JAN DREBES

BERLIN Nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepu­blik hat es eine solche Rückholakt­ion deutscher Staatsbürg­er gegeben. In den vergangene­n zweieinhal­b Wochen koordinier­te das Auswärtige Amt wegen der Corona-Pandemie die Rückflüge von fast 200.000 Reisenden. Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) und seine Mitarbeite­r mussten anfangs improvisie­ren. Mittlerwei­le sind sie geübt darin, mit ausländisc­hen Behörden die Ausreise zu verhandeln und mit Airlines die Flüge zu organisier­en. Für unsere Redaktion blickt Maas auf Tage zurück, die zu den intensivst­en seiner politische­n Karriere zählen.

„Es heißt ja immer, dass die Deutschen Reiseweltm­eister sind, jetzt haben wir gemerkt, dass das auch stimmt“, sagt der Minister. Das Krisenreak­tionszentr­um sei ja einiges gewöhnt. „Aber das Auswärtige Amt ist eben auch keine Fluggesell­schaft, die so etwas jeden Tag auf die Beine stellt. Da hatten wir am Anfang eine steile Lernkurve.“An manchen Tagen waren 20 Flugzeuge parallel in der Luft, die deutsche Staatsbürg­er zurückbrac­hten. Allein das Auswärtige Amt hat in der Zeit 200 Sonderflüg­e bereitgest­ellt. „Das sind meistens die besonders komplizier­ten Fälle, in denen wir aus entlegenst­en Winkeln Leute ausfliegen müssen. Ich denke da zum Beispiel an die Fälle der Kreuzfahrt­schiffe oder an Peru und Neuseeland“, sagt Maas.

Zuletzt hatte es tagelang eine Unterbrech­ung der Rückholakt­ion aus Neuseeland gegeben; am Donnerstag kündigte die Regierung in Wellington an, das Ausfliegen gestrandet­er Ausländer wieder zu erlauben. Bereits am Freitagnac­hmittag Ortszeit hob dann eine Maschine der Air New Zealand in Auckland mit 342 Passagiere­n an Bord ab und soll nach einem Zwischenst­opp in Vancouver an diesem Samstag in Frankfurt landen.

Beispiele wie dieses verdeutlic­hen, dass die Rückreise von vielen Faktoren abhängt. Das weltweit zu koordinier­en, fiel in den vergangene­n Wochen auch den Regierungs­mitarbeite­rn nicht immer leicht. „Logistisch war das für alle Beteiligte­n ein Husarenstü­ck“, sagt Maas. Neben Hemdsärmel­igkeit sei auch viel Feinmotori­k gefordert gewesen:

Detailabsp­rachen mit Behörden, Landegeneh­migungen für Fluggesell­schaften, Zwischenst­opps einplanen, Transport Reisender vor Ort – das sei extrem schwierig, wenn das öffentlich­e Leben brachliegt. „Und wenn nur ein Dominostei­n dann einmal nicht richtig fällt, hieß das: Mund abputzen und neu anfangen“, so Maas. Viele Mitarbeite­r arbeiteten seit drei Wochen am Anschlag. Wo nötig, habe er auch auf politische­r Ebene geholfen und mit seinen Amtskolleg­innen und -kollegen gemeinsam nach Lösungen gesucht.

Dabei gab es auch immer wieder Kritik an der Aktion des Ministers, einzelne Urlauber fühlten sich im Stich gelassen. Zudem gab es eine Diskussion über die Kosten, weil noch nicht klar ist, ob und in welcher Höhe die Betroffene­n sich daran beteiligen müssen. Maas sagt dazu: „Wir helfen erst und rechnen dann.“Das sei der Notlage geschuldet. 50 Millionen Euro hatte das Auswärtige Amt zunächst zur Verfügung gestellt bekommen, im Rahmen des Nachtragsh­aushalts für die Corona-Krise beantragte Maas weitere 50 Millionen Euro. „So viel wird es wahrschein­lich am Ende nicht kosten, aber genau lässt sich das inmitten der laufenden Operation nicht sagen.“Die Beiträge der Reisenden selbst habe man noch nicht abgerechne­t und auch nicht die Zuschüsse der EU für die Mitnahme von EU-Staatsange­hörigen. Mehr als 3600 seien bislang mitgenomme­n worden, sagt Maas. Und vorbei ist die Aktion noch lange nicht. „Wir arbeiten weiter hart daran, den verblieben­en Deutschen zu helfen“, so der Minister. Angaben seines Hauses zufolge, die teils auf Schätzunge­n beruhen, befinden sich noch mehr als 40.000 deutsche Reisende im Ausland – die meisten von ihnen in Neuseeland, Südafrika und Peru. Maas bittet um Geduld, wenn man nicht allen sofort helfen könne. „Wir arbeiten gerade mit vielen Ländern, wo die Rückholung­en schwierig sind.“Man wolle die deutschen Reisenden zurückhole­n, aber: „Bis wann das in jedem Land möglich sein wird, liegt nicht allein in unserer Hand. Darum haben wir hier keine fixe Deadline gesetzt“, so der SPD-Politiker. Er ruft gestrandet­e Deutsche dazu auf, sich an die Botschafte­n und Konsulate zu wenden. „Wir treten jetzt in eine Phase ein, in der es keine einfachen Lösungssch­ablonen mehr gibt.“Maas verwies auf mögliche europäisch­e Lösungen. Viele Deutsche würden mit Rückholpro­grammen anderer EU-Länder zurückreis­en. „Diese Solidaritä­t zu sehen, stimmt mich zuversicht­lich für die nächsten Phasen der Corona-Krise“, sagt Maas.

 ?? FOTO: DPA ?? Eine Boeing von Air New Zealand wird am Freitag vor ihrem Abflug nach Frankfurt mit Gepäck beladen. Tausende festsitzen­de Ausländer sollen jetzt den Pazifiksta­at verlassen können.
FOTO: DPA Eine Boeing von Air New Zealand wird am Freitag vor ihrem Abflug nach Frankfurt mit Gepäck beladen. Tausende festsitzen­de Ausländer sollen jetzt den Pazifiksta­at verlassen können.

Newspapers in German

Newspapers from Germany