Noch rund 40.000 Deutsche im Ausland
Binnen kurzer Zeit holte die Regierung 200.000 Staatsbürger nach Hause. Minister Maas spricht von einem „Husarenstück“.
BERLIN Nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik hat es eine solche Rückholaktion deutscher Staatsbürger gegeben. In den vergangenen zweieinhalb Wochen koordinierte das Auswärtige Amt wegen der Corona-Pandemie die Rückflüge von fast 200.000 Reisenden. Außenminister Heiko Maas (SPD) und seine Mitarbeiter mussten anfangs improvisieren. Mittlerweile sind sie geübt darin, mit ausländischen Behörden die Ausreise zu verhandeln und mit Airlines die Flüge zu organisieren. Für unsere Redaktion blickt Maas auf Tage zurück, die zu den intensivsten seiner politischen Karriere zählen.
„Es heißt ja immer, dass die Deutschen Reiseweltmeister sind, jetzt haben wir gemerkt, dass das auch stimmt“, sagt der Minister. Das Krisenreaktionszentrum sei ja einiges gewöhnt. „Aber das Auswärtige Amt ist eben auch keine Fluggesellschaft, die so etwas jeden Tag auf die Beine stellt. Da hatten wir am Anfang eine steile Lernkurve.“An manchen Tagen waren 20 Flugzeuge parallel in der Luft, die deutsche Staatsbürger zurückbrachten. Allein das Auswärtige Amt hat in der Zeit 200 Sonderflüge bereitgestellt. „Das sind meistens die besonders komplizierten Fälle, in denen wir aus entlegensten Winkeln Leute ausfliegen müssen. Ich denke da zum Beispiel an die Fälle der Kreuzfahrtschiffe oder an Peru und Neuseeland“, sagt Maas.
Zuletzt hatte es tagelang eine Unterbrechung der Rückholaktion aus Neuseeland gegeben; am Donnerstag kündigte die Regierung in Wellington an, das Ausfliegen gestrandeter Ausländer wieder zu erlauben. Bereits am Freitagnachmittag Ortszeit hob dann eine Maschine der Air New Zealand in Auckland mit 342 Passagieren an Bord ab und soll nach einem Zwischenstopp in Vancouver an diesem Samstag in Frankfurt landen.
Beispiele wie dieses verdeutlichen, dass die Rückreise von vielen Faktoren abhängt. Das weltweit zu koordinieren, fiel in den vergangenen Wochen auch den Regierungsmitarbeitern nicht immer leicht. „Logistisch war das für alle Beteiligten ein Husarenstück“, sagt Maas. Neben Hemdsärmeligkeit sei auch viel Feinmotorik gefordert gewesen:
Detailabsprachen mit Behörden, Landegenehmigungen für Fluggesellschaften, Zwischenstopps einplanen, Transport Reisender vor Ort – das sei extrem schwierig, wenn das öffentliche Leben brachliegt. „Und wenn nur ein Dominostein dann einmal nicht richtig fällt, hieß das: Mund abputzen und neu anfangen“, so Maas. Viele Mitarbeiter arbeiteten seit drei Wochen am Anschlag. Wo nötig, habe er auch auf politischer Ebene geholfen und mit seinen Amtskolleginnen und -kollegen gemeinsam nach Lösungen gesucht.
Dabei gab es auch immer wieder Kritik an der Aktion des Ministers, einzelne Urlauber fühlten sich im Stich gelassen. Zudem gab es eine Diskussion über die Kosten, weil noch nicht klar ist, ob und in welcher Höhe die Betroffenen sich daran beteiligen müssen. Maas sagt dazu: „Wir helfen erst und rechnen dann.“Das sei der Notlage geschuldet. 50 Millionen Euro hatte das Auswärtige Amt zunächst zur Verfügung gestellt bekommen, im Rahmen des Nachtragshaushalts für die Corona-Krise beantragte Maas weitere 50 Millionen Euro. „So viel wird es wahrscheinlich am Ende nicht kosten, aber genau lässt sich das inmitten der laufenden Operation nicht sagen.“Die Beiträge der Reisenden selbst habe man noch nicht abgerechnet und auch nicht die Zuschüsse der EU für die Mitnahme von EU-Staatsangehörigen. Mehr als 3600 seien bislang mitgenommen worden, sagt Maas. Und vorbei ist die Aktion noch lange nicht. „Wir arbeiten weiter hart daran, den verbliebenen Deutschen zu helfen“, so der Minister. Angaben seines Hauses zufolge, die teils auf Schätzungen beruhen, befinden sich noch mehr als 40.000 deutsche Reisende im Ausland – die meisten von ihnen in Neuseeland, Südafrika und Peru. Maas bittet um Geduld, wenn man nicht allen sofort helfen könne. „Wir arbeiten gerade mit vielen Ländern, wo die Rückholungen schwierig sind.“Man wolle die deutschen Reisenden zurückholen, aber: „Bis wann das in jedem Land möglich sein wird, liegt nicht allein in unserer Hand. Darum haben wir hier keine fixe Deadline gesetzt“, so der SPD-Politiker. Er ruft gestrandete Deutsche dazu auf, sich an die Botschaften und Konsulate zu wenden. „Wir treten jetzt in eine Phase ein, in der es keine einfachen Lösungsschablonen mehr gibt.“Maas verwies auf mögliche europäische Lösungen. Viele Deutsche würden mit Rückholprogrammen anderer EU-Länder zurückreisen. „Diese Solidarität zu sehen, stimmt mich zuversichtlich für die nächsten Phasen der Corona-Krise“, sagt Maas.